VI, Allgemeine Besprechungen 1, 5, Reik zwei Texte Imago, Seite 6

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1. Panphlets offprints
Theodor Reik
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in *Der Schleier der Beatriceg als Filippo Loschi trotz seiner Bitte
nicht zu ihm kommen will:
„So haben meine Wünsche keine Kraft mehr!
Und gab doch eine Zeit, da kaum gedacht,
Nicht ausgesprochen jeder ward erfüllt.
Nicht Wunder nahm's mich, wär’ Filippo Loschi
Mir auf den Weg begegnet den ich kam
„K
Nein, früher in Neapel oder Rom
In „Frau Berta Garlang stellt die Heldin einen Zusammen¬
hang zwischen der Erkrankung ihrer Freundin und ihren eigenen
Hoffnungen her, die sich auf einen fernen Geliebten beziehen. Und
zwar ist das Wesen dieses Zusammenhanges eine gegenseitige Be¬
einflussung: Wieder war ihr, als würden durch die Erkrankung
Annas ihre eigenen Hoffnungen beeinflußt: wenn Anna gesund wäre,
müßte auch der Brief schon da sein. Sie wußte, daß das ganz un¬
sinnig war, aber sie konnte sich nicht dagegen wehren.& An einer
anderen Stelle: „Ob Anna auch hätte sterben müssen, wenn heute
ein anderer Brief von Emil gekommen wäre. & Höhepunkt und Peri¬
petie des Romans „Der Weg ins Freieg sind solchen Zwangs¬
gedanken und Vorwürfen gewidmet, die eine Allmacht der Gedanken
unzweideutig zur Voraussetzung haben. Georg hat Beziehungen zu
einem jungen Mädchen angeknüpft und dieses ist schwanger geworden.
In den letzten Wochen hat Georg eine kleine Erholungsreise ge¬
macht und kehrt zurück, knapp bevor die Wehen bei Anna ein¬
setzen. Das Kind stirbt sofort nach der Geburt, es ist von der
Nabelsamur erdrosselt worden. An den Tod seines Kindes schließen
sich für Georg Reflexionen, die immer mehr einen unlustbetonten
Charakter annehmen. Das Resultat dieser Gedankenreihen wird in
einem Gespräche offenbar, das Georg mit seinem Freunde Heinrich
Bermann führt. sIch will Sie was fragen Heinrich, aber lachen Sie
mich nicht aus. Halten Sie es für möglich, daß ein ungeborenes Kind
daran sterben kann, daß man es nicht so herbeisehnt, als man es
sollte, an zu wenig Liebe gewissermaßen?g Namentlich im Sommer
während eines Aufenthaltes an einem schönen See hat er des Kindes
und der Mutter vergessen — so vergessen, daß er eine tiefe Leiden¬
schaft für eine andere Frau faßte: 2Es gibt Momenter gesteht er,
oda kann ich mich des Gedankens nicht erwehren, daß zwischen
jenem Vergessen und den Tod meines Kindes irgendein Zusammen¬
hang bestehen müßte. Halten Sie so was für vollkommen aus¬
geschlossen?e
Ein solcher Zusammenhang ist nach unserer psychoanalytischen
Einsicht wohl da, er ist nur kein realer, sondern ein psychischer,
eine Verknüpfung des seelischen Lebens. Bevor wir aber diesen Zu¬
sammenhang des näheren zu erklären versuchen, müssen wir eine
literarische Reminiszenz erledigen, die sich uns hier aufdrängt.
In Ibsens „Baumeister Solnessg ist eine ähnliche Situation.
Auch dort Gewissensbisse des Baumeisters, der das Hinsiechen und