VI, Allgemeine Besprechungen 2, Ausschnitte 1903–1906, Seite 12

Pre eeneie Pere muninestens
leltisch vielleicht noch kunstvoller als in „Liebelei“, aber nicht demütigt und die Feimnamnter #emirr.
her Vers. In diesem Idealis¬
mehr so volkstümlich echt, nicht so tief aus der Natur heraus mit dem Dolche“ vermählt sich die Gegenwart mit der
[Franzosen, die überhaupt
empfunden. In „Freiwild“ handelt es sich um die Vergangenheit, aus einem Renaissancegemälde steigt die Lei¬
ngeschlecht stark beeinflussen,
„kleine Schauspielerin“, die als freigegebene Jagdbeute gilt denschaft, von der eine Frau bedrängt wird, verheerend
Schnitzlers; aber er meistert
und warnend in einer zusammengedrängten Tragödie herauf.
und deren Verteidiger sich in nutzlosem Kampfe verbluten
Drei kühne Phantasiestücke, in denen die Farbe den Aus¬
muß, obgleich er als moderner Mensch auch dem Vorurteile
schlag gibt. Dagegen entscheiden die physiognomische Fein¬
im kleinen stehen die beiden
des ehrenreinigenden Zweikampfes zu trotzen sucht. Mit der
heit und der Puls der Empfindung für die zarte Szenen¬
Novelle „Sterben“ und das
Frage der illegitimen Verhaltnisse, die bei Schnitzler von
folge „Lebendige Stunden“, in der der alte Ge¬
rück. Sie leiden beide an dem
flüchtigen, brutalen Abenteuern bis zur lastenden wilden
struktion, der störenden Ab¬
liebte und der junge Sohn einer Dahingegangenen einander
Ehe immer wieder den Fruchtboden der Konslikte bilden,
entfcemdet werden, ohne daß ein Konflikt im herlömmlichen
wird in peinlich erschöpfen¬
ist hier das Duellmotiv verknüpft, vielleicht das ein¬
Sinne sich zwischen sie stellt. Aber die Trauer des Mannes,
er wilden Ehe dargestellt, in
zige gesellschaftliche Problem, das der Dichter neben den
dem die Geschiedene ein Stück Leben geblieben, wendet sich
rfallen ist und in egoistischer
sexuellen bevorzugt und das er auch einmal abgelöst von der
bitter von der Wehmut des Künstlers, der den Schmerz in
ketten möchte, während die
Erotik behandelt hat.
Schauder und Lebensdurst
einen Genuß und die Erinnerung in ein Schattenspiel zu
Ist schon in „Freiwild“ vieles künstlich zugespitzt, so
wandeln weiß. Die Ironie der letzten Hoffnungen, die der
Hingebung in den Tod mit
ruht das „Vermächtnis“ völlig auf kasuistischer Grund¬
Mensch dicht am Grabe aufpflanzt, gibt der bizarren und
Psychologie, aber auch viel
lage. Es ist die augenscheinlich nicht innerlich erlebte, son¬
doch nicht abstoßenden Spitalskizze „Letzte Masken“
auf beiden Seiten dialektisch
dern erdachte Tragödie des Erb= und Witwenrechtes der
ihr eigentümliches Gepräge; auf einem engen Raume drän¬
quälerisches Buch, aber geist¬
Geliebten. Der auf einem Spazierritte verunglückte junge
gen sich da die Narren der Verkommenheit, die noch in den
ksch für Schnitzlers Methode,
Lebemann verlangt sterbend von seinen Eltern, daß sie der
letzten Atemzügen nach versagter Genugtuung lechzen und
den Götzendienst, den sie mit
Mutter seines natürlichen Kindes dieselben Rechte ein¬
die des Weltglückes, die im Gefühle ihrer Nichtigkeit hun¬
ten Körper treibt, ad ab¬
räumen wie einer Schwieg##ochter. Das durch solche Be¬
gern; in starten Kontrasten zusammen, alle miteinander
schwörung erzwungene Verhältnis erhält sich in der Schwebe,
Verurteilte, aus deren Masken der hohle Blick der unhen¬
so lange das Kind der wilden Ehe die grundverschiedenen
chen“, ein von den Bühnen
baren Krankheit hervorleuchtet. Im Grunde ist's vieselbe
Elemente notdürftig bindet; mit dem Tode des Kindes sinkt
andel vergriffenes, nicht mehr
Welt, die sich in dem kecken Capriccio „Literatur“ ent¬
dessen Mutter in d#e Stellung der aufgedrungenen Haus¬
Keime späterer Schnitzlerscher
hüllt, nur daß da die Streber hinter ihren Masken noch
genossin zurück und die Familie entledigt sich ihrer mit einer
v ist durch das knappe Wort
lachen lönnen und lachen machen, weil ihre Frivolität jede
durch Redensarten schlecht verhüllten Härte, die die Ver¬
ena“: „Darüber kann kein
Ahnung der inneren Zerstörung ausschließt.
lassene in den Tod treibt. Eine Gestalt des Stückes, die
Die Behandlung ist insofern
Parallel mit diesen dramatischen Studien laufen noch
des liberalen, aufgeklärten, redekundigen Vaters, der über
der „nicht darüber hinaus
zwei längere Novellen, in denen Lieblingsprobleme Schnitz¬
alle Merkworte vornehmer Empfindungen verfügt und dabei
ine widerspricht. Des Stückes
lers ausgesponnen werden: „Berta Garlan“ und
allen egoistischen und engherzig philiströsen Instinkten folgt,
r, in der die Menschen das
„Leutnant Gustl“. Die eine steht, bewußt oder un¬
gehört zum Eigenartigsten und Lebendigsten, das Schnitz¬
sie zu Grunde gehen; während
bewußt, unter dem Einflusse der „Madame Bovary“.
ler geschaffen hat. Das ganze Stück aber leidet unter der
her charakterisiert sind, ist die
von Flaubert. Ein entgegengesetzter Hauptcharakter freilich,
Gewaltsamkeit der Voraussetzung, unter dem Drucke einer
bsichtlichkeit: der Ankläger der
aber dieselben Verhältnisse der Kleinstadt, die im Zwange
Forderung, die Gegensätze, die sich nur durch das Gefühl
immerwährend in die Rede;
der Heuchelei alle Leidenschaften pervers werden läßt und
ausgleichen lassen, vertragsmäßig überbrücken möchte. Ein
gut, woran sie scheitern.
gegen deren Dumpfheit die erwachende Leidenschaft einer
Toter will da vom Leben erzwingen, was es nicht halten
zerschlagenen oder weggewor¬
temperamentvollen Frau reagiert. Berta Garlan ist indes,
kann, und das Gefühl, daß Unerschwingliches verlangt wird,
rstlingsdramas der Geist aller
wie gesagt, keine Bovary. Sie sinkt nicht in den Taumel
tritt unserer Teilnahme für die betrogene Erbin hemmend
n hervor: immer kehrt das
großstädtischer Gemeinheit hinab, aber sie wird durch die
in den Weg..
Antinomie wieder, daß die
Berührung mit dem Zynismus aus dem ersten Rausche
Es liegt etwas Epigrammatisches in den meisten
Weibe begehrt und sein Hoch¬
ihres Lebens herausgerissen. Die Art, wie sie mit allen
Entwürfen von Schnitzler, etwas wie ein tragischer Witz
ie alles gewährt, erbarmungs¬
Mitteln der Selbsttäuschung das Abenteuer, dem sie ent¬
des Schicksals, der ein Mißverhältnis grell beleuchtet. Für
gegentaumelt, idealisiert und wie sie sich aus Erniedrigung
dichterische Einfälle dieser Art ist die knappste Form immer
Schnitzlers, sein Schauspiel
und Beschämung emporarbeitet, ist psychologisch meisterhaft
die glücklichste. Der Versuch, die Ausnahme in Verwicklun¬
serwurf auf dem gekennzeich¬
veranschaulicht.
gen fortzuspinnen, fällt leicht in die Unnatur. So sind denn
ihm, die Konstruktion völlig
In „Leutnant Gustl“ wird das Duellmotiv noch¬
auch seine kurzen Produktionen —— auch „Liebelei“ ist kein
lle von scheinbarer Alltäglich¬
mals aufgegriffen, energischer, sarkastischer und lebens¬
völlig ausgewachsenes Theaterstück — weitaus die glück¬
enthüllen. Das bei ihm typi¬
wahrer als in „Freiwild“ mit einer künstlerischen Fertig¬
lichsten und interessantesten. Unbedeutend ist keine dieser
s der Vorstadt wird zu einer
keit und scheinbaren Absichtslosigkeit, die jeden Beigeschmack
räumlich engen Produktionen; in jeder steckt ein sinnreich
einer Lokalfarbe aufzugeben.
der Lehrhaftigkeit ausschließt und die doch der inneren
angepacktes Motiv, eine sein. psychologische Beobachtung, in
ft und in aller Fülle reinster
Tendenz nichts von ihrer Stärke nimmt. Was Schopen¬
mancher auch Tiefe der Empfindung, überall ist der Ausgang
kliebte eines grünen Jungen,
hauer so drastisch von der ehrenreinigenden Kraft des Zwei¬
ein pessimistischer, bald ein greller Notschrei, bald
deutet und der in seiner Tor¬
kampfes sagt, ist vielleicht nie überzeugender illustriert wor¬
eine wehmütig verhallende Klage. Also ein abgegrenztes
nes absolviert. Der Lebejüng¬
den als durch diese Leutnantsgeschichte, deren Held in den
Stimmingsgebiet, ähnlich wie die Einschränkung der
andel verwickelt und zu einem
Tod gehen zu müssen glaubt, weil ein brutaler Kraftmensch
Motive.
Augen, fühlt er, daß er mit
ihn unter vier Augen demütigte und ohneweiters ins Gleich¬
Die Nachbarschaft von Tod und Leidenschaft finden wir
das Vorstadtmädchen geknüpft
gewicht gerät, da sein Peiniger, der allein von dieser Sache
in den Novellen „Der Abschied" und „Die Toten
inzugesteben, daß er für eine
weiß, vom Schlage gerührt wird, ehe er sich seines Triumphes
schweigen“ wieder, Skizzen, in denen die geistreiche Kom¬
ist. Er fällt im Zweikampfe
rühmen kann. Man wollte bekanntlich den Dichter, der nach
bination das Gefühl stark zurückdrängt. In beiben wird
finge wird für das Opfer der
der allgemeinen Wehrpflicht gedient und als Oberarzt der
die auf Schleichwegen gehende Sinnlichkeit durch eine Ka¬
od des Geliebren allein würde
Armee angehört hatte, wegen dieser Novelle vor ein mili¬
tastrophe furchtbar aus ihrem schwülen Traume aufgeschreckt.
n; die Todesursache bedeutet
tärisches Ehrengericht stellen. Es war nur konsequent, daß
Verwandt, aber tiefer greifend in der Empfindung ist der
rzweiflung, die in den Selbst¬
Schnitzler die Vorladung mit der Niederlegung seiner Charge
Einakter „Die Gefährtin“ die Geschichte eines Man¬
naufdringlicher Chorus der
nes, dem am Grabe der Gattin deren Untreue enthüllt wird: beantwortete, und sein Werk, das vor das Forum des gan¬
klassenen, ein alter Vorstadt¬
zen Volkes gehört, nicht vom Standpunkte einer militäri¬
die Entdeckung soll seine Trauer scheuchen und zerbricht
nnerlich Künstler, eine merk¬
schen Standesfrage beurteilen ließ.
seinen idealen Halt. Zu den feinsten seelischen Studien zählt
u Schillers altem Miller, der
Die beiden Bücher Schnitzlers, die in der jüngsten Zeit
die kurze Erzählung „Die Frau des Weisen“, eine
idet, und zu Hebbels Meister
erschienen sind, die Folge von Gesprächen, die er „Reigen“
Episode aus dem Tagebuche eines jungen Lebemannes. Der
ehr verstehl“ einer von den
betitelt, und das Versdrama „Der Schleier der Bea¬
der trotzdem sinnierend auf Begehrlichkeit des Gewissenlosen stellt sich da ein wunder¬
trice“ dürfen nicht in eine Linie gerückt werden: sie
Recht hat, der Jugend Rausch liches Hemmnis entgegen: der Gatte der leichtfertigen Frau
liegen weit auseinander im Werte, in Charakter — glück¬
damit eine nüchterne, targe hat dieser einst eine harmlose Liebelei mit demselben Manne,
licherweise auch in der Entstehungszeit. Wäre „Reigen“ wirk¬
rall unaufdringlich die Tragik der ihr nun ernsthaft gefährlich wird, verziehen. Sie weiß
lich Schnitzlers letztes Werk, so müßte man vor der Er¬
die Ehrbarkeit heucheln und nichts von dieser Begnadigung, der Liebhaber aber erfährt
nüchterung seines Talents erschrecken, an der Entwicklung
dürfnissen der Genußr enschen es mit stiller Bewunderung und dieses stille Verzeihen des
egenheit und Affektation, nicht Gatten umgibt die Frau, die durch keinen Tugendpanzer seines inneren Wesens verzweifeln — ja noch mehr, als
ger Naturen, die sich mit dem geschützt ist, wie eine undurchdringliche Wolke. Der Lieb= Schlußstein der ganzen bisberigen Produktion würde dieseh