VI, Allgemeine Besprechungen 1, 5, Völker Krieg als Erziehung, Seite 7

—.—
box 36/5
1. Panphlets offprints
260 Dr. Karl Völker, Der Krieg als Erzieher zum deutschen Idealismus.
der Forderungen auf Verbesserung der wirtschaftlichen Lage des Arbeiterstandes
wollen wir hier ganz ausschalten. Weite Kreise des Volkes, oben wie unten,
werden von einem ungestümen Hasten und Jagen nach Geld und Gut erfaßt.
Die Bedeutung dieses wirtschaftlichen Aufschwunges für die Weltstellung des
deutschen Volkes muß unumwunden zugegeben werden; ohne diese Erfolge im
Wirtschaftsleben wäre es in einem Zeitalter, wo alles sich von wirtschaftlichen
Belangen bestimmen läßt, bedeutungslos geworden. Durch den Anteil an der
Weltwirtschaft rückte es aber noch mehr ab von den Idealen des deutschen
Idealismus zu Beginn des Jahrhunderts. Der Übergang der Väter der deutschen
Sozialdemokratie, Marx', Engels' und Lassalles, von Hegel zur materialistischen
Weltanschauung kennzeichnet am besten diesen Wandel. Engels gibt dies un¬
umwunden zu: „Wir deutsche Sozialdemokraten sind stolz darauf, abzustammen
nicht nur von Saint=Simon, Fourier und Owen, sondern auch von Kant, Fichte
und Hegel. Die deutsche Arbeiterbewegung ist die Erbin der deutschen klassischen
Philosophie.“
Die Vertreter des alten Idalismus waren nicht ganz ausgestorben, aber
die Philosophie hatte längst die Führung eingebüßt. Die „Idealisten“ waren
weltfremb geworden; man bemitleidete sie, man machte sich gar über sie lustig:
„Grau, Freund, ist alle Theorie, und grün des Lebens goldner Baum.“ Aber
auch die Wissenschaft hat dem Idealismus den Rücken gekehrt; durch die Er¬
gebnisse der Forschung war dieser bald überholt. Das hängt vor allem zusammen
mit dem ungeheuren Aufschwung der Naturwissenschaften, der sich in dem Ge¬
samtcharakter der Wissenschaft ausprägte. Schellings und Hegels Naturforschung
erwies sich bald als vollständig unzureichend, naiv. Man geht nun von Vor¬
aussetzungen aus, welche die idealistische Betrachtung beiseite schob. Es wird
ein entgegengesetzter Weg eingeschlagen als früher. War es bei den idealistischen
Philosophen eine ausgemachte Sache, daß alles das, was man unter Natur
zusammenfaßt, der Ausfluß des Geistes sei, so schaltete man jetzt diesen als
Prinzip alles Seins vollständig aus und suchte die Dinge aus ihrer stofflichen
Art zu verstehen und zu erklären. Diese Methode ist nicht neu, wurde aber
noch nie mit einer solchen Folgerichtigkeit durchgeführt. Die Ergebnisse waren
überraschend. Man vergegenwärtige sich nur, welchen ungeheuren Aufschwung
die einzelnen Zweige der Naturwissenschaft, wie Chemie, Botanik, Zoologie,
Astronomie, Mechanik, Anatomie, Physiologie, Biologie, Elektrizität u. dgl. m.
in den letzten Jahrzehnten genommen haben. Die Gründlichkeit der deutschen
Forschung hat einen hervorragenden Anteil daran. Welch' ungeheuren Ein¬
fluß diese Forschungsergebnisse auf die verschiedensten Gebiete menschlichen
Schaffens ausgeübt haben, braucht nicht erst im einzelnen ausgeführt zu werden.
Die Naturwissenschaft begnügt sich nicht damit, Einzeldinge zu untersuchen
und ihren gesetzmäßigen Verlauf festzustellen; sie baut eine Weltanschauung
auf nach Prinzipien, die dem Idealismus gerade entgegengesetzt sind. Robert
Mayer und Helmholtz haben durch das Gesetz von der Erhaltung der Energie
die Naturkräfte, Karl Darwin durch die Abstammungslehre die Lebens¬
vorgänge mechanisiert. Man geht nun darauf aus, das gesamte Universum
naturgesetzlich zu erklären, alles Geschehen auf mechanische, beziehungsweise