VI, Allgemeine Besprechungen 1, 6, Josef Körner Gestalten und Probleme, Seite 12

b. x 36/6
PanphletsOfforints
Josef Körner: Arthur Schnitzlers Gestalten und Probleme
1007
begegnet man
Land“), eine von Schnitzlers reinsten
Ist's Wahrheit, die ich bringe, oder Nacht?
ter
ehrlichen
Frauen, spricht das Gegenwort: „Vielleicht
Folg ich der Himmlischen, der Hölle Ruf?
an
pereien“. In
ist es die höhere Art von Liebe, die nicht
Ist es Gesetz, ist's Willkür, die mich schuf?
leich, die
verzeiht.“
Bin ich ein Gott? ein Narr? bin eures¬
Weib,
Mit diesen wenigen Andeutungen ist
gleichen?
sagt
l,
nur eine karge Auswahl aus dem un¬
Bin ich ich selber — oder nur ein
i wir
endlichen Motivenschatz getroffen, der dem
Zeichen?
nftig
Dichter zur Erörterung und Entwirrung
nken.“
des Liebesprobiems zur Verfügung steht.
Eine kurze, zwischen Märchen und
ug
Die Burleske „Zum großen Wurstel“
Parabel die Mitte haltende Prosaskizze,
chzu¬
enhält noch eine Menge Anspielungen auf
„Die dreifache Warnung“ betitelt, bietet
Gefühls- und Erlebnisformen, mit denen
eine Möglichkeit, den dunklen Sinn dieser
Rätselworte zu deuten.
Schnitzler die Psychologie seiner Arbeiten
bestreitet. Die Melancholie absterbender
Ein Jüngling wandert am Morgen
Liebe, deren wehmütigen Reiz schon Hein¬
den Bergen zu. Wie er an den Wald ge¬
rich Heine tief empfunden hat („Hab' ich
langt, ertönt eine unsichtbare Stimme:
nicht dieselben Träume schon geträumt
„Geh nicht in den Wald, es sei denn, du
von diesem Glücke?"), klingt durch manches
wolltest einen Mord begehen.“ Des Jüng¬
Gedicht, Geschichtchen und Theaterstück
lings Kühnheit lehnt sich auf gegen die
unseres Dichters; auch darauf erstreckt sich
warnende Geisterstimme und er durch¬
die Parodie des Puppenspiels. Duell,
schreitet den Wald, bis er an eine Wiese
Selbstmord, mystisches Hellsehen und
kommt; da klingt es zum zweitenmal in
Wahrträumen, die Rätselfrage nach Wert
seinen Ohren: Geh nicht über die Wiese,
und Wesen von Illusion und Wirklichkeit
es sei denn, du wolltest Verderben bringen
— diese Haupt- und Grundthemen Arthur
über dein Vaterland.“ Auch dessen achtet
Schnitzlers — begegnen wieder im Zerrbild
der Jüngling nicht und wandert weiter bis
der Burleske.
zum Gebirge. Wie er aber den Fuß an
Die aber schlägt zuletzt aus der toll¬
den Felsen setzt, mahnt die Stimme zum
dreisten Heiterkeit der Travestie und Selbst¬
drittenmal: „Nicht weiter, es sei denn,
persiflage in bitterernste Nachdenklichkeit
du wolltest den Tod erleiden.“ Doch der
um. Noch der Tod, der, vom lebensmüden
Jüngling steigt auf bis zum Gipfel des
Helden gerufen, zunächst in schauerlicher
Berges und lacht des üblen Propheten,
Maske auftritt, steht, wenn er sich ehrlich
dessen Warnung sich so schlecht bewährt
bezeigen soll, mit einemmal als Wurstel
hätte. Da wird er seines Irrtums belehrt:
da, in Narrenkappe, die Pritsche in der
mit achtlosem Schritt hat er einen Wurm
Hand. Aber sobald der „Unbekannte“ er¬
zertreten, der vielleicht zu Besonderem
scheint, ist es aus mit Spaß und Spiel. Da
bestimmt war im unendlichen Lauf des
muß der „Dichter“ erkennen, daß er seibst
Werdens und Geschehens; der Hauch
nur eine Marionette in eines größeren
seines Mundes trieb einen Schmetterling
Puppenspielers Hand, daß er selber mit¬
zum königlichen Park: von dem wird die
spielen muß in eines gewaltigen Meisters
Raupe stammen, welche die junge Königin
Stück, dessen Sinn und Ausgang er nicht
so erschreckt, daß ihr das Herz im Leibe
kennt. Diese dumpfe Erkenninis tut sich
erstarren und die Frucht ihres Schoße
manchem Helden Arthur Schnitzlers auf,
hinsiechen muß, — statt des rechtmäßigen
und wenn auch das Satyrspiel solche
Königs wird ein lasterhafter Mensch das
Weisheit nicht verlacht, sondern ehrfürchtig
Reich erben und ins Verderben stürzen.
davor verstummt, so werden wir darin
Und wie der Jüngling den Abstieg ver¬
wohl das letzte Wort erkennen dürfen,
sucht, wird es ihm wie ein unwiderrufliches
das uns der Dichter zu sagen hat.
Urteil bewußt, daß sich nun in kürzester
Wer aber ist dieser allmächtige Puppen¬
Frist auch die dritte Weissagung, daß sich
spieler, dieser gewaltige Theaterdichter alles
nun auch sein eigenes Schicksal erfüllen
Lebendigen? Der „Unbekannte“ hat und
muß. Da ruft er den Warnergeist auf,
weiß keinen Namen. Ihm selber unerschlossen
daß er sich ihm zu erkennen gebe. Der
ist seines Wesens Sinn und Zweck.
aber antwortet: „Erkannt hat mich kein