VI, Allgemeine Besprechungen 2, Ausschnitte 1903–1906, Seite 14

neehe
ie Seren 190 eren enden ingn.
Leben erweckt hat. Aber sein
etwas Schönes . . . Und heute: „Aus is!“
Der „Reigen“ ist indes, wie gesagt, nicht von heute,
Knabe, dem seine Colombine
„Also haben wir voch recht gehabt!“ werden sich nun
während „Der Schleier der Beatrice“ unzweifel¬
Dann kommt Steinlen.
viele Leute sagen — denn, „recht zu haben“, darauf kommt
haft ein Hauptwerk Schnitzlers, seiner letzten Schaffenszeit
der vollgepfropften Omnibusse
es doch im Leben an . . . Leute aus dem Lande der Gottes¬
angehört. Dieses Drama ist ein im Grundtone hochgestimm¬
kleinen Mädchen, die, riesi
furcht und frommen Sitte werden es sich sagen, Leute, die
das Pariser Pflaster tänzeln
tes Werk, das auf einen übergang hinzudeuten scheint.
mit gemsbartversehenen Lodenhüten und Touristenjoppen zur
stadtgassen, in denen das Gesch
Schnitzler macht da zum ersten Male den Versuch, aus dem
Zeit der letzten Pariser Weltausstellung in der schweißtrei¬
Genremäßigen und Epigrammatischen herauszukommen und
Als dritter ist sodann L#
benden Atmosphäre unterschiedlicher Montmartre=Künstler¬
ein breiteres Weltbild aufzurollen. Die Renaissance, die
kalurist allerersten Ranges, b#
kneipen einherstiefelten, jedes Kabarett mit einem Fluche ver¬
gelegentlich schon wie durch eine Luke in seine kleinen Szenen¬
Scharfblicke für körperliche
ließen, der nach „Schwindel!“, „Humbug“ „Mumpitz“ oder
folgen hereinleuchtete, überglänzt da die ganze Breite der
Künstler demgemäß, welcher in
etwas Ahnlichem klang, um hierauf, ein, zwei Hausnummern
Szene. Ernste Kämpfe und Staatsinteressen werden in das
keine größere Lust kennt, als se
weiter, vom neuen 'reinzufallen
Toben der Leidenschaften hineingezogen und die Sprache,
ten voran, so abzubilden, wic
Freilich: das Montmartre der letzten Exposition
grillparzerisch angehaucht und dabei doch nicht ohne ori¬
Spiegeln unserer „Lachkabinet
universelle war gar nicht das eigentliche. Es war ein für!
ginelle Klangfarbe, erhebt sich im Verse zum glücklichen Aus¬
Und der Vierte ist Hen
die Fremden hergerichtetes.
drucke des Bedeutsamen. Sicherlich ist in diesem Drama
Huysmans des Montmartre,
Aber auch das „eigentliche“ Montmartre liegt im Ster¬
mehr Reichtum der Vorstellungen und der Charakteristik als
Der letzte Sproß des berühm
ben. Oder ist vielleicht schon tot. Herr Erich Klossowski
in irgendeinem vorhergegangenen Werke Schnitzlers, aber
schlechtes, der seine Modelle in
sagt es, ein Kenner der Pariser Bohème, wie man sich ihn
auch weniger Sicherheit der Technik, und wenn man näher
cafés findet, der seine Bilder
unterrichteter gar nicht mehr vorstellen kann. Und Herr
zusieht, auch noch keine überwindung der Motive, an die
schweifungen skizziert, der, ein
Klossowski, der ein Kritiker bester impressionistischer Manier,
die ganze dichterische Jugend des Autors gekettet erscheint.
Scheines, die tausend. Lächer
ja vielleicht ein Dichter ist, hat dem Leben auf der „butte“
Menschen verhöhnt und seine
Die tolle Sturmnacht der Schwelgerei, in die das anschei¬
flugs einen Epilog geschrieben, der als fünfzehnter Band
keit medizinischer Arbeiten habe
nend dem Untergange geweihte Bologna untertaucht, dient
der von Richard Muther unter dem Sammeltitel „Die
doch nur dazu, das alte Thema von dem „süßen Mädchen“,
sen in die Menge wirft.
Kunst“ herausgegebenen illustrierten Monographien im
Das ist die künstlerische B
ldas durch die Leidenschaft der Männer zweifach, durch über¬
Verlage Julius Bard in Berlin eben erschienen ist.
Montmartre.
schätzung und Verachtung, mißhandelt wird, noch einmal
Der Märtyrerhügel als Sammelpunkt moderner Kunst¬
(gründlich abzuhandeln. Der bedrohte Staat, der verant¬
Montmartre ist tot.
beflissenen zählt erst ab 1881. In diesem Jahre gründete
wortliche Herzog, das Tosen und Schwanken des Volkes,
Rodolphe Salis sein Kabarett „Au chat noir“, das Kneip¬
Das ist alles nur schöne Dekoration, diese ganze aufgewühlte
lokal „Zum schwarzen Kater.“
Welt dreht sich um ein kleines, sinnliches Geschöpf, das,
Dieser Salis muß ein närrischer Kumpan gewesen sein.]
halb Weib, halb Dirne, von großer Hingebung und klein¬
Des Hauptman
Etwas von Don Quixote, etwas von einem Jahrmarkts¬
lichen Begehrungen hin= und hergeworfen wird, bis es in
buden=Ausrufer und etwas von einem amerikanischen Trust¬
Skinze von Anton
seiner Gebrechlichkeit, die für die Freiheit nicht geschaffen
Kommandore up to date stak in ihm. „Gott hat die Welt
Deutsch von Stepha#
ist, zu Grunde geht. Die überreizte Leidenschaft des Poeten
und des Fürsten sucht in dem Kinde eine Größe, die das gemacht, Napoleon hat die Ehrenlegion gegründet, ich habe
Die soeben aufgehende Son#
Flitterwesen nicht aufbringen kann; unschuldig=schuldig geht Montmartre gemacht“ —so hat er sich selbst einmal einge¬
diese Heldin, die keine ist, an den Enttäuschungen der wilden schätzt. Die längste Zeit hat dieser Rodolphe Salis sein Le¬ Kreisstadt, die Hähne waren kau
aber in Onkel Rylkins Schen
Erotiker zu Grunde; der von ihr gefallene Schleier, das ben als mittelmäßiger Bücher=Illustrator fristen müssen.
der Schneider Merkulow, der
Symbol der Illusion, mit der sie der Männerblick umklei= Bis es mit dem Illustrieren nicht mehr recht vorwärts gehen
Kassenbote Smechunow. Alle di
dete, zeigt sie in der Nacktheit der weiblichen Instinkte, die wollte und er, ohne lang zu überlegen, Boulevard Roche¬
„Red' nicht! Red' nur nich
den Stürmen ihres Schicksals nicht gewachsen ist. Also im chouart 84, eine Kneipe aufmachte.
und hielt den Polizisten am Kn#
Was lag denn auch näher? Salis Papa war ein bie¬
tiefsten Grunde keine neue Welt: nur die zusammengefaßte
türlich einer aus den höheren
derer Schnapsbrenner und Brauer aus Chatellerault — um
Summe der Erfahrungen vom Weibe, die durch alle anderen
Schneider weit mehr als irgend
ein die Menge hypnotisierendes Aushängeschild war der
Dichtungen Schnitzlers hindurchgehen; daher auch der tech¬
z. B. einen Kammerherrn
nische Hauptfehler des Dramas, das ganz ähnlich wie Suder= Mann, der Poë illustriert hatte, nicht verlegen und voild
Welchen Rang nimmt er ein? 2#
manns Schauspiel „Die drei Reiherfedern“ daran leidet, dasMessieurs et Mesdames: Hokuspokus, eins, zwei, drei! —
Arschin Tuch von der besten Gatt
Interesse zu Beginn auf Vorgänge zu spannen, die bald Montmartre war geschaffen.
del und Söhne“, die Knöpfe, d
Ein zäher Geschäftsmann muß dieser Salis schon ge¬
Darauf der Teilnahme völlig entfremdet werden.
weißen Beinkleider mit den go
wesen sein. Unermüdlich nach neuen „Schlagern“ ausspähend.
Aber vielleicht liegt trotzdem in diesem in erhöhter dich¬
ganze Vorderteil, die Manschetten
Energisch bis zur Brutalität, wenn es sein mußte, verschwen¬
sterischer Tonart abgelegten Rechenschaftsberichte nicht nur
glänzt in Gold! Und wenn man
derisch mit Geld und Ehren, heute Grandseigneur und Row¬
ein Abschluß, sondern auch der Beginn einer neuen Periode
dy morgen. Sonst wäre diesem Rodolphe Salis wohl nicht meister, Stallmeister, Zeremonie##
Schnitzlers. Die Art, wie sich der mehr passive Held des
so ein Kraftstück gelungen, wie eines die seccessio der Künst=nister arbeitet ... Kannst du da
Stückes zum Schlusse über den wüsten Traum erhebt, um
ler aus dem quartier latin (dem klassischen Boden der nere mich, wie wir für den Hofn
sich im Entschlusse zur Tat wieder zu finden, scheint darauf
Schaunards und Musettes), nach Montmartre zweifellos nitsch Wonlarewski arbeiteten. Ei
hinzudeuten, und der angeschlagene Ton drängt gleichsam
gewesen war. Monsieur Rodolphe Salis war immer die Wenn man sie in Händen hält, h
zu einem neuen Gehalle hin ....
Und dann darf man die hohen
Seele seines Unternehmens — Salis Leibhistoriograph, der
Schnitzler ist heute einundvierzig Jahre alt, an jener
Chansonier Gabriel Montoya, hat es festgestellt, der aufhor= gen, wenn man für sie etwas nä
Lebensgrenze, die das alte Rom dem juvenis, dem Jüng¬
näht drauf los, anprobiert darf
chenden Nachwelt zu gebührender Kenntnis. Selbst keine
ling, steckte, nach unseren modernen Begriffen an der Schwelle
Künstlernatur, hat Salis doch Platz gemacht für andere, richtiger Schneider bist, mußt d#
sdes reifsten Mannesalters. Was er bisher geschaffen, gibt
ihnen Möglichkeiten bietend, sich schaffend zu betätigen. Einer daß es paßt. Gerad' so, als ob e
sihm zweifellos dichterischen Rang, aber doch nur einseitige
von den Unentbehrlichen also, ohne die keine Kunstbewegung, springen und in seine Stiefel hine
Bedeutung. Die echt österreichische, spezifisch wienerische
Selbstironie hat er mit großem Glück und Originalität auch die gesündeste nicht, gedeihen mag. In einem finsieren nere mich, in unserer Nähe war die
auf urmoderne Verhältnisse, auf das Spiel der Erotik, zwi= Loch, angefüllt, überfüllt mit allerlei Krimskrams: . .. ein und unser Meister, Ossip Jaklitsch
schen Gesellschaft, Halbwelt und volkstümlichen Kreisen an=zerschlissenes Meßgewand . . . japanische Waffen: dasmen aus, denen er die bestellten
Glas, aus dem Voltaire getrunken . . . ein Plakat Ché=] So holten wir uns einmal einen
gewendet. Dabei leuchteten und blendeten verschiedene Gaben,
form eines Grafen anzuprobieren
rets ... ein Fetzen indischer Seide ... der Schädel und
ein Esprit, der manchen vielgerühmten Franzosen übertrifft,
chen? „Zieh' an, Fratga, und fühl
die Flöte François Villons ... eine freche Bronzestatuette
eine große Schärfe satirischer Beobachtung, das Vermögen
in die Uniform hinein, und als
.. ein Türflügel im Stile Louis XIII. . . ein Gschnas¬
wirksamer und diskreter Farbengebung und mitunter die
sah, riß er die Augen auf, bega
Instrument —— in diesem Milieu hat Salis, Gonfalo¬
überraschende Fähigkeit, die Tragik der Opfer, die die ge¬
ohnmächtig
niere der Butte, Gentilhomme=Kabarettier, allmählich tont
sellschaftliche Heuchelei fordert, mit zu empfinden. An diese
„Habt Ihr auch für Polizein
Paris um sich versammelt, tout Paris, mit Ausnahme des
zuletzt genannte Gabe, die beste und höchste, knüpsen die
satten Philisters, dem allein der Eintritt verwehrt war. Da= sich Smechunow.
Hoffnungen für sein weiteres Schaffen an.
„Hälst du die etwa für wich
für standen vor „Chat noir“ in langer Reihe gar elegante
Aber es sind zunächst nur Hoffnungen. Wie er jetzt
burg laufen sie herum, wie unge
Equipagen. Da stieg die Marquise aus, um sich nach einem
dasteht, mit der vollentwickelten Kunst des epigrammatischen
zieht man ehrerbietig die Mütze
Dramolets und der psychologischen erotischen Novelle, ein langweiligen Souper ihre Nervenfrissons zu holen, der De¬
man: „Mach Platz, stehst mir ja
Diamantschleifer des kostbaren Einfalles, den Blick rastlos putierte, der Dichter und die Kokotte des Tages, der Laden¬
für Militär und für die ersten vi
schwung, der vielleicht soeben in die Kasse seines Chefs ge¬
auf das sexuelle Geheimnis der gesellschaftlichen Verirrun¬
sind Kunden! Gehörst du beispiels
griffen hatte, der Provinzler, der sich in Paris eine lustige
gen gerichtet, erscheint er zunächst in die Enge gebannt, die
dann kommst du gar nicht in Bet
er vertieft, aber nicht überwindet, mehr ein Virtuose, denn Nacht leisten wollte. Und allen, allen, nahm — non olet —
ist alles fertig; denn außer dem ###
ein Künstler von weitem und grokem Blicke, mehr eine Spe=Monsieur Salis ihr Geld ab. Als er sich (März 1897) zum