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1. Pamphlets, offprints box 36/6
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Herbert Cysarz.
wie es der Aufsatz „Dichter und Leben' fast Nietzschisch,
jung=Nietzschisch umschreibt (der Symbolismus hält es eben
mit dem jüngsten Nietzsche, wo der Naturalismus vorzüglich dem
spätesten folgt): „Das Wissen um die Darstellbarkeit tröstet
gegen die Ueberwältigung durch das Leben; das Wissen um
das Leben tröstet über die Schattenhaftigkeit der Darstellung.
So sind sie miteinander verbunden; dies wird eine schwache
Begabung herabziehen, eine starke emportreiben“. Nie aber
entschlägt sich noch Hofmannsthals klassizistischer Mittag der
schweifenden Fernblicke und der wogenden Allgefühle: der
Grundschwingung, die — sie allein darf hier in Rede stehen
in seiner frühesten Lyrik und Lyrodramatik am klarsten zu¬
tag liegt: In jedem Halm begegnen sich Einzel= und
Weltseele; der Atem des Sklaven bewegt auch das Herz
des Tyrannen; der frönende Heizer im feurigen Schiffs¬
bauch hat teil am Gelächter des Knaben hoch oben auf
dem Promenadedeck: „Doch ein Schatten fällt von jenen
Leben In die anderen Leben hinüber, Und die leichten sind an
die schweren Wie an Luft und Erde gebunden." Eine durch
und durch anti=revolutionäre und anti=aktive Haltung, geradezu
eine Stabilisierung der Welt, Vergangenheit und Zukunft gar
nicht unterscheidend, jedes Verhältnis zwischen Ich und Du
auflösend in die zeitlose Beziehung zwischen Ich und All, die
Phantasie jedes Willens=Auftriebs entkleidend bis in das
Traumhafte: „Und drei sind Eins: ein Mensch, ein Ding, ein
Traum.“ Aus solchem Teig bildet Hofmannsthal Schöpfungen
ebenso voll des geheimnisreichsten Flutens wie von mikro¬
kosmischer Organisiertheit (dieser mindestens in den Gesichten,
wenn auch immer seltener in den Gestalten), bei oft barock
metaphysischer Responsion der Motive, eben durch Fernung
des Erlebnisses von unerahnten Hintergründen Besitz ergreifend.
Hier ist der vorweg nach Musik verlangende, musik=geborene
und musik=gebärende Ozean, dem dann — anscheinend oft nur
lose angeschwemmt, in Wahrheit oft voll Qual emporgewühlt —
bald selige Inseln, bald finstere Riffe entsteigen: Auch Hof¬
mannsthals Grundspannung ist die dionysisch=apollinische
Polarität der „Geburt der Tragödie, nur eben in barocken
Seelenstoff und Geistesraum übersetzt — solche Doppelheit aber
(vielfach verleibt schon durch das Widerspiel von orientalischen.
und antik=mediterranen Motiven) wird in den größten Augen¬
blicken seiner Kunst, so in der „Frau ohne Schatten'=Novelle,
zu vollendeter Kontrepunktik geläutert..
Trägt jener All= und Allebens=Sinn Hofmannsthals viele
in weiterer Hinsicht romantische (neuromantische) Male, so speist
die Reiz=Psyche der Wiener Dichtung die impressionistische
Manier. Der Herr dieser Insel ist freilich kein Dichter, sondern
der Musiker Richard Strauß (der allerdings noch manches
andere ist: etwa der Schöpfer der „Elektra“ und des „Rosen¬
Alt=österreichs letzte Dich
kavaliers“ und der „Frau ohne Sch
rgt einen noch wei
in die Musi
mag er als Musiker von vornherein
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Herbert Cysarz.
wie es der Aufsatz „Dichter und Leben' fast Nietzschisch,
jung=Nietzschisch umschreibt (der Symbolismus hält es eben
mit dem jüngsten Nietzsche, wo der Naturalismus vorzüglich dem
spätesten folgt): „Das Wissen um die Darstellbarkeit tröstet
gegen die Ueberwältigung durch das Leben; das Wissen um
das Leben tröstet über die Schattenhaftigkeit der Darstellung.
So sind sie miteinander verbunden; dies wird eine schwache
Begabung herabziehen, eine starke emportreiben“. Nie aber
entschlägt sich noch Hofmannsthals klassizistischer Mittag der
schweifenden Fernblicke und der wogenden Allgefühle: der
Grundschwingung, die — sie allein darf hier in Rede stehen
in seiner frühesten Lyrik und Lyrodramatik am klarsten zu¬
tag liegt: In jedem Halm begegnen sich Einzel= und
Weltseele; der Atem des Sklaven bewegt auch das Herz
des Tyrannen; der frönende Heizer im feurigen Schiffs¬
bauch hat teil am Gelächter des Knaben hoch oben auf
dem Promenadedeck: „Doch ein Schatten fällt von jenen
Leben In die anderen Leben hinüber, Und die leichten sind an
die schweren Wie an Luft und Erde gebunden." Eine durch
und durch anti=revolutionäre und anti=aktive Haltung, geradezu
eine Stabilisierung der Welt, Vergangenheit und Zukunft gar
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auflösend in die zeitlose Beziehung zwischen Ich und All, die
Phantasie jedes Willens=Auftriebs entkleidend bis in das
Traumhafte: „Und drei sind Eins: ein Mensch, ein Ding, ein
Traum.“ Aus solchem Teig bildet Hofmannsthal Schöpfungen
ebenso voll des geheimnisreichsten Flutens wie von mikro¬
kosmischer Organisiertheit (dieser mindestens in den Gesichten,
wenn auch immer seltener in den Gestalten), bei oft barock
metaphysischer Responsion der Motive, eben durch Fernung
des Erlebnisses von unerahnten Hintergründen Besitz ergreifend.
Hier ist der vorweg nach Musik verlangende, musik=geborene
und musik=gebärende Ozean, dem dann — anscheinend oft nur
lose angeschwemmt, in Wahrheit oft voll Qual emporgewühlt —
bald selige Inseln, bald finstere Riffe entsteigen: Auch Hof¬
mannsthals Grundspannung ist die dionysisch=apollinische
Polarität der „Geburt der Tragödie, nur eben in barocken
Seelenstoff und Geistesraum übersetzt — solche Doppelheit aber
(vielfach verleibt schon durch das Widerspiel von orientalischen.
und antik=mediterranen Motiven) wird in den größten Augen¬
blicken seiner Kunst, so in der „Frau ohne Schatten'=Novelle,
zu vollendeter Kontrepunktik geläutert..
Trägt jener All= und Allebens=Sinn Hofmannsthals viele
in weiterer Hinsicht romantische (neuromantische) Male, so speist
die Reiz=Psyche der Wiener Dichtung die impressionistische
Manier. Der Herr dieser Insel ist freilich kein Dichter, sondern
der Musiker Richard Strauß (der allerdings noch manches
andere ist: etwa der Schöpfer der „Elektra“ und des „Rosen¬
Alt=österreichs letzte Dich
kavaliers“ und der „Frau ohne Sch
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mag er als Musiker von vornherein
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