VI, Allgemeine Besprechungen 1, 6, Josef Körner Gestalten und Probleme, Seite 10

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1. Panbh#sOfforints
Josef Körner: Arthur Schnitzlers Gestalten und Probleine
1005
der Dichter des„Süßen Mädels“ gegolten
seine Möglichkeiten ausgeschöpft. Die schüch¬
hat. Mit vollem Recht verspotten Verse
tern und entsagend liebenden Arzte im
dieses Mißurteil, mit denen Liesl im
„Ruf des Lebens“, im „Einsamen Weg“.
und im „Weiten Land“ der marklose
Puppenspiel ihren Einzug hält:
Gatte der Dämmerseele Katharina („Die
J bin halt no ledig,
Fremde“), der Freiherr von Leisenbohg,
Und in Wien spielt die G'schicht,
der cholerische Doktor Stauber („Der Weg
So heißen s' mich süßes Mädel,
ins Freie"), der philiströse Doktor Teich¬
Oo i süaß bin oder nicht.
mann („Frau Berta und ihr Sohn“) —
sie alle gehören zu Brackenburgs Familie.
Mehr übereinstimmende Vergleichs¬
Gleich Liesl möchte auch die glänzendere
punkte wird man schwerlich finden, wenn
Beatrice in der stillen Ehe mit Vittorino
man die lange Reihe der „Geliebten“ in
ausruhen von den stürmischen Erlebnissen
Schnitzlers Theaterstücken und Erzählungen
ihrer Liebe zu Filipo Loschi, und Daisy
durchmustern wollte: reicht die doch von
(„Große Szene“) wird ihren Edgar Gley
den halben und ganzen Dirnen des
heiraten, nachdem sie mit Konrad Herbot
„Reigen“, des „Ruf des Lebens“ (Katha¬
„der Liebe Laufbahn beendet". „Es ist
rina), des „Medardus“ (Elisabeth) über
die mütterliche Toni Weber („Vermächt¬
ihr Beruf,“ heißt es irgendwo von diesen
nis“) und das rätselhafte Kind Beatrice
ihren Armen aufzunehmen, die von irgend
bis zur feinen Anna Nosner („Der Weg
einer Leidenschaft müde oder zerbrochen
ins Freie"), der edelsten Verkörperung
des bis zur vollen Hingabe liebenden
sind. Aber sie ahnen nicht, woher sie
kommen. Es ist ihnen auch gegönnt, Wesen
Mädchens. Im Puppenspiel selbst trägt
heranzuziehen und zu betreuen, aber sie
das süße Mädel fast reichere, jedenfalls
verstehen nicht, wohin sie gehen. Sie sind
realistischere Züge als anderwärts. Wenn
da, um sich unbewußt aufzuopfern und
Liesl mit den Worten: „Ich muß ins Ge¬
in diesen Opfern ein Glück zu finden, das
schäft“ sich von dem girrenden Helden
anderen vielleicht recht arrnselig vorkäme“.!)
losmacht, so erfährt man, daß sie hie¬
Wie die Frauen zwischen einem
nieden noch zu anderem bestimmt ist, als
strahlenden Geliebten und dem sehr nüch¬
sich den ganzen Tag lieben zu lassen — wie
ternen „Verehrer“ stehen, so geht auch
es doch sonst bei Schnitzlers Frauen den
der Männer Sehnen und Lieben über die
Anschein trägt. Und wenn Liesels Vater,
einfache Seele des „süßen Mädels“ hinaus.
„Der düstere Kanzelist“, dem Liebhaber
Ihre Phantasie mehr als das genügsamere
der Tochter vorwirft:
Herz ist erfüllt von den Masken und
Wir haben nichts und ihr habt das Geld!
Wundern irgend eines „dämonischen“
Wir schuften für euch und ihr beutet uns
Weibes. An diesem Zwiespalt geht schon der
aus,
Held der „Liebelei“ zugrunde. Später hat
Verführt unsre Töchter —
Schnitzler einen Funken solcher Dämonie
in jeder seiner Frauen Brust gelegt und
so sind dies wiederum Töne, die man son¬
schon das Puppenspiel, das mit der Her¬
derbarerweise in Schnitzlers ernsten Dich¬
zogin die inkarnierte weibliche Dämonie
tungen kaum irgendwo findet. Soziale
auf zwei, nicht immer geschlossene, Beine
Fragen haben für unseren Dichter eben
stellt, gönnt auch der süßen Liesl davon
keine Bedeutung; bleibt ihm doch selbst
sein Teil.
die Judenfrage,mit deren Erörterung der
Damit sind wir aber bereits aus der
geistreiche, aber künstlerisch verfehlte Roman
„Der Weg ins Freie“ überladen ist, „eine
1) Übrigens fehlt es auch nicht an weiblichen
höchst innerliche Angelegenheit“.
Gegenstücken dieses Typus, doch würde es zu weit
Weit vertrauter als die Anklägergestalt
führen, auch noch „Brackenburgs Basen“ aufzu¬
des Vaters mutet Liesls Bräutigam an,
zählen; nur im Vorübergehen seien Agnes („Ver¬
der witzig als ein Vetter von Brackenburg
mächtnis“), Teresina („Beatrice"), Anna Berger
vorgestellt wird. In Scherz und Ernst, mit
(„Medardus“), Else Ehrenberg („Der Weg ins
Pathos und Ironie hat der Dichter diesen
Freie“) genannt; das „tote Mädchen“ des Puppen¬
Typus unzähligemal verwendet und alle spiels gibt die parodistische Entsprechung.