VI, Allgemeine Besprechungen 2, Ausschnitte 1903–1906, Seite 11

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aus Mähren und Schlesien.:
53. Jahrgang.
Samstag den 12. September 1903.

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haber, dem die Schwäche der Gattin schon verfallen war,
Gegebenen abfinden und sich mit moralischen Defekten recht
flüchtet vor der überlegenheit des Gatten.
und schlecht durchs Leben schlagen.
In einer Reihe von Einaktern wird mit histo¬
tergestalten.
Zu einer so vollen geschlossenen dramatischen Wirkung.
rischer Farbe gespielt; im „Grünen Kakadu“ wird
die sich auslebt, ohne zu zersplittern, zu einem Stücke von
ein unheimliches Bild aus der Vorbereitungszeit der fran¬
so starkem, natürlichem Atem hat es Schnitzler kaum später
Klaar.
zösischen Revolution geboten; eine mit Witz gesteigerte Epi¬
wieder gebracht, wenn auch seine Virtuosität in der Zu¬
sode aus dem Leben der überreizten Aristokratie, die sich
ler.
spitzung und überfeinerung der Bühneneffekte seither gewach¬
an Bohème und Proletariat wie die Motte ans Feuer
sen ist. In den beiden Schauspielen, die sich an „Liebelei“
herandrängt; in „Parazelsus“ erscheint der als Magier
anreihten, klingt der Vorwurf der schutzlosen „kleinen Mäd¬
Schnitzlers, dem „Ana¬
verschriene Gelehrte des sechzehnten Jahrhunderts im Lichte
chen“ in Variationen nach. „Vorwurf“ in mehr als einem
ihn nach der Schablone,
des natürlichen Zaubers, durch den das Genic den Philister
Sinne des Wortes — Anklage gegen die Gesellschaft, dia¬
kalisten beizugesellen.
demütigt und die Frauengemüter verwirrt. In der „Frau
lektisch vielleicht noch kunstvoller als in „Liebelei“, aber nicht
ePointe, die mindestens
mit dem Dolche“ vermählt sich die Gegenwart mit der
mehr so volkstümlich echt, nicht so tief aus der Natur heraus
rs. In diesem Idealis¬
Vergangenheit, aus einem Renaissancegemälde steigt die Lei¬
empfunden. In „Freiwild“ handelt es sich um die
kzosen, die überhaupt
denschaft, von der eine Frau bedrängt wird, verheerend
„kleine Schauspielerin“, die als freigegebene Jagdbeute gilt
echt stark beeinflussen,
und warnend in einer zusammengedrängten Tragödie herauf.
und deren Verteidiger sich in nutzlosem Kampfe verbluten
hlers; aber er meistert
Drei kühne Phantasiestücke, in venen die Farbe den Aus¬
muß, obgleich er als moderner Mensch auch dem Vorurteile
schlag gibt. Dagegen entscheiden die physiognomische Fein¬
des ehrenreinigenden Zweikampfes zu trotzen sucht. Mit der
kleinen stehen die beiden
heit und der Puli, der Empfindung für die zarte Szenen¬
Frage der illegitimen Verhaltnisse, die bei Schnitzler von
gelle „Sterben“ und das
folge „Lebendige Stunden“, in der der alte Ge¬
flüchtigen, brutalen Abenteuern bis zur lastenden wilden
Sie leiden beide an dem
liebte und der junge Sohn einer Dahingegangenen einander
Ehe immer wieder den Fruchtboden der Konflikte bilden,
ion, der störenden Ab¬
entfremdet werden, ohne daß ein Konflikt im herkömmlichen
ist hier das Duellmotiv verlnüpft, vielleicht das ein¬
in peinlich erschöpfen¬
Sinne sich zwischen sie stellt. Aber die Trauer des Mannes,
zige gesellschaftliche Problem, das der Dichter neben den
älden Ehe dargestellt, in
dem die Geschiedene ein Stück Leben geblieben, wendet sich
sexuellen bevorzugt und das er auch einmal abgelöst von der
ist und in egoistischer
bitter von der Wehmut des Künstlers, der den Schmerz in
Erotik behandelt hat.
ken möchte, während die
einen Genuß und die Erinnerung in ein Schattenspiel zu
Ist schon in „Freiwild“ vieles künstlich zugespitzt, so
Hauder und Lebensdurst
ruht das „Vermächtnis“ völg auf kasuistischer Grund= wandeln weiß. Die Ironie der letzten Hoffnungen, die der
ggebung in den Tod mit
lage. Es ist die augenscheinlich nicht innerlich erlebte, son= Mensch dicht am Grabe aufpflanzt, gibt der bizarren und
##chologie, aber auch viel
doch nicht abstoßenden Spitalskizze „Letzte Masken“
dern erdachte Tragödie des Erb= und Witwenrechtes der
eiden Seiten dialektisch
ihr eigentümliches Gepräge; auf einem engen Raume drän¬
Geliebten. Der auf einem Spazierritte verunglückte junge
flerisches Buch, aber geist¬
gen sich da die Narren der Verkommenheit, die noch in den
Lebemann verlangt sterbend von seinen Eltern, daß sie der
für Schnitzlers Methode,
letzten Atemzügen nach versagter Genugtuung lechzen und
Mutter seines natürlichen Kindes dieselben Rechte ein¬
Wötzendienst, den sie mit
die des Weltglückes, die im Gefühle ihrer Nichtigkeit hun¬
räumen wie einer Schloleg### Das durch solche Be¬
Körper kreibt, ad ab¬
gern, in starken Konkrasten gusammen, alle miteinander
schwörung erzwungene Verhältnis erhält sich in der Schwebe,
Verurteilte, aus deren Masken der hohle Blick der unhen¬
so lange das Kind der wilden Ehe die grundverschiedenen
“, ein von den Bühnen
Clemente notdürftig bindet; mit dem Tode des Kindes sinkt baren Krankheit hervorleuchtet. Im Grunde ist's dieselbe
vergriffenes, nicht mehr
Welt, die sich in dem kecken Capriccio „Literatur“ ent¬
dessen Mutter in die Stellung der aufgedrungenen Haus¬
hüllt, nur daß da die Streber hinter ihren Masken noch
späterer Schnitzlerscher
genossin zurück und die Familie entledigt sich ihrer mit einer
lachen können und lachen machen, weil ihre Frivolität jede
durch das knappe Wort
durch Redensarten schlecht verhüllten Härte, die die Ver¬
„Darüber kann kein
Ahnung der inneren Zerstörung ausschließt.
lassene in den Tod treibt. Eine Gestalt des Stückes, die
Behandlung ist##sofern
Parallel mit diesen dramatischen Studien laufen noch
des liberalen, aufgeklärten, redekundigen Vaters, der über
„nicht darüber hinaus
zwei längere Novellen, in denen Lieblingsprobleme Schnitz¬
alle Merkworte vornehmer Empfindungen verfügt und dabei
biderspricht. Des Stückes
lers ausgesponnen werden: „Berta Garlan“ und
allen egoistischen und engherzig philiströsen Instinkten folgt,
in der die Menschen das
„Leutnant Gustl“. Die eine steht, bewußt oder un¬
gehört zum Eigenartigsten und Lebendigsten, das Schnitz¬
Grunde gehen; während
bewußt, unter dem Einflusse der „Madame Bovary“
ler geschaffen hat. Das ganze Stück aber leidet unter der
harakterisiert sind, ist die
von Flaubert. Ein entgegengesetzter Hauptcharakter freilich,
Gewaltsamkeit der Voraussetzung, unter dem Drucke einer
tlichkeit: der Ankläger der
aber dieselben Verhältnisse der Kleinstadt, die im Zwange
Forderung, die Gegensätze, die sich nur durch das Gefühl
nerwährend in die Rede;
der Heuchelei alle Leidenschaften pervers werden läßt und
ausgleichen lassen, vertragsmäßig überbrücken möchte. Ein
woran sie scheitern.
gegen deren Dumpfheit die erwachende Leidenschaft einer
Toter will da vom Leben erzwingen, was es nicht halten!
schlagenen oder weggewor¬
temperamentvollen Frau reagiert. Berta Garlan ist indes,
kann, und das Gefühl, daß Unerschwingliches verlangt wird,
wie gesagt, keine Bovary. Sie sinkt nicht in den Taumel
gsdramas der Geist aller
tritt unserer Teilnahme für die betrogene Erbin hemmend
K
ervor: immer kehrt das