2. Cuttings
Gerfahrener“
zt ist, sass
r schlimme
Wirkung
brüche
de Ver¬
mmers,
seiner
da sie
ohender
r das
etri, den
kurz
eiten
entsteher
ständi
ein
chen.
Ur
ieser einen
eichlich und
schlechtesten
gegenüber¬
ieses jungen
henkten. Es
flüchtig ent¬
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ARTHUR SCHNITZLER.
schwebender, entgleitender Episodenpoesie. Aber mag Schnitzler nicht mit
wuchtigen Accenten und nicht als ein Promethide kommen: er giebt nach¬
denkliche Lebensausschnittchen, auch er hält aus dem allgemeinen Dahin¬
rauschen der Erscheinungen bald ein ironisches, bald ein gedankenvolles
Seelenbild fest, das nur durch eines wahren Dichters Hand dem Strom ent¬
rissen werden kann, auch er ist ein Menschheitskünder. Dass man doch
in Deutschland noch immer zu wenig Ehrfurcht vor den Grazien hat,
die häufiger als der Tasso festgestellt, „leider ausgeblieben“ sind. Von der
besonderen Art der Grazie, wie sie dieser Oesterreicher besitzt, und von der
besonderen Art seiner entzückenden Feinfühligkeit haben Gewaltigere unter
den Zeitgenossen keine Ahnung. Hier ist ein Grieche gekommen. Was
keiner erwerben kann, erhielt er im Schlaf. Jawohl, es giebt Tiefere: aber
sie können nicht das, was er kann.
Auch die Wiener Symbolisten mögen gegen Schnitzler eine schiefe
Stellung haben. Das liesse sich begreifen. Er hat von ihrer Kunst manches
Beste abgeschöpft, das er brauchen konnte. Der Symbolismus war ihnen
Selbstzweck: er nutzte ihn als sehr gelegentliches Mittel; und er verquickte
ihn mit dem Realistischen, Fast stcht er ihrer vorbereitenden Kunst gegen¬
über wie Heinrich Heine dem Clemens Brentano, dem Tieck dem Achim
Arnim. Auch die Romantiker lieferten ein zauberisch herrliches Rohmaterial,
— ein Spätling nahm es und dämmte es ein zu festeren Formungen. Loris
wird gepriesen und bewundert: wir preisen und bewundern ihn gleichfalls,
doch wir können nicht hinweg über das Auseinandergehende, das Zerfliessende
seiner Poesien, die keine Rippen zu haben scheinen. Schnitzler arbeitet
nur diskret mit symbolistischen Kräften, ohne ein Symbolist zu sein. Er ent¬
nimmt dieser Kunstrichtung gerade soviel oder sowenig als nötig ist, um ein
willkommenes, dreimalgesegnetes Gegengewicht gegen die tiefe Verbohrtheit
des Holz-Schlaf-Naturalismus zu bieten. Er verzichtet auf die Vollständig¬
keit — hosiannah! — und setzt die künstlerisch feine Andeutung an ihre
Stelle. Er setzt das Verschweigen an die Stelle des Quatschens. Endlich
wieder! Er giebt ein Bild, ein einziges Wort, das eine Stimmung herauf¬
zaubert, statt diese Stimmung schweisstriefend und langwierig zu malen. Er
ist ein Dichter, kein Ausarbeiter. Er stammt aus Griechenland, nicht aus
Friedrichshagen.
III.
Kehren wir sachte zum Anatol zurück.
Ein leichtsinniger Melancholiker in der Mitte, ringsherum Weiberchen.
Sie kommen aus der Vorstadt, vom Theater, aus dem Modistengeschäft, vom
Ballet, aus der üppigen Wohnung des Gatten, eine sichere Bianca sogar von
dort, wo man durch Reifen springt. Aber die herrlichste bleibt das süsse
Mädl aus der Vorstadt, die mit den zerstochenen Fingern; von der man
dunkel nur erfährt, dass sie zuletzt einen Tischlermeister geheiratet hat. Sie
hört Anatols Schritte schon auf ler Treppe, sie stcht an der Thür wenn er
kommt, sie küsst ihn und spricht: „Ich bin so froh, dass ich dich wieder
hab'!“ Oder in der Dämmerung tritt sie in sein Zimmer — „Guten Abend!
Ei, im Dunklen? ..“ Anatol: „Ach, es dämmert ja noch. Du weisst, das
liebe ich.“ Sie streichelt ihm die Haare: „Mein kleiner Dichter!“ Anatol
erzählt ihr: sie habe in der Hypnose gesagt, dass sie ihn liebe; sie ruft:
„Aber schau das hätte ich Dir ja auch im Wachen sagen können!“ Was
ist er ihr? Ist er ihr Alles? Die melancholische Antwort sagt: „. .. Mög¬
. Heute
lich!
Neben der Liebe zu so schlichten Geschöpfen wird in nichtige Herzen
manches hineingeheimnisst, was nicht in ihnen liegt, Dirnen enthüllen ihre
Seele, Theaterfrauenzimmer werden beim Abschied brutal offen in kostbarem
Gerfahrener“
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ARTHUR SCHNITZLER.
schwebender, entgleitender Episodenpoesie. Aber mag Schnitzler nicht mit
wuchtigen Accenten und nicht als ein Promethide kommen: er giebt nach¬
denkliche Lebensausschnittchen, auch er hält aus dem allgemeinen Dahin¬
rauschen der Erscheinungen bald ein ironisches, bald ein gedankenvolles
Seelenbild fest, das nur durch eines wahren Dichters Hand dem Strom ent¬
rissen werden kann, auch er ist ein Menschheitskünder. Dass man doch
in Deutschland noch immer zu wenig Ehrfurcht vor den Grazien hat,
die häufiger als der Tasso festgestellt, „leider ausgeblieben“ sind. Von der
besonderen Art der Grazie, wie sie dieser Oesterreicher besitzt, und von der
besonderen Art seiner entzückenden Feinfühligkeit haben Gewaltigere unter
den Zeitgenossen keine Ahnung. Hier ist ein Grieche gekommen. Was
keiner erwerben kann, erhielt er im Schlaf. Jawohl, es giebt Tiefere: aber
sie können nicht das, was er kann.
Auch die Wiener Symbolisten mögen gegen Schnitzler eine schiefe
Stellung haben. Das liesse sich begreifen. Er hat von ihrer Kunst manches
Beste abgeschöpft, das er brauchen konnte. Der Symbolismus war ihnen
Selbstzweck: er nutzte ihn als sehr gelegentliches Mittel; und er verquickte
ihn mit dem Realistischen, Fast stcht er ihrer vorbereitenden Kunst gegen¬
über wie Heinrich Heine dem Clemens Brentano, dem Tieck dem Achim
Arnim. Auch die Romantiker lieferten ein zauberisch herrliches Rohmaterial,
— ein Spätling nahm es und dämmte es ein zu festeren Formungen. Loris
wird gepriesen und bewundert: wir preisen und bewundern ihn gleichfalls,
doch wir können nicht hinweg über das Auseinandergehende, das Zerfliessende
seiner Poesien, die keine Rippen zu haben scheinen. Schnitzler arbeitet
nur diskret mit symbolistischen Kräften, ohne ein Symbolist zu sein. Er ent¬
nimmt dieser Kunstrichtung gerade soviel oder sowenig als nötig ist, um ein
willkommenes, dreimalgesegnetes Gegengewicht gegen die tiefe Verbohrtheit
des Holz-Schlaf-Naturalismus zu bieten. Er verzichtet auf die Vollständig¬
keit — hosiannah! — und setzt die künstlerisch feine Andeutung an ihre
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wieder! Er giebt ein Bild, ein einziges Wort, das eine Stimmung herauf¬
zaubert, statt diese Stimmung schweisstriefend und langwierig zu malen. Er
ist ein Dichter, kein Ausarbeiter. Er stammt aus Griechenland, nicht aus
Friedrichshagen.
III.
Kehren wir sachte zum Anatol zurück.
Ein leichtsinniger Melancholiker in der Mitte, ringsherum Weiberchen.
Sie kommen aus der Vorstadt, vom Theater, aus dem Modistengeschäft, vom
Ballet, aus der üppigen Wohnung des Gatten, eine sichere Bianca sogar von
dort, wo man durch Reifen springt. Aber die herrlichste bleibt das süsse
Mädl aus der Vorstadt, die mit den zerstochenen Fingern; von der man
dunkel nur erfährt, dass sie zuletzt einen Tischlermeister geheiratet hat. Sie
hört Anatols Schritte schon auf ler Treppe, sie stcht an der Thür wenn er
kommt, sie küsst ihn und spricht: „Ich bin so froh, dass ich dich wieder
hab'!“ Oder in der Dämmerung tritt sie in sein Zimmer — „Guten Abend!
Ei, im Dunklen? ..“ Anatol: „Ach, es dämmert ja noch. Du weisst, das
liebe ich.“ Sie streichelt ihm die Haare: „Mein kleiner Dichter!“ Anatol
erzählt ihr: sie habe in der Hypnose gesagt, dass sie ihn liebe; sie ruft:
„Aber schau das hätte ich Dir ja auch im Wachen sagen können!“ Was
ist er ihr? Ist er ihr Alles? Die melancholische Antwort sagt: „. .. Mög¬
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lich!
Neben der Liebe zu so schlichten Geschöpfen wird in nichtige Herzen
manches hineingeheimnisst, was nicht in ihnen liegt, Dirnen enthüllen ihre
Seele, Theaterfrauenzimmer werden beim Abschied brutal offen in kostbarem