VI, Allgemeine Besprechungen 1, 7, Ottokar Stauf von der March Decadence II, Seite 6


1. Panphletsoffnrints
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Décadene.
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mögen es nun
fallenden Stich ins Pathologische erhalten, wenn eben semitischer Einfluß
ie bekannt, aus
nicht vorgewaltet haben würde. Die meisten Dekadenten sind Semiten,
eziehent¬
wenigstens der Abstammung nach, und das Judentum befindet sich auf der
en National¬
Etappe der physischen und psychischen Décadence, trotz all seiner politischen
der uns
und sozialen Erfolge, die es in der letzten Vergangenheit errungen hat.
utschland
Wie der Verdürstende ohne Rücksicht auf seine Gesundheit über den dar¬
nstigen
gereichten Wasserkrug herfällt, so ist auch das jahrhundertlang geknechtete
deren
und getretene Volk, als es „emancipiert“ wurde, über die Kulturschätze
lhelm
seiner Mitbürger hergestürzt, ohne zu bedenken, daß sein Organismus nicht
alles auf einmal verdauen könne. Die Übersättigung ward noch durh die
Trostlosigkeit der allgemeinen Weltlage gesteigert. Es bedurfte m###
Anstoßes von außen, und die Nerven begannen ihre Tarantella. Das auf¬
regende Tänzchen gefiel, und der Wahnsinn ward Methode.
Der hervorragendste aller Dekadenten ist der schon öfter erwähnte
Wiener Arthur Schnitzler. Obgleich seine Dichtungen, vornehmlich:
Scenenbilder („Anatol“), vom denkbar stärksten Décadence=Kolorit durchsättigt
sind und darum den Leser in die unbehaglichste Stimmung von der Welt
versetzen, erscheinen sie doch durch ihre Aufrichtigkeit und Selbsterkenntnis
geadelt. Mit peinlicher Akkuratesse seziert der Dichter seine Probleme und
erklärt dem staunenden Leser resigniert=lächelnd die angefaulten Körperstellen.
An Geist vermag sich mit ihm kein einziger Dekadent zu messen. Schnitzlers
Werke sprühen förmlich von genialen Gedanken und Sentenzen. Er ist
gewissermaßen der siker der Décadence, aber darum nicht minder krank,
als die übrigen. Der zweite Platz gebührte von Rechts wegen dem Semi¬
gallier Hermann Bahr, da er aber die Décadence wabrscheinlich schon
längst zum zehnten Mal überwunden hat, wie alles und jedes, was er auf
den Schild hebt, und auch der aufmerksamste Beobachter nicht recht klug
wird aus diesem Proteus, muß dieser Rang einem andern zugewiesen werden.
Es ist dies Felix Dörmann, derselbe, dessen Dichtungsweise Anton
Lindner so köstlich persifliert. Über all seinen Dichtungen (Neurotica, Sensa¬
tionen) lagert eine, mit dem Satiriker zu sprechen: „mü#e, welke Stille“.
ein betäubendes Odeur, eine krankhafte Sinnlichkeit. Hie und da ein Auf¬
schrei wahnsinnig=gestachelter Leidenschaftlichkeit und unheimlicher Geschlechts¬
gier. Mit dem oben citierten Verse: „Ich liebe alles, was krank ist“, hat
er seine Poesie am besten charakterisiert. Nicht das leiseste Aufdämmern
von Selbsterkenntnis, und wenn ja einmal derlei konstatiert werden kann,
so ist es, näher besehen: Anmofindung, selbstgefällige Pose. Dörmann
gelangte früh zu litterarischen Ehren — seine Gedichte*) werden in der
*) Neurotica, eben in zweiter Auflage erschienen.