1 Panphlets, offprints
rt Cysarz.
eruchs=Kaleidoskop oder Schnaps¬
seine Impromptus für Mund= und
und ähnliche Pariser Techniken
Bahr, dem Impresario des Wiener
konau verpflanzt — praktisch im
1890), kritisch vorzüglich in den
g des Naturalismus“ (1891)...
eiben fehlt der viel vergötzte große
stärkste Ausnahme macht Georg
chische Rimbaud, wie eben nur
cher Urwaldmensch und nervöser
auch von Grünewald und einem
zärtlich hingeschmiegt an Wein¬
ld aber auch apokalyptisch auf¬
Dürerischen „Melancholia“, wie
Sjahren gewitterschwül die deutsche
arfe birst früh und jäh nach den
ja auch seine immer noch nächsten
ie Georg Heym und der 1914 ge¬
chönen Tod der Gewalt sterben).
nd Hüter der Tranquillität! Noch
ekadenz — das Wort natürlich
Krankheitsform verstanden —
olks; ihr Boden ist gedüngt vom
er Bartholomäusnacht; und ihre
en Lettern den Giganten=Ductus
cht nur im angedeuteten Wiener
ischen In=sich=Versunkenheit teils
des spanischen Zeremoniells, kann
ssenz und Extrakt alles Daseins
der Ersatz des Lebens — nur
smus so tief in das Innere zu
mmung mit dem Pariser Kolorit
es Vergleichbaren in diesen beiden
unterirdischer das Wienerische ist
kren Reichtum des Pariser Welt¬
ut bewährt noch in der décadence
zeitigt Gestalt und Bewegung,
der Seelen und Dinge — das
rnehmlich die sekundären Eigen¬
bebend als leuchtend und knallend,
arbeitend, gleichsam nur latente
soll letzter Hingabe:
ick (Nietzsches „azurnen Augen¬
ie"), man spricht „Verweile doch,
en, Atemzug für Atemzug, alle
und Skulpturen), man läßt das
Schönheit durch sachteste Finger
box 36/6
41
Alt=Österreichs letzte Dichtung (1890—1914).
gleiten (bei Schnitzler wie bei Hofmannsthal sind es die Leib¬
wörter und Leitmotive: Glück, Schicksal, Abenteuer, Seligkeit)“
und weiß doch zutiefst um Verhängnis und Wandel, ironisch¬
skeptisch taressierend wie das Rokoko, gerade im Entschlüpfen
und Entschwinden den Urgrund der Dinge, den Schoß des
Lebens, den Weltwillen fühlend. Bejahung des Vergehens,
des Zeitpunkts, ist notwendig Verneinung des Werdens, des
Zeitstroms: Einkehr in ein Unendlich=Ruhendes. Und wie alles
Durchschauen des Jetzt nur als Jetzt in die Ewigkeit führt,
so leitet auch die Hingabe an das Spiel nur uis Spiel zu den
„Müttern“ des Seins: „Wir spielen immer; wer es weiß, ist
klug“ (Schnitzler). Eben dadurch, daß die Sinnlichkeit nur als
Abglanz und die Erscheinung nur als Schein gewertet wird,
weist alle Wirklichkeit über sich selbst hinaus. Noch die Ent¬
larvung alles Irdischen als eines Maskenspiels gebiert einen
gewissen höheren, sozusagen perspektivischen Wahrheitsbegriff.
So wird die melancholisch umlächelte Körper= und Bilderwelt
zum Spiegel des Jenseits: zwischen Geist und Leib entspinnt
sich eine rätselreiche Transparenz, zwischen Tod und Leben
eine geheimnisvolle Responsion. Und dies ist in weitestem Sinn
auch barock! Was für breite Teile der norddeutschen Literatur
die Antithese Idee und Erfahrung, Geist und Natur, Denken
und Wirklichkeit bedeutet, das Nämliche ist für dieses Stück
süddeutscher die Antithese von Leben und Totsein (es ist
die elementare Barock=Antithese, wie jene die fundamentalen
Renaissance=Antithesen bleiben). .. In der österreichischen Dich¬
tung um 1900 freilich erscheint dieses barocke Gegen= und In¬
einander schon sordiniert und filtriert, nicht etwa in der schwülen
Theatralik der Bernini oder auch nur Tiepolo (die hier mit den
ekstatischen Analogien von, letzten Endes, Coitus und Exitus zu
schalten lieben), nicht einmal in Gestalt der Sensual= und Sexual¬
metaphysik Richard Wagners, dessen Musik oft desto erotischer
wird, je kosmischer sie sich gibt — gewiß, die Wiener Dichtung
hat auch an Motiven Wagners Anteil (an Wagners Kräfte¬
spiel des Liebestods, Wagners Zwielicht von Zeugung und Tod,
Wagners Gleichung von Wollust und Weltall=Erlebnis): ge¬
rade von 1897 bis 1907 bereitet ja Gustav Mahler als Leiter
der Wiener Oper dem Kunstwerk Wagners die glorreichste Ur¬
stend — auch Weiningers Schicksalsbuch „Geschlecht und Cha¬
rakter“ ist ebenso üppigste Blüte wie gläubigste Ueberwindung
des typischen Wagnerisierenden Weltbilds — und „Eros¬
Thanatos“ durchläuft so neuromantisch=grelle wie impressio¬
nistisch=zarte Metamorphosen. Die edelsten Früchte aber halten
es hinsichtlich der Leben=Sterben=Homousia eher mit Mozarts
geradezu metaphysischer Keuschheit als mit Wagners oft
schlechterdings metaphysischer Geilheit (es ist vielleicht das
Größte schon in Mozarts Kunst, daß sie in alle Berninesken
und Wagnerischen und manchmal Chopinischen Abgründe blickt
rt Cysarz.
eruchs=Kaleidoskop oder Schnaps¬
seine Impromptus für Mund= und
und ähnliche Pariser Techniken
Bahr, dem Impresario des Wiener
konau verpflanzt — praktisch im
1890), kritisch vorzüglich in den
g des Naturalismus“ (1891)...
eiben fehlt der viel vergötzte große
stärkste Ausnahme macht Georg
chische Rimbaud, wie eben nur
cher Urwaldmensch und nervöser
auch von Grünewald und einem
zärtlich hingeschmiegt an Wein¬
ld aber auch apokalyptisch auf¬
Dürerischen „Melancholia“, wie
Sjahren gewitterschwül die deutsche
arfe birst früh und jäh nach den
ja auch seine immer noch nächsten
ie Georg Heym und der 1914 ge¬
chönen Tod der Gewalt sterben).
nd Hüter der Tranquillität! Noch
ekadenz — das Wort natürlich
Krankheitsform verstanden —
olks; ihr Boden ist gedüngt vom
er Bartholomäusnacht; und ihre
en Lettern den Giganten=Ductus
cht nur im angedeuteten Wiener
ischen In=sich=Versunkenheit teils
des spanischen Zeremoniells, kann
ssenz und Extrakt alles Daseins
der Ersatz des Lebens — nur
smus so tief in das Innere zu
mmung mit dem Pariser Kolorit
es Vergleichbaren in diesen beiden
unterirdischer das Wienerische ist
kren Reichtum des Pariser Welt¬
ut bewährt noch in der décadence
zeitigt Gestalt und Bewegung,
der Seelen und Dinge — das
rnehmlich die sekundären Eigen¬
bebend als leuchtend und knallend,
arbeitend, gleichsam nur latente
soll letzter Hingabe:
ick (Nietzsches „azurnen Augen¬
ie"), man spricht „Verweile doch,
en, Atemzug für Atemzug, alle
und Skulpturen), man läßt das
Schönheit durch sachteste Finger
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Alt=Österreichs letzte Dichtung (1890—1914).
gleiten (bei Schnitzler wie bei Hofmannsthal sind es die Leib¬
wörter und Leitmotive: Glück, Schicksal, Abenteuer, Seligkeit)“
und weiß doch zutiefst um Verhängnis und Wandel, ironisch¬
skeptisch taressierend wie das Rokoko, gerade im Entschlüpfen
und Entschwinden den Urgrund der Dinge, den Schoß des
Lebens, den Weltwillen fühlend. Bejahung des Vergehens,
des Zeitpunkts, ist notwendig Verneinung des Werdens, des
Zeitstroms: Einkehr in ein Unendlich=Ruhendes. Und wie alles
Durchschauen des Jetzt nur als Jetzt in die Ewigkeit führt,
so leitet auch die Hingabe an das Spiel nur uis Spiel zu den
„Müttern“ des Seins: „Wir spielen immer; wer es weiß, ist
klug“ (Schnitzler). Eben dadurch, daß die Sinnlichkeit nur als
Abglanz und die Erscheinung nur als Schein gewertet wird,
weist alle Wirklichkeit über sich selbst hinaus. Noch die Ent¬
larvung alles Irdischen als eines Maskenspiels gebiert einen
gewissen höheren, sozusagen perspektivischen Wahrheitsbegriff.
So wird die melancholisch umlächelte Körper= und Bilderwelt
zum Spiegel des Jenseits: zwischen Geist und Leib entspinnt
sich eine rätselreiche Transparenz, zwischen Tod und Leben
eine geheimnisvolle Responsion. Und dies ist in weitestem Sinn
auch barock! Was für breite Teile der norddeutschen Literatur
die Antithese Idee und Erfahrung, Geist und Natur, Denken
und Wirklichkeit bedeutet, das Nämliche ist für dieses Stück
süddeutscher die Antithese von Leben und Totsein (es ist
die elementare Barock=Antithese, wie jene die fundamentalen
Renaissance=Antithesen bleiben). .. In der österreichischen Dich¬
tung um 1900 freilich erscheint dieses barocke Gegen= und In¬
einander schon sordiniert und filtriert, nicht etwa in der schwülen
Theatralik der Bernini oder auch nur Tiepolo (die hier mit den
ekstatischen Analogien von, letzten Endes, Coitus und Exitus zu
schalten lieben), nicht einmal in Gestalt der Sensual= und Sexual¬
metaphysik Richard Wagners, dessen Musik oft desto erotischer
wird, je kosmischer sie sich gibt — gewiß, die Wiener Dichtung
hat auch an Motiven Wagners Anteil (an Wagners Kräfte¬
spiel des Liebestods, Wagners Zwielicht von Zeugung und Tod,
Wagners Gleichung von Wollust und Weltall=Erlebnis): ge¬
rade von 1897 bis 1907 bereitet ja Gustav Mahler als Leiter
der Wiener Oper dem Kunstwerk Wagners die glorreichste Ur¬
stend — auch Weiningers Schicksalsbuch „Geschlecht und Cha¬
rakter“ ist ebenso üppigste Blüte wie gläubigste Ueberwindung
des typischen Wagnerisierenden Weltbilds — und „Eros¬
Thanatos“ durchläuft so neuromantisch=grelle wie impressio¬
nistisch=zarte Metamorphosen. Die edelsten Früchte aber halten
es hinsichtlich der Leben=Sterben=Homousia eher mit Mozarts
geradezu metaphysischer Keuschheit als mit Wagners oft
schlechterdings metaphysischer Geilheit (es ist vielleicht das
Größte schon in Mozarts Kunst, daß sie in alle Berninesken
und Wagnerischen und manchmal Chopinischen Abgründe blickt