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1. Panphlets Offorints
Josef Körner: Arthur Schnitzlers Gestalten und Probleme
1004
beginnt, und nun der Näsoneur ihn an¬
Freunde ab. Steht in diesen Werken das
fährt:
Freundespaar im Zentrum der Handlung
und des Interesses, so bleibt es ander¬
Zetzt aber frag ich Sie aufs Gewissen,
wärts völlig an der Peripherie: da hat
Ob das nicht ich hätte sagen müssen.
etwa Karl Etzelt, der Freund des jungen
1Doch gelassen erwidert jener:
Medardus, bloß die technische Bedeutung
Zuweilen dürfen auch Helden schwätzen.
des „Vertrauten" und Albertus Rohn
(„Zwischenspiel“) ist nichts anderes als der
Hier schlägt der Dichter die Geißel tief
„Näsoneur“ des Stückes.
ins eigene Fleisch, denn seine Haupt¬
Denn dieses allbereits etwas muffige
personen pfuschen gar oft mit ihrer Klug¬
Requisit hat sich Schnitzler (wie so manches
rede dem angestellten Rasoneur ins Hand¬
andere) aus dem wohlgezimmerten fran¬
werk; im „Einsamen Weg“ nimmt so Herr
zösischen Sittenstück der Dumas und Kon¬
von Sala dem Doktor Reumann den
sorten angeeignet, um einer tendenziösen
besten Wind aus den Segeln und im
Veranlagung ein Sprechorgan zu schaffen.
gleichen Verhältnis stehen die Bruder¬
Darum erscheint denn auch im Puppen¬
gestalten des „Weiten Landes“, Herr von
Aigner und Doktor Mauer.
spiel „eine Figur von überlegenem Ver¬
stand und schwarzem Vollbart, Näsoneur
Im Grunde dienen die Typen des
betitelt“. Er spricht:
Freundes und die ihm nahverwandten oder
persönlich unierten des Näsoneurs und
Ich bin der Näsoneur des Stücks,
des Vertrauten nur zur Füllung des
Red' entweder geistreich oder nix.
Raumes. Sie sollen eine Mannigfaltigkeit
Mit behaglicher Selbstironie setzt der
vortäuschen, die der naturwissenschaftliche
Dichter die nachdenkliche Regiebemerkung
Dichter als seiner Problembehandlung
hinzu: Der Näsoneur tritt im Verlaufe
hinderlich eben dach fortgeräumt hat, denn
der weiteren Handlung nur gelegentlich
er empfindet diese erkältende Leere selber
nach vorwärts, wenn er etwas zu reden
als unkünstlerisch; sie sind die reine Staf¬
hat. Im übrigen bleibt er von den Vor¬
fage, mitunter bloß zur Unterhaltung des
gän zen vollkommen unberührt. Er küm¬
„Publikums“ ersonnen und oft auf eine
einzige komische Gebärde oder Redensart
mert sich um niemanden, und die an¬
dern kümmern sich nicht um ihn“. Tat¬
Theaterfiguren, nicht mehr
gestellt, —
sächlich sind Schnitzlers Näsoneure meist
Menschen; während bei Gerhart Haupt¬
ganz unorganisch in die Handlung seiner
mann oder Ibsen auch die letzte Episoden¬
Dramen und Geschichten hineingestellt,
figur lebt, d. h. vom Dichter mit Hinter¬
bleiben von ihr meist völlig unbetroffen
grund umgeben und in eine besondere
und ihre einzige Betätigung ist die, ein
Atmosphäre eingehüllt wird. Schnitzler
paar geistvolle oder boshafte Bemerkungen
aber behandelt seine Nebenspieler gleichsam
als Masse und es zeigt von besonderer
in den Dialog einzuwerfen; noch im
„Professor Bernhardi“ ist der Hofrat Wink¬
Selbsterkenntnis, wenn er sie innerhalb
ler zu keinem anderen Zwecke erschaffen,
des Puppenspiels als Chor auftreten und
in dem Einakter „Große Szene“ besorgt
unisono sprechen läßt:
Doktor Falk dieses Geschäft. Mitunker
Wir spielen die Episoden,
zeichnet der Dichter seine Näsoneure nicht
Es tritt keiner hervor...
ohne überlegene Ironie, wie etwa jenen
Da sind die Frauen, die, so regelmäßig
Anastasius Treuenhof („Der tote Gabriel“),
wie die Freunde, allemal neben dem
„den Versteher aller irdischen und gött¬
Helden stehen, schon sorgfältiger ausge¬
aber etwas Näsonie¬
lichen Dinge", —
meißelt, bedarf ihrer doch auch der Dichter
rendes ist überall zu finden, mit der
dringender zur Entwisklung seiner Pro¬
einzigen Ausnahme des „Leutnant Gustl“,
bleme. Immerhin bleibt es seltsam, daß
dessen unvergleichliches Selbstgespräch der
unter den vielen typischen Gestalten
Dichter mit keinerlei störender Einrede
Schnitzlers gerade die der „Geliebten“
unterbricht.
als ein besonderes Kennzeichen seiner
Allerliebst ist es, wenn im Puppenspiel
der Held selber in Sentenzen zu reden Muse und er selbst lange Zeit schlechthin als
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1. Panphlets Offorints
Josef Körner: Arthur Schnitzlers Gestalten und Probleme
1004
beginnt, und nun der Näsoneur ihn an¬
Freunde ab. Steht in diesen Werken das
fährt:
Freundespaar im Zentrum der Handlung
und des Interesses, so bleibt es ander¬
Zetzt aber frag ich Sie aufs Gewissen,
wärts völlig an der Peripherie: da hat
Ob das nicht ich hätte sagen müssen.
etwa Karl Etzelt, der Freund des jungen
1Doch gelassen erwidert jener:
Medardus, bloß die technische Bedeutung
Zuweilen dürfen auch Helden schwätzen.
des „Vertrauten" und Albertus Rohn
(„Zwischenspiel“) ist nichts anderes als der
Hier schlägt der Dichter die Geißel tief
„Näsoneur“ des Stückes.
ins eigene Fleisch, denn seine Haupt¬
Denn dieses allbereits etwas muffige
personen pfuschen gar oft mit ihrer Klug¬
Requisit hat sich Schnitzler (wie so manches
rede dem angestellten Rasoneur ins Hand¬
andere) aus dem wohlgezimmerten fran¬
werk; im „Einsamen Weg“ nimmt so Herr
zösischen Sittenstück der Dumas und Kon¬
von Sala dem Doktor Reumann den
sorten angeeignet, um einer tendenziösen
besten Wind aus den Segeln und im
Veranlagung ein Sprechorgan zu schaffen.
gleichen Verhältnis stehen die Bruder¬
Darum erscheint denn auch im Puppen¬
gestalten des „Weiten Landes“, Herr von
Aigner und Doktor Mauer.
spiel „eine Figur von überlegenem Ver¬
stand und schwarzem Vollbart, Näsoneur
Im Grunde dienen die Typen des
betitelt“. Er spricht:
Freundes und die ihm nahverwandten oder
persönlich unierten des Näsoneurs und
Ich bin der Näsoneur des Stücks,
des Vertrauten nur zur Füllung des
Red' entweder geistreich oder nix.
Raumes. Sie sollen eine Mannigfaltigkeit
Mit behaglicher Selbstironie setzt der
vortäuschen, die der naturwissenschaftliche
Dichter die nachdenkliche Regiebemerkung
Dichter als seiner Problembehandlung
hinzu: Der Näsoneur tritt im Verlaufe
hinderlich eben dach fortgeräumt hat, denn
der weiteren Handlung nur gelegentlich
er empfindet diese erkältende Leere selber
nach vorwärts, wenn er etwas zu reden
als unkünstlerisch; sie sind die reine Staf¬
hat. Im übrigen bleibt er von den Vor¬
fage, mitunter bloß zur Unterhaltung des
gän zen vollkommen unberührt. Er küm¬
„Publikums“ ersonnen und oft auf eine
einzige komische Gebärde oder Redensart
mert sich um niemanden, und die an¬
dern kümmern sich nicht um ihn“. Tat¬
Theaterfiguren, nicht mehr
gestellt, —
sächlich sind Schnitzlers Näsoneure meist
Menschen; während bei Gerhart Haupt¬
ganz unorganisch in die Handlung seiner
mann oder Ibsen auch die letzte Episoden¬
Dramen und Geschichten hineingestellt,
figur lebt, d. h. vom Dichter mit Hinter¬
bleiben von ihr meist völlig unbetroffen
grund umgeben und in eine besondere
und ihre einzige Betätigung ist die, ein
Atmosphäre eingehüllt wird. Schnitzler
paar geistvolle oder boshafte Bemerkungen
aber behandelt seine Nebenspieler gleichsam
als Masse und es zeigt von besonderer
in den Dialog einzuwerfen; noch im
„Professor Bernhardi“ ist der Hofrat Wink¬
Selbsterkenntnis, wenn er sie innerhalb
ler zu keinem anderen Zwecke erschaffen,
des Puppenspiels als Chor auftreten und
in dem Einakter „Große Szene“ besorgt
unisono sprechen läßt:
Doktor Falk dieses Geschäft. Mitunker
Wir spielen die Episoden,
zeichnet der Dichter seine Näsoneure nicht
Es tritt keiner hervor...
ohne überlegene Ironie, wie etwa jenen
Da sind die Frauen, die, so regelmäßig
Anastasius Treuenhof („Der tote Gabriel“),
wie die Freunde, allemal neben dem
„den Versteher aller irdischen und gött¬
Helden stehen, schon sorgfältiger ausge¬
aber etwas Näsonie¬
lichen Dinge", —
meißelt, bedarf ihrer doch auch der Dichter
rendes ist überall zu finden, mit der
dringender zur Entwisklung seiner Pro¬
einzigen Ausnahme des „Leutnant Gustl“,
bleme. Immerhin bleibt es seltsam, daß
dessen unvergleichliches Selbstgespräch der
unter den vielen typischen Gestalten
Dichter mit keinerlei störender Einrede
Schnitzlers gerade die der „Geliebten“
unterbricht.
als ein besonderes Kennzeichen seiner
Allerliebst ist es, wenn im Puppenspiel
der Held selber in Sentenzen zu reden Muse und er selbst lange Zeit schlechthin als