VI, Allgemeine Besprechungen 2, Ausschnitte 1903–1906, Seite 8

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Feuilleion-Beilage des Tagesbote aus Mähren und Schlefien
seiner Anschauungen; Ton, Stoffkreis und die Art, die Mo¬
Frau v. Reinhold: Ich glaube es fast selbst.
zive zu fassen, waren in ihm vorgebildet, die Virtuosität wie
Dr. Born: Der Herr Gemahl ist also sehr ... nach¬
die Enge, die in innerer Beziehung zueinander stehen. Das
lässig?
Frau v. Reinhold= Mein Mann? O, da müssen Sie
Entscheidende daran ist nicht, daß er vorwiegend eine lokal
bestimmte Gegenwart, eine besondere Sphäre des Wiener
sich schon an andere Adressen wenden. Ich bekomme ihn ja
Lebens behandelt und wenn er darüber hinausgreift, eigent¬
kaum mehr zu Gesichte.
lich nur dieselben Gestalten in andere Kostüme steckt. Auch
Dr. Born: Wirklich? Eine so junge, reizende Frau.
Frau v. Reinhold: Er meidet mich, als ob ich den
Anzengruber bewegt sich nur in zwei gegenwärtigen Sphären,
häßlichsten Makel hätte.
ddie nahe aneinander grenzen, in der alpinen Bauernwelt und
Dr. Born: Den haben Sie auch ... Pardon.
sin dem Wiener Vorstadtleben — abgesehen von einem nicht
Frau t. Reinhold: Wie?
ganz gelungenen Salonstücke und einem fragmentarischen
Dr. Born: Sie sind seine Frau.
Versuche in der Jambentragödie „Berta von Österreich“ in
Frau v. Reinhold (trocken): Sie dürfen geistreicher
sdem er ähnlich wie Raimund mit einer rührenden Unbeholfen¬
sein.
heit nach Kränzen, die ihm versagt sind, greift. Aber das
Dr. Born (ebenso): Man muß haushalten. Momentan
fist es nicht, was ich meine. Anzengruber bannt in diese
genügt es, daß ich ein Mann und hier bin.
Sphäre alle Menschheitsfragen hinein, die Tragik der wirt¬
Frau v. Reinhold: Sündigen Sie nicht zu sehr
schaftlichen Gegensätze, des Proletariats und des Protzen¬
darauf.
stumes, die Fragen der Religiosität und der Gewissenssophi¬
Dr. Born: Sündigen? Das sei ferne von mir. Das
sstik, den Kampf zwischen Verdummung und Aufklärung, das
überlasse ich anderen.
Schwanken zwischen Verzweiflung und beglückender Resigna¬
Frau v. Reinholdz In Ihrer Gesellschaft — wie?
tion, er ist in all seiner Begrenzung universell, weil er den
Dr. Born: Das habe ich nicht gemeint.
Menschen in seinem Verhältnisse zum Universum faßt.
Frau v. Reinhold: Aber angedeutet.
Anders Schnitzler. Die Gegenwart, die er meint und
Dr. Born: Nur für den, der es herausfinden will.
behandelt, ist nicht nur lokal und zeitlich, sondern auch inner¬
Frau v. Reinhold: Sie werden keck.
lich begrenzt, eine ganz bestimmte Welt von Interessen, in die
Dr. Born: Ich bemühe mich, der Situation gewachsen
er sich immer tiefer einwühlt, ohne über sie hinaus zu kom¬
C
zu sein.
men, die Sphäre der sexuellen Tauschungen und Selbsttäu¬
Frau v. Reinhold (milder): Sie tun das aber so
schungen, in der der moderne Gesellschaftsmensch — in seiner
vortrefflich
Darstellung der Wiener und die Wienerin —, die Lebenskraft
Dr. Born: Nun, man hat etwas übuyg.
oder das Leben selbst an Illusionen, an schöne Träume oder
Frau v. Reinhold: Wie dem auch sei. Ich hätte bei¬
an häßlichen Taumel dahingibt. Das ist für manchen Men¬
nahe Lust, Sie zu ersuchen..
schen der Lebenskern und ist dennoch nicht das Leben. Schnitz¬
Dr. Born: Wie? Was?
ler begnügt sich darin; allen seinen Werken könnte man eine
Frau v. Reinhold: Zittern Sie nicht um Ihre Tu¬
Frage aus seinem Jugenddrama: „Unsere lustigen Aventüren,
sind sie nicht eigentlich unsere traurigen?“ als Motto an die
gend.
Dr. Born (freu dlich): Nun, die hält schon einen kleinen
Stirn schreiben.
Puff aus.
Der Kreis seiner Beobachtungen und Menschenergrün¬
Frau v. Reinhold (ebenso): Ich weiß, ich weiß.
dungen ist eigentlich in den drei ersten Arbeiten in der höchst
Ich meinte nur ...
originellen Folge von Dramoletts: „Anatol“ (1893), in der
Dr. Born: Sie wollten mich um etwas ersuchen.
Novelle „Sterben“ (1895) und in dem Schauspiel „Märchen“
Frau v. Reinhold (zögernd): Ihre Bemühungen noch
(1894) beschlossen. Vertieft hat er wohl seither die bisher
ein wenig fortzusetzen.
aufgeworfenen Fragen, erweitert hat er sie nicht. Ja, was die
Dr. Born: Wie lang? Darauf käme es an.
Gespräche „Anatol“ anlangt, so kann man sagen, daß er sie
Frau v. Reinhold: Ah, Sie haben wohl Ihre Prin¬
seither nicht übertroffen hat. Ahnliche kleine Meisterstücke des
zipien?
satirischen Humors hat er später nicht wieder geboten, sie
Dr. Born: Das nicht. Nur wenig Zeit.
fallen offenbar in die erste Zeit seiner Nachdenklichkeit über die
Frau v. Reinhold: Aber bis mein Mann zurückkommt,
Frivolität und haben infolgedessen noch einen naiven Schim¬
werden Sie sich wohl gedulden können, nicht wahr?
mer der Selbstironie, der später im Lichte einer bewußten Re¬
Dr. Born: Ich errate. Sie wollen mit Zuhilfenahme
flexion verblaßt. Sie sind das Hauptwerk seiner humoristi¬
meiner Wenigkeit den unaufmerksamen Gatten ein bißchen
schen Begabung. Anatol, ein jugendlicher Weibernarr, der
eifersüchtig machen? Niemals!
sich einbildet, ein Lebemann zu sein und es in gewissem Be¬
Frau v. Reinhold: Und warum?
tracht auch ist, aber jedes Abenteuer mit vergeblichen Glücks¬
Dr. Born: Erstens: männliche Solidarität.
träumen und Zweifeln beschwert, wird durch eine ganze Folge
Frau v. Reinhold: Abscheulicher! Zweitens?
von Liebesverhältnissen hindurch geführt, in denen er immer
Dr. Born: Zweitens: verletzte Eitelkeit. Ich will um
wieder zweifach beschämt wird, in seiner Schwäche und sei¬
meiner selbst willen ausgezeichnet werden.
nem energielosen Idealismus. Ein nüchterner Freund ist ihm
Frau v. Reinhold (kokett): Vielleicht ist das nicht
als hilfreicher Mephisto beigegeben, während in den Frauen¬
ganz ausgeschlossen.
gestalten sich alle Abarten der galanten Weiblichkeit spiegeln.
Dr. Born: Dann allerdings. — Aber ich fürchte, es ist
Die Ironie dieser Gespräche ist von der feinsten und graziöse¬
nur ein Köder.
isten Art. Charaktere werden in Meisterstrichen angedeutet,
Frau v. Reinhold: Sie lassen mich also wirklich bitten
tostbare Einfälle absichtslos hingestreut — trotzdem fast nichts
das ist stark!
lauf die Augenblickseffekte berechnet ist und die meisten Wen¬
Dr. Born: Durchaus nicht. Schöne Frauen appellieren
dungen nur von Feinschmeckern genossen werden können, haben
niemals vergebens an meine Gutmütigkeit.
einzelne dieser dramatischen Humoresken auch auf der Szene
Frau v. Reinhold: Bin ich schön?
gewirkt, hier und dort die „Episode“ und „Denksteine“, am
Dr. Born: Was soll ich?
häufigsten das „Abschiedssouper“ mit dem köstlich derbfeinen
Frau v. Reinhold: Bleiben.
Humor der Tänzerin, deren naive Rücksichtslosigkeit den Hoch¬
Dr. Born: Bleiben?
mut des Lebejünglings, der sich von ihr trennen will, über¬
Frau v. Reinhold: Ein paar Tage nur.
trumpft.
Dr. Born (nach einer kleinen Pause): Topp!
(Schlufs folgt.)
Frau v. Reinhold: Sie haben mir's ohnedies in der
##
*
Saison ein paarmal zugesagt. Erinnern Sie sich?

ies Herdleichen Samniert mir.
Dr. Born: Ich
Herr v. Reinho
Dr. Born: Wie
Herr v. Reinh
Dr. Born: Alst
Herr v. Reinh
Frau v. Reinh
Herr v. Reinho
Frau v. Reinh
Herr v. Reinh
Ton
Frau v. Reinh
auch amüsieren
mich
mich.
Herr v. Reinh
du dich kompromitierst.
Frau v. Reinho
du ja zu Hause wiede
Herr v. Reinho
vielleicht glaubst, daß ich
Frau v. Reinh
(Ironisch): W
wegs.
wenn dir unser einsa
zu bieten vermag.
Herr v. Reinh
Frau v. Reinh
willst.
Herr v. Reinhol
Frau v. Reinh
ginnen wir gleich.
hast Glück. (Zum Di
Frl. Friedrich
Herr v. Reinh
Hand, mein Fräulein.
Frau v. Reinh
schön, das ist reizend
so sehr. Gerade sprach
hold:) Nicht wahr?
Herr v. Reinho
Frau v. Reinh
menge Gäste einzulade
Herr v. Reinho
bleiben.
Frau v. Reinh
Herr v. Reinh
destens.
Frl. Friedrich
Frau v. Reinh
Herr v. Reinh
Frl. Friedrich
Und — Mama¬
mit.
Herr v. Reinh
wir halt. Wenn's nus
Frau v. Reinho
Toiletten.
Herr v. Reinho
Frau v. Reinh
oder gehe selbst.
Herr v. Reinh
lieber. Ich werde es
Frau v. Reinh
Herr v. Reinhe
Frl. Friedrich
Herr v. Reinh
Ja bedeutet.
das
Frau v. Reinh
bist. Na, geh nur .
(Herrl
Frau v. Reinho