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1ets Offprints
Herbert Cysarz.
Dichter und Leben“ fast Nietzschisch,
eibt (der Symbolismus hält es eben
e, wo der Naturalismus vorzüglich dem
Wissen um die Darstellbarkeit tröstet
ng durch das Leben; das Wissen um
die Schattenhaftigkeit der Darstellung.
rverbunden; dies wird eine schwache
eine starke emportreiben“. Nie aber
mannsthals klassizistischer Mittag der
und der wogenden Allgefühle: der
sie allein darf hier in Rede stehen
hyrik und Lyrodramatik am klarsten zu¬
Halm begegnen sich Einzel= und
des Sklaven bewegt auch das Herz
nende Heizer im feurigen Schiffs¬
klächter des Knaben hoch oben auf
Doch ein Schatten fällt von jenen
eben hinüber, Und die leichten sind an
kuft und Erde gebunden.“ Eine durch
märe und anti=aktive Haltung, geradezu
Welt, Vergangenheit und Zukunft gar
es Verhältnis zwischen Ich und Du
Beziehung zwischen Ich und All, die
s=Auftriebs entkleidend bis in das
sind Eins: ein Mensch, ein Ding, ein
Teig bildet Hofmannsthal Schöpfungen
nisreichsten Flutens wie von mikro¬
(dieser mindestens in den Gesichten,
ner in den Gestalten), bei oft barock¬
dn der Motive, eben durch Fernung
ahnten Hintergründen Besitz ergreifend.
ich Musik verlangende, musik=geborene
ean, dem dann — anscheinend oft nur
ahrheit oft voll Qual emporgewühlt —.
finstere Riffe entsteigen: Auch Hof¬
nung ist die dionysisch=apollinische
der Tragödie", nur eben in barocken
um übersetzt — solche Doppelheit aber
urch das Widerspiel von orientalischen
Motiven) wird in den größten Augen¬
in der „Frau ohne Schatten'=Novelle,
nktik geläutert.
Allebens=Sinn Hofmannsthals viele
ntische (neuromantische) Male, so speist
Biener Dichtung die impressionistische
Insel ist freilich kein Dichter, sondern
Strauß (der allerdings noch manches
höpfer der „Elektra“ und des „Rosen¬
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Alt=Österreichs letzte Dichtung (1890—1911).
kavaliers“ und der „Frau ohne Schatten') — und dieser Sprung
in die Musik birgt einen noch weiteren Sprung: Auch Strauß,
mag er als Musiker von vornherein zum Zeugen der dionysischen
Abgründe und der barocken Hintergründe des Impressionismus
berufen sein, wird zum Meister des Impressionismus gerade als
der malerischste Musiker: eine spezisische Energie der Straußschen
Musik (nicht durchgehends die wichtigste und mächtigste) ist die
illustrative — mag er nun Eulenspiegel=Streiche man muß eben
sagen illustrieren, oder den „Bourgeois gentilhomme“ geplustert
hereinstapfen lassen, oder ein Bilderbuch des Familienlebens
durchblättern, oder ein (pittoreskes nicht heroisches) Gemäld
der Alpen entrollen, oder Schlittenfahren und Skatdreschen,
Bauchschmerz und Süßigkeiten orchestrieren. Wie in der Neu¬
romantik, dieser Tochter Wagners und Nietzsches, auch vieles
Dichterische aus dem Geist der Musik geboren ist und wie der
Expressionismus in weitem Maß plastisch befruchtet bleibt
(Schlagwörter wie „Kubismus“ sickern auch in die Literatur,
expressionistisches Theater ist oft nur aus stulpturellen Ana¬
logien verstehbar, und selbst die Raum= und Kanten=Malerei
Fernand
vor allen Pablo Picassos und seiner Jünger
ringt wesent¬
Léger, Georges Braques, Lyonel Feininger
lich mit Vorwürfen des Bildhauers), umgekehrt sind im Im¬
pressionismus sämtliche Künste beim Maler zu Gast: Die
Dichtung nutzt Flournoys „audition colorée“ (in Nachfolge
auch des Rimbaudschen Sonetts, das jedem Selbstlaut eine
C
Farbe zuordnet); schon Débussy hat den „Jardin à la pluie“
oder die Meerbilder in „Pelléas et Mélisande“ musikalisch
„illustriert“ und selbst Rodin sucht noch den Widerschein der
Körper=Oberfläche in den Stein zu hauen... Auch in der
Dichtung nährt die nämliche Affinität den Hang zum Genre,
zum Stilleben, zum szenischen Moment=Bild — etwa bei Peter
Altenberg, vorerst dem lyrischen Reporter Wiener Nachtbetriebs,
doch auch dem virtuosen Pointillisten der Sekunden=Skizze,
dem Stenographen dessen Novellette mit sparsamsten Mitteln
ein mächtiges Stück der commedia umana entschleiert: etwa die
argwohn=hoffart=neid=geladene Luft einer Soirée, oder die
mürrisch=verdrossene Geschäftigkeit in einer Sommerfrische, oder
die trostlose Begossenheit eines Juli=Abends in der verlassenen
Großstadt — solch leise Miniaturen Altenbergs haben das Aug
manchmal fast Wedekinds und den Griffel fast Maupassants —
dazu, bei vieler Spren und manchem Schmutz, noch einen Schuß
echter Quartier-latin-Atmosphäre. Und all dies strahlt be¬
fruchtend in hundert Richtungen aus: Altenberg=Sichten birgt
noch Werfels „Weltfreund“ Altenberg=Nerven schwingen selbst
in Georg Trakl, Altenberg=Ornamentik ist auch ein Pedal der
kritischen Kunst Alfred Polgars (deren lyrisch=satirische Zutaten
wertvoller sind als der dramaturgische Kern). Altenberg¬
Spuren färben ein verwandtes Kapitelchen Großstadt=Ver¬
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Herbert Cysarz.
Dichter und Leben“ fast Nietzschisch,
eibt (der Symbolismus hält es eben
e, wo der Naturalismus vorzüglich dem
Wissen um die Darstellbarkeit tröstet
ng durch das Leben; das Wissen um
die Schattenhaftigkeit der Darstellung.
rverbunden; dies wird eine schwache
eine starke emportreiben“. Nie aber
mannsthals klassizistischer Mittag der
und der wogenden Allgefühle: der
sie allein darf hier in Rede stehen
hyrik und Lyrodramatik am klarsten zu¬
Halm begegnen sich Einzel= und
des Sklaven bewegt auch das Herz
nende Heizer im feurigen Schiffs¬
klächter des Knaben hoch oben auf
Doch ein Schatten fällt von jenen
eben hinüber, Und die leichten sind an
kuft und Erde gebunden.“ Eine durch
märe und anti=aktive Haltung, geradezu
Welt, Vergangenheit und Zukunft gar
es Verhältnis zwischen Ich und Du
Beziehung zwischen Ich und All, die
s=Auftriebs entkleidend bis in das
sind Eins: ein Mensch, ein Ding, ein
Teig bildet Hofmannsthal Schöpfungen
nisreichsten Flutens wie von mikro¬
(dieser mindestens in den Gesichten,
ner in den Gestalten), bei oft barock¬
dn der Motive, eben durch Fernung
ahnten Hintergründen Besitz ergreifend.
ich Musik verlangende, musik=geborene
ean, dem dann — anscheinend oft nur
ahrheit oft voll Qual emporgewühlt —.
finstere Riffe entsteigen: Auch Hof¬
nung ist die dionysisch=apollinische
der Tragödie", nur eben in barocken
um übersetzt — solche Doppelheit aber
urch das Widerspiel von orientalischen
Motiven) wird in den größten Augen¬
in der „Frau ohne Schatten'=Novelle,
nktik geläutert.
Allebens=Sinn Hofmannsthals viele
ntische (neuromantische) Male, so speist
Biener Dichtung die impressionistische
Insel ist freilich kein Dichter, sondern
Strauß (der allerdings noch manches
höpfer der „Elektra“ und des „Rosen¬
—
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Alt=Österreichs letzte Dichtung (1890—1911).
kavaliers“ und der „Frau ohne Schatten') — und dieser Sprung
in die Musik birgt einen noch weiteren Sprung: Auch Strauß,
mag er als Musiker von vornherein zum Zeugen der dionysischen
Abgründe und der barocken Hintergründe des Impressionismus
berufen sein, wird zum Meister des Impressionismus gerade als
der malerischste Musiker: eine spezisische Energie der Straußschen
Musik (nicht durchgehends die wichtigste und mächtigste) ist die
illustrative — mag er nun Eulenspiegel=Streiche man muß eben
sagen illustrieren, oder den „Bourgeois gentilhomme“ geplustert
hereinstapfen lassen, oder ein Bilderbuch des Familienlebens
durchblättern, oder ein (pittoreskes nicht heroisches) Gemäld
der Alpen entrollen, oder Schlittenfahren und Skatdreschen,
Bauchschmerz und Süßigkeiten orchestrieren. Wie in der Neu¬
romantik, dieser Tochter Wagners und Nietzsches, auch vieles
Dichterische aus dem Geist der Musik geboren ist und wie der
Expressionismus in weitem Maß plastisch befruchtet bleibt
(Schlagwörter wie „Kubismus“ sickern auch in die Literatur,
expressionistisches Theater ist oft nur aus stulpturellen Ana¬
logien verstehbar, und selbst die Raum= und Kanten=Malerei
Fernand
vor allen Pablo Picassos und seiner Jünger
ringt wesent¬
Léger, Georges Braques, Lyonel Feininger
lich mit Vorwürfen des Bildhauers), umgekehrt sind im Im¬
pressionismus sämtliche Künste beim Maler zu Gast: Die
Dichtung nutzt Flournoys „audition colorée“ (in Nachfolge
auch des Rimbaudschen Sonetts, das jedem Selbstlaut eine
C
Farbe zuordnet); schon Débussy hat den „Jardin à la pluie“
oder die Meerbilder in „Pelléas et Mélisande“ musikalisch
„illustriert“ und selbst Rodin sucht noch den Widerschein der
Körper=Oberfläche in den Stein zu hauen... Auch in der
Dichtung nährt die nämliche Affinität den Hang zum Genre,
zum Stilleben, zum szenischen Moment=Bild — etwa bei Peter
Altenberg, vorerst dem lyrischen Reporter Wiener Nachtbetriebs,
doch auch dem virtuosen Pointillisten der Sekunden=Skizze,
dem Stenographen dessen Novellette mit sparsamsten Mitteln
ein mächtiges Stück der commedia umana entschleiert: etwa die
argwohn=hoffart=neid=geladene Luft einer Soirée, oder die
mürrisch=verdrossene Geschäftigkeit in einer Sommerfrische, oder
die trostlose Begossenheit eines Juli=Abends in der verlassenen
Großstadt — solch leise Miniaturen Altenbergs haben das Aug
manchmal fast Wedekinds und den Griffel fast Maupassants —
dazu, bei vieler Spren und manchem Schmutz, noch einen Schuß
echter Quartier-latin-Atmosphäre. Und all dies strahlt be¬
fruchtend in hundert Richtungen aus: Altenberg=Sichten birgt
noch Werfels „Weltfreund“ Altenberg=Nerven schwingen selbst
in Georg Trakl, Altenberg=Ornamentik ist auch ein Pedal der
kritischen Kunst Alfred Polgars (deren lyrisch=satirische Zutaten
wertvoller sind als der dramaturgische Kern). Altenberg¬
Spuren färben ein verwandtes Kapitelchen Großstadt=Ver¬
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