VI, Allgemeine Besprechungen 1, 6, Josef Körner Gestalten und Probleme, Seite 7

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1. Panphletsoffbrints
Fosef Körner: Arthur Schnitzlers Gestalten und Probleme
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Mädel“, ein Genügen —, und wie er
bricht. In diesem Augenblicke höchsten
seinen beiden Freunden, dem „traurigen“.
Wirrwarrs, „tritt ein Mann auf, in einen
und dem „heiteren“ sein Schicksal klagt,
blauen Mantel gehüllt, langes blasses
stellt sich heraus, daß diese, einer ohne
Gesicht, schwarze Lockenhaare. Er trägt
Wissen des anderen, die Liebe der Her¬
ein langes bloßes Schwert in der Hand.
zogin genossen haben. Wie sich aber der
Er schreitet bis zu den Stufen hin und
Held zum Duell, und das heißt diesmal
trennt mit einem Hieb alle Drähte.“ Die
zum sicheren Tode, bereitet, kommt die
Marionetten, die, des Dichters ungefragt,
Herzogin und bietet sich ihm an. „Der
bereits selbständig im Raume zu walten
Herzog erschießt Sie morgen, Sie sollen
gewagt hatten, stürzen zu Boden. „Wer
wenigstens wissen, warum.“ Doch plötz¬
bist du?“ — fragt der Dichter seinen
lich naht ihr Gemahl und rasch flüchtet
Nächer; „wie neun ich dich?“ Und es
sie ins Schlafzimmer. Aber nicht um zu
antwortet
rächen kommt der Herzog, sondern um
Der Unbekannte.
dem Helden, von dessen Schuldlosigkeit
er sich überzeugt hat, sein Unrecht abzu¬
Du fragst zu viel. Was ich bedeuten mag —
bitten. Da tritt Liesl ein und es wird
Ich weiß es nicht. —
offenbar, daß sie, trotz ihrer Liebe zum
Dies Schwert hier aber macht es offenbar,
Wer eine Puppe, wer ein Mensch nur war.
Helden, dem Herzog angehört hat. Nun
Auch unsichtbaren Draht trennt diese
fordert der Held seinerseits den Verführer
Schneide
seines Mädels heraus, der aber schlägt sich
wohl für eine Herzogin, doch nicht für ein
Zu manches stolzen Puppenspielers Leide!
Mädel. Da denkt der Held an andere
(Er fährt mit dem Schwert über die ganze
Bühne; alle Lichter verlöschen und alle Menschen
Nache; — die Herzogin ist ja in seinem
außer ihm selbst sinken zusammen.)
Schlafzimmer. Sie will jedoch nichts mehr
Auch ihr?
von ihm wissen. Sie „liebte nur einen,
(Da der Dichter sinkt.)
der morgen fällt". Sobald der Nimbus
des Totgeweihten seine Stirne nicht mehr
Auch du? — Mir graut vor meiner Macht!
umstrahlt, ist er ihr in die Alltäglichkeit
Und indem er ganz nach vorne tritt,
zurückgesunken und reizt ihr Begehren nicht
redet er die Zuschauer — nicht mehr die
mehr. Nun wendet sich der Held wieder
des Puppenspieles, die der Schnitzlerschen
seiner Liesl zu: er fordert die Ungetreue
Dichtung sind gemeint — mit den Worten
auf, mit ihm zu sterben,
an, die das Stück enden:
Um also an des Geliebten Seiten
Ja, wenn mein Schwert in loserm Arme
Entfühnt in den Weltenraum zu gleiten.
hinge,
Weiß ich, wie's manchen, die in Leid und
Und wie das Mädel dergleichen sehr
Lüsten
energisch ablehnt, jagt er sie angeekelt von
Höchst fragevoller Wirklichkeit sich brüsten,
sich Ader da steht auch schon ihr geduldiger
Wie's zum Exempel euch da unten ginge?
Jugendfreund und Bräutigam vor ihr,
bereit, alles zu verzeihen und sie zu hei¬
Was die rätselhafte Gestalt des „Un¬
raten. Der Held aber, „betrogen allseits
bekannten“, was seine dunklere Rolle be¬
und allein“, ruft den Tod auf:
deuten mag, soll uns noch späterhin be¬
Nicht lebenswürdig scheint mir dieses Leben,
schäftigen. Sehen wir zuvor nach dem
Zur ew'gen Ruhe will ich mich begeben.
Inhalt des eigentlichen Marionettenspieles,
Mosaikartig — und man merkt die
das der Dichter in diesen burlesken
Ritzen zwischen den einzelnen Steinchen
Nahmen hineingestellt hat.
— ist die Handlung aus Schnitzlers Haupt¬
Der Herzog von Lawin hat den, Hel¬
und Lieblingsmotiven zusammengesetzt und
den dieses Stückes“ (er führt keinen an¬
sie wird ausschließlich von den typischen
deren Namen) zum Zweikampf heraus¬
Figuren bestritten, wie sie durch alle Werke
gefordert als den vermeintlichen Lieb¬
des Dichters, vom „Anatol“ bis zum
haber seiner dämonischen, mannstollen
„Doktor Gräsler“ hindurchgehen. So gut
Herzogin; der ist jedoch ganz unschuldig
er findet an Liesl, seinen, „süßen, wie in dem Marionettenstücklein könnte