VI, Allgemeine Besprechungen 1, 5, Julius Bab, Seite 9

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für das Drama kam noch speziell in Betracht, daß hier die
weitaus stärkste Wirkung von einer Persönlichkeit ausging, in
der selber diese entgegengesetzten Kräfte in unentschiedenem
Kampf miteinander lagen.
Denn als Hauptanreger der deutschen Dramatiker um 1888
kommt zweifellos Henrik Ibsen in Betracht; in lbsens Leben
und Werken kämpfen von Anbeginn bis ans Ende zwei wider¬
sprechende Gewalten miteinander. Er ist von Haus aus ein
Romantiker, der sich in menschliche Kraft nur verliebt, um zu¬
letzt ihre Unzulänglichkeit vor der großen, unbekannten Allmacht
zu zeigen; Wille, Phantasie und Sehnsucht ringen bei Brand,
Peer Gynt und Julian vergeblich danach, die Welt zu unterwerfen,
und was früh in seinen ersten Werken erklingt, das erklingt
spät in seinen letzten, wenn die erwachenden Toten spüren, daß
sie nicht gelebt haben, daß all ihr Streben umsonst war. Da¬
zwischen aber liegen die Werke, die lbsen zunächst berühmt
und mächtig gemacht haben, die Gesellschaftsdramen, in denen
ein leidenschaftlicher Moralist für die Befreiung der Lebenskraft
von heuchlerischen Konventionen plädiert — und in denen doch
gleichzeitig (vom berühmten „Symbolismus“ lbsens gestaltet)
stärker und stärker das romantisch fatalistische Gefühl lbsens
wieder anwächst, das Gefühl von der Unfreiheit aller menschlichen
Kraft, von unserer Gebundenheit an unfaßbare Schicksalsmächte.
Mächte, die wie die weißen Pferde von Rosmersholm und der
fremde Mann vom Meer, die Wildente auf der Bodenkammer,
die Pistolen des Generals Gabler und das Gold der Berge, das den
John Gabriel Borkmann lockt, unser Leben treiben, und damit
eigentlich jedes Streben der individuellen Kräfte sinnlos und
nichtig machen. Eine Kunst, die so widersprechende Gefühle
zu Gestalten ringt, und deshalb Elemente Shakespearescher
Menschendarstellung in die programmatische Zugespitztheit des
französischen Thesenstücks mischte, diese Mischung wieder mit der
ganz außerdramatischen Lyrik seines dunklen Schicksalsgefühls
überbauend — eine solche Kunst, die an alle Instinkte der Zeit
gleichzeitig appellierte, konnte gewiß tief erregend und auf¬
wühlend, aber doch ganz und gar nicht vorbildlich wirken.
Ibsen war viel zu sehr ein problematischer Sohn widerspruchs¬
voller Zeiten, als daß seine Form den typischen Gebilden der
Menschheit hätte nah sein können. Sie konnte nur so, nur einmal
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als Ausdruck dieses einziggestellten Mensch
winnen. Jede Nachahmung dieser ganz al
aber mußte als ein leeres und unfruchth
Und tatsächlich: wo man in der deuts
letzten Jahrzehnte auf direkten, formalen
da ist man in der Nähe des allerschlim
auch wirkliche Künstler wie Hauptmann un
an lbsens lyrisch symbolisierende Gesel
ihren allerschwächsten Produkten. Der¬
großen Geist die mächtigste moralische und
und von seiner Nachahmung doch nur Di
kann, ist in der Geschichte des deutsche
Es ist ja ein noch viel erstaunlicheres Sch
den Gründen einer ähnlichen Problemati
Form Friedrich Schillers in Deutschland nu
baren Heer der Dilettanten nachgeahmt wor
alle neue lebendige Entwicklung von Kleist
in Opposition gegen die Schillersche Drag
In ähnlicher Weise bedeutet Henrik lbsen
direkt auch künstlerisch, einen mächtigen
wicklung dieser Generation, aber er bleibt
Dramas ein höchst merkwürdiger, nie zu w
fall, kommt als Anreger eines neuen Stils
neuen deutschen Dramas nicht in Betracht.
und freilich die entscheidende Leidenschaft
Zeit, der Wille, ingrimmig Ernst zu machen
des gegenwärtigen Lebens fand an dem gro
seine Nahrung. Welchen Weg aber dies
würde, das war durch Ibsens zwiespältige
entschieden. Und so sehen wir die Kräfte
schiedenen Wegen entfaltet.
Die nächste und bedeutsamste Bildun
matischen Produktion aber, die Bühnend
Hauptmanns berührte sich da, wo sie inn
weder mit dem heroischen Gottsuchertum noc
gogischen Leidenschaft lbsens. Nur in
listischen Stimmung liegt ein Element der I
dem Hauptmann irgendwie verwandt ist.
Menschenzeichnung Ibsens, die durch einen