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kommenen Ausdruck einer absoluten Verzweiflung am Menschen
einen Weg zur dramatischen Form, deren Wesen doch nun einmal
Menschendarstellung ist, und die deshalb ohne eine glaubende
Hingabe an den Menschen nicht wohl sein kann?
In der Tat sind Hofmannsthals erste Szenengedichte ganz
und gar ohne dramatischen Kern und wohl auch ohne drama¬
tische Ambition; es ist nur eine reicher inszenierte, eine mehr¬
stimmig zu sagende Lyrik. Der Tod des Tizian, die älteste
dieser Szenen, läßt nach dieser Richtung hin durchaus keinen
Zweifel: Die Jünger, die vor dem Hause des sterbenden Meisters
auf der abendlichen Terrasse stehen, über die Stadt schauen, und
aus dieser Situation Gefühle gewinnen, die in schwungvollen
Versen ausströmen — diese Sprecher kommen kaum in den Ver¬
dacht, für personae dramatis zu gelten. Sie leiden nichts und sie
tun nichts irgend wie Unterschiedenes, sie sprechen nur mit ver¬
schiedenen Stimmen an dem einen, durch diese Situation ent¬
flammten Grundgefühl des Dichters. Es sind keine Menschen,
sondern lyrische Figurinen. Nur unwesentlich mehr ist das Spiel
Der Thor und der Tod dem Dramatischen angenähert; hier hat
die Handlung zwar keine symbolische Realität, aber sie ist doch
wenigstens schon als eine allegorische Bedeutsamkeit vorhanden.
Immer aber noch beruht die Wirkung auf der lyrischen Kraft,
mit der der Dichter zu uns spricht, viel mehr, als auf irgend
einem Glauben, den die Gestalten selbst erwecken. Je mehr
nun aber in den Hofmannsthalschen Szenenspielen — und litera¬
rische Lust, das seltsam verworrene Spiel der Welt in einem
Reigen bunter Kostüme wiederzuspiegeln, lockt ihn immer tiefer
die handelnden Menschen hervorgehoben werden und mit dem
Anspruch auf selbständige Beachtung auftreten, je größer wird
die Gefahr für diesen Dichter, der doch eigentlich nur von seiner
staunenden Erfahrung des ungeklärten Weltganzen und nicht von
einem liebenden Erleben des einzelnen Menschen zeugen kann.
Zuweilen, etwa in dem sehr schönen Spiel von dem Abenteurer
und der Sängerin, glückt der Versuch, weil er in dem rastlosen
Weltdurchfahrer und in der ganz im Klang gelösten Sängerin
Figuren findet, die ihrer vorgestellten Art nach auch Sprecher
des Dichters sein können. Wenn er aber in der Hochzeit der
Sobeide einen naiven, ganz jungen, eben erst vom Leid zum Be¬
wußtsein erweckten Menschen zur Hauptfigur machen will, so
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tritt das, was die Figur ihrer dramatischen Illusion nach sagen
müßte, zu der tiefsinnig schönen Hofmannsthalschen Lyrik, die
sie tatsächlich sagt, in einen fast grotesken Kontrast. Die Grenze
zwischen dem dramatisch Erforderten und dem, was dem Dichter
Hofmannsthal allein möglich ist, beginnt sich in schmerzlicher
Schärfe zu zeigen.
Diese erste Epoche der schönen, wenn auch in einzelnen
Fällen zu weit ins dramatische Bereich vorgeschobenen Szenen¬
lyrik, endet bei Hofmannsthal in einer großen, seelischen Kata¬
strophe, deren erschütterndes Dokument wir in der Prosadichtung
Ein Brief besitzen. Dieser Brief — ein Lord der elisabetba¬
nischen Zeit erklärt einem Freunde, warum er aufgehört hat zu
dichten — schildert die letzten Konsequenzen jener völlig ana¬
lytischen Weltansicht, in der Hofmannsthal bisher lebte. Diesem
Menschen zerfallen schließlich die Worte auf der Zunge — alle
Begriffe werden ihm sinnlos, weil sie dort eine beharrende Sub¬
stanz simulieren, wo nichts als ein ewig wechselnder Durchzug
von unbekannten Kräften ist; nicht nur die Ideen, nicht nur die
Persönlichkeiten, alle Dinge der Welt werden ihm höchst frag¬
würdig und unwirklich, und alle Möglichkeit zu handeln oder
zu gestalten hört für ihn auf — nur in einigen Augenblicken
mystischer Schau fühlt er sich lebendig, einem übervernünftigen
Sinn der Welt nahe. Dies war logisch der äußerste Punkt, zu
dem die nihilistische Tendenz der Hofmannsthalschen Weltbetrach¬
tung führen konnte. Hier gab es nur zwei Möglichkeiten: auf¬
hören, wirklich und für immer schweigen — oder umkehren, ein
„neues Leben“ beginnen. Hofmannsthal hat dies letztere ver¬
sucht, aber kaum halb vermocht. Im Dramatischen ist diese
Wendung ausgedrückt durch seine Elektra, die ja wieder ganz
und gar lyrischer Ausdruck ist — der Verzweiflungsschrei eines
zu tatlosem Zuschauen verdammten Menschen:
Der ist selig,
der tuen darf! Die Tat ist wie ein Bette,
auf dem die Seele ausruht, wie ein Bett
von Balsam, drauf die Seele ruhen kann,
die eine Wunde ist, ein Brand, ein Eiter
und eine Flamme!
In diesem Szenengedicht zeigt sich die Situation der griechischen
Königstochter, die sich in der Erwartung des Rächers untätig
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kommenen Ausdruck einer absoluten Verzweiflung am Menschen
einen Weg zur dramatischen Form, deren Wesen doch nun einmal
Menschendarstellung ist, und die deshalb ohne eine glaubende
Hingabe an den Menschen nicht wohl sein kann?
In der Tat sind Hofmannsthals erste Szenengedichte ganz
und gar ohne dramatischen Kern und wohl auch ohne drama¬
tische Ambition; es ist nur eine reicher inszenierte, eine mehr¬
stimmig zu sagende Lyrik. Der Tod des Tizian, die älteste
dieser Szenen, läßt nach dieser Richtung hin durchaus keinen
Zweifel: Die Jünger, die vor dem Hause des sterbenden Meisters
auf der abendlichen Terrasse stehen, über die Stadt schauen, und
aus dieser Situation Gefühle gewinnen, die in schwungvollen
Versen ausströmen — diese Sprecher kommen kaum in den Ver¬
dacht, für personae dramatis zu gelten. Sie leiden nichts und sie
tun nichts irgend wie Unterschiedenes, sie sprechen nur mit ver¬
schiedenen Stimmen an dem einen, durch diese Situation ent¬
flammten Grundgefühl des Dichters. Es sind keine Menschen,
sondern lyrische Figurinen. Nur unwesentlich mehr ist das Spiel
Der Thor und der Tod dem Dramatischen angenähert; hier hat
die Handlung zwar keine symbolische Realität, aber sie ist doch
wenigstens schon als eine allegorische Bedeutsamkeit vorhanden.
Immer aber noch beruht die Wirkung auf der lyrischen Kraft,
mit der der Dichter zu uns spricht, viel mehr, als auf irgend
einem Glauben, den die Gestalten selbst erwecken. Je mehr
nun aber in den Hofmannsthalschen Szenenspielen — und litera¬
rische Lust, das seltsam verworrene Spiel der Welt in einem
Reigen bunter Kostüme wiederzuspiegeln, lockt ihn immer tiefer
die handelnden Menschen hervorgehoben werden und mit dem
Anspruch auf selbständige Beachtung auftreten, je größer wird
die Gefahr für diesen Dichter, der doch eigentlich nur von seiner
staunenden Erfahrung des ungeklärten Weltganzen und nicht von
einem liebenden Erleben des einzelnen Menschen zeugen kann.
Zuweilen, etwa in dem sehr schönen Spiel von dem Abenteurer
und der Sängerin, glückt der Versuch, weil er in dem rastlosen
Weltdurchfahrer und in der ganz im Klang gelösten Sängerin
Figuren findet, die ihrer vorgestellten Art nach auch Sprecher
des Dichters sein können. Wenn er aber in der Hochzeit der
Sobeide einen naiven, ganz jungen, eben erst vom Leid zum Be¬
wußtsein erweckten Menschen zur Hauptfigur machen will, so
—
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tritt das, was die Figur ihrer dramatischen Illusion nach sagen
müßte, zu der tiefsinnig schönen Hofmannsthalschen Lyrik, die
sie tatsächlich sagt, in einen fast grotesken Kontrast. Die Grenze
zwischen dem dramatisch Erforderten und dem, was dem Dichter
Hofmannsthal allein möglich ist, beginnt sich in schmerzlicher
Schärfe zu zeigen.
Diese erste Epoche der schönen, wenn auch in einzelnen
Fällen zu weit ins dramatische Bereich vorgeschobenen Szenen¬
lyrik, endet bei Hofmannsthal in einer großen, seelischen Kata¬
strophe, deren erschütterndes Dokument wir in der Prosadichtung
Ein Brief besitzen. Dieser Brief — ein Lord der elisabetba¬
nischen Zeit erklärt einem Freunde, warum er aufgehört hat zu
dichten — schildert die letzten Konsequenzen jener völlig ana¬
lytischen Weltansicht, in der Hofmannsthal bisher lebte. Diesem
Menschen zerfallen schließlich die Worte auf der Zunge — alle
Begriffe werden ihm sinnlos, weil sie dort eine beharrende Sub¬
stanz simulieren, wo nichts als ein ewig wechselnder Durchzug
von unbekannten Kräften ist; nicht nur die Ideen, nicht nur die
Persönlichkeiten, alle Dinge der Welt werden ihm höchst frag¬
würdig und unwirklich, und alle Möglichkeit zu handeln oder
zu gestalten hört für ihn auf — nur in einigen Augenblicken
mystischer Schau fühlt er sich lebendig, einem übervernünftigen
Sinn der Welt nahe. Dies war logisch der äußerste Punkt, zu
dem die nihilistische Tendenz der Hofmannsthalschen Weltbetrach¬
tung führen konnte. Hier gab es nur zwei Möglichkeiten: auf¬
hören, wirklich und für immer schweigen — oder umkehren, ein
„neues Leben“ beginnen. Hofmannsthal hat dies letztere ver¬
sucht, aber kaum halb vermocht. Im Dramatischen ist diese
Wendung ausgedrückt durch seine Elektra, die ja wieder ganz
und gar lyrischer Ausdruck ist — der Verzweiflungsschrei eines
zu tatlosem Zuschauen verdammten Menschen:
Der ist selig,
der tuen darf! Die Tat ist wie ein Bette,
auf dem die Seele ausruht, wie ein Bett
von Balsam, drauf die Seele ruhen kann,
die eine Wunde ist, ein Brand, ein Eiter
und eine Flamme!
In diesem Szenengedicht zeigt sich die Situation der griechischen
Königstochter, die sich in der Erwartung des Rächers untätig
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