2. Cuttings
box 37/3
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin, Budapest, Chicago, Genf, London, New-Vork,
P’aris, Rom, Mailand, Stockholm, Christiania, St. P’etersburg.
(Quellenangabe ohne Gewähr.)
Ausschnitt aus: Neue Hamburger Zeitung
1904
vom:
Georg Busse=Palma.
— Moderne Essays. Herausgeber Dr. Haus Lands¬
berg, Gose und Tetzlaff, Berlin 1904. Hest 33:
APrhit Zdl
34—35: 0sberg. Hest
von Paul Müller. Heft 36:
[Maxim Gorki von Arthur Usthal. Hest 39—41:
Französische Rebellen. Abriß einer Geschichte des
Enthusiasmus in Frankreich von Paul Wiegler.
Aus der bekannten Sammlung von Hans Landsberg
liegen mir vier neue Arbeiten vor. Ich verbreite mich nicht
über Inhalt und Wert des Gesamtunternehmens, sondern
wende mich gleich den Einzelheiten zu.
Den Essay über Schnitzler hat der Herausgeber selber
geschrieben. Es ist nicht mehr dabei herausgekommen als
eine sprunghafte, oft geistreiche, oft auch nur blendende
Plauderei. Ueber die übliche biographische Methode, über das
Genie und über feminine Naturen, über die öste rreichische
Poesie im allgemeinen und über Arthur Schnitzler im be¬
sonderen gibts allerlei zu hören. Eilfertig hasten die Worte
vorbei. Bald sind sie beim Autor, bald bei seinen Werken;
dann beim Stoff, dann bei seinen Kunstmitteln; zuletzt sogar
bei seinen Lebensdaten (warum soll mans nicht auch einmal
umgekehrt machen?), nirgends verweilen sie, nirgends dringen
sie in die Tiefe. Munter geht das Geplätscher weiter. Es
hört sich gut an. „Ach so, sagt man, wenn man am Ende
ist und wundert sich. Unterwegs aber horcht man nie auf,
weil man Ungeahntes oder Bedeutendes erwartet. Haus
Landsberg gibt extensiv wie intensiv zu wenig.
Die biographische Studie über Gorki entstammt der Feder#
eines Deutsch=Russen. So nimmt es nicht wunder, daß der
Verfasser der Stoffwelt in den Werken des überschnell be¬
rühmt gewordenen Russen durchaus gerecht wird; nach jeder
Richtung hin. Anders dagegen steht es mit der ästhetischen
Auffassung und Weitung. „Biographien sollen keine Re¬
zensionen sein, darum muß die Liebe sie schreiben, steht in
Hebbels Tagebüchern. Das Wort richtet die vorliegende
Arbeit. Wohl konnten, ja mußten von der Modeberühmtheit,
die Gorki genießt, starke Abstriche gemacht werden, aber bei
Usthal ist denn doch zu wenig nachgeblieben. Vor allem geht
es nicht an, dem Autor aus seiner — angeblich! —
pessimistischen Lebensauffassung einen ästhetischen Vorwurf zu
machen, aus keinem andern Grunde als dem, daß man sie
nicht teilt. Tut man das, so offenbart man eine starke kurz¬
sichtige Befangenheit. Dies passiert, um nur ein Beispiel
herauszugreifen, Usthal dem „Nachtasyl“ gegenüber. Wer
meint, es in ihm mit nicht mehr zu tun zu haben, als mit
einer Zug für Zug photographisch treuen Milieustudie, der
sieht denn doch nur, was vor Augen ist, der hat das Blut¬
nicht gefühlt, das in dem Werke pulst, seinen pochenden
Herzschlag nicht vernommen. Das ist ein Einzelfall, aber er
ist typisch für das ganze Heft.
Hinter dem sicher nicht eindentigen Titel des extra starken
Heftes von Paul Wiegler verbirgt sich eine Aneinanderreihung
scharf geschnittener Silhonetten einiger der bedeutendsten Ver¬
Barrès,
treier des neueren französischen Schrifttums
Stendhal, Renan, Tame, Bourget seien genannt — geistvoll,
aber mit überstarken Pointen. Ich begnüge mich mit dieser
Ween
Anere
Augabe, um für die Betrachtung des vierten Hestes Platz zu
gewinnen.
Dies vierte Heft, das von Paul Müller über Hugo Wolf,
ist unzweiselhaft die weitaus bedeutendste der mir vorliegenden
Arbeiten. Es ist nur wenige Seiten stärker als das Heft des
Herausgebers über Schnitzler — kostet dafür freilich auch
50 Pfg. mehr — und doch in staunenswerter Weise um¬
fassend, ja soweit es auf so bescheidenem Raume möglich ist,
erschöpfend. Der Stoff ist straff und übersichtlich gegliedert.
Zunächst die geschichtliche Einreihung. Knapp aber schlagend
vird die ganze Entwickelung des Künstlers geschildert. Die
Werturteile durchaus verläßlich; immer, auch da wo sie ein¬
schneidend und absprechend sind, vornehm, sachlich, ehrfürchtig,
ie frivol=witzig pointiert. Dann eine Analyse der musikalischen
Gestaltung, die es dem genialen Künstler ermöglichte, sein
Ideal, dem Gedichte den prägnantesten Ausdruck zu geben,
zu verwirklichen. Leider bringt es die Natur der Sache mit
ich, daß sie heute doch noch mehr apologetisch als hymnisch
ausfallen mußte. Dann im Schluß= und Hauptabschnitte
hinein in die unendliche musikalische Welt. Wir wissen, daß
wir einen Führer nötig haber und merken schon nach wenigen
Augenblicken, daß wir keinen besseren wählen konnten.
Mörike=Band, Eichendorff=Band, Goethe=Band, Spanisches
Liederbuch, Alte Weisen, Italienisches Liederbuch, Corregidor,
Michel Angelo=Lieder, Mannel Veneges heißen die Stationen,
auf denen wir nacheinander Halt machen. Und dann? dann?
die Stimme unseres Führers zittert, unser Herz krampft sich
zusammen, wir wissen . .. das Ende ... Die Hände aber
finden sich zum Gelöbnis, durch heiligen Eifer des gewahigen
Vermächtnisses würdig zu werden, das uns — unverdient
Haus Fr.ck.
ward.
Da
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Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin, Budapest, Chicago, Genf, London, New-Vork,
P’aris, Rom, Mailand, Stockholm, Christiania, St. P’etersburg.
(Quellenangabe ohne Gewähr.)
Ausschnitt aus: Neue Hamburger Zeitung
1904
vom:
Georg Busse=Palma.
— Moderne Essays. Herausgeber Dr. Haus Lands¬
berg, Gose und Tetzlaff, Berlin 1904. Hest 33:
APrhit Zdl
34—35: 0sberg. Hest
von Paul Müller. Heft 36:
[Maxim Gorki von Arthur Usthal. Hest 39—41:
Französische Rebellen. Abriß einer Geschichte des
Enthusiasmus in Frankreich von Paul Wiegler.
Aus der bekannten Sammlung von Hans Landsberg
liegen mir vier neue Arbeiten vor. Ich verbreite mich nicht
über Inhalt und Wert des Gesamtunternehmens, sondern
wende mich gleich den Einzelheiten zu.
Den Essay über Schnitzler hat der Herausgeber selber
geschrieben. Es ist nicht mehr dabei herausgekommen als
eine sprunghafte, oft geistreiche, oft auch nur blendende
Plauderei. Ueber die übliche biographische Methode, über das
Genie und über feminine Naturen, über die öste rreichische
Poesie im allgemeinen und über Arthur Schnitzler im be¬
sonderen gibts allerlei zu hören. Eilfertig hasten die Worte
vorbei. Bald sind sie beim Autor, bald bei seinen Werken;
dann beim Stoff, dann bei seinen Kunstmitteln; zuletzt sogar
bei seinen Lebensdaten (warum soll mans nicht auch einmal
umgekehrt machen?), nirgends verweilen sie, nirgends dringen
sie in die Tiefe. Munter geht das Geplätscher weiter. Es
hört sich gut an. „Ach so, sagt man, wenn man am Ende
ist und wundert sich. Unterwegs aber horcht man nie auf,
weil man Ungeahntes oder Bedeutendes erwartet. Haus
Landsberg gibt extensiv wie intensiv zu wenig.
Die biographische Studie über Gorki entstammt der Feder#
eines Deutsch=Russen. So nimmt es nicht wunder, daß der
Verfasser der Stoffwelt in den Werken des überschnell be¬
rühmt gewordenen Russen durchaus gerecht wird; nach jeder
Richtung hin. Anders dagegen steht es mit der ästhetischen
Auffassung und Weitung. „Biographien sollen keine Re¬
zensionen sein, darum muß die Liebe sie schreiben, steht in
Hebbels Tagebüchern. Das Wort richtet die vorliegende
Arbeit. Wohl konnten, ja mußten von der Modeberühmtheit,
die Gorki genießt, starke Abstriche gemacht werden, aber bei
Usthal ist denn doch zu wenig nachgeblieben. Vor allem geht
es nicht an, dem Autor aus seiner — angeblich! —
pessimistischen Lebensauffassung einen ästhetischen Vorwurf zu
machen, aus keinem andern Grunde als dem, daß man sie
nicht teilt. Tut man das, so offenbart man eine starke kurz¬
sichtige Befangenheit. Dies passiert, um nur ein Beispiel
herauszugreifen, Usthal dem „Nachtasyl“ gegenüber. Wer
meint, es in ihm mit nicht mehr zu tun zu haben, als mit
einer Zug für Zug photographisch treuen Milieustudie, der
sieht denn doch nur, was vor Augen ist, der hat das Blut¬
nicht gefühlt, das in dem Werke pulst, seinen pochenden
Herzschlag nicht vernommen. Das ist ein Einzelfall, aber er
ist typisch für das ganze Heft.
Hinter dem sicher nicht eindentigen Titel des extra starken
Heftes von Paul Wiegler verbirgt sich eine Aneinanderreihung
scharf geschnittener Silhonetten einiger der bedeutendsten Ver¬
Barrès,
treier des neueren französischen Schrifttums
Stendhal, Renan, Tame, Bourget seien genannt — geistvoll,
aber mit überstarken Pointen. Ich begnüge mich mit dieser
Ween
Anere
Augabe, um für die Betrachtung des vierten Hestes Platz zu
gewinnen.
Dies vierte Heft, das von Paul Müller über Hugo Wolf,
ist unzweiselhaft die weitaus bedeutendste der mir vorliegenden
Arbeiten. Es ist nur wenige Seiten stärker als das Heft des
Herausgebers über Schnitzler — kostet dafür freilich auch
50 Pfg. mehr — und doch in staunenswerter Weise um¬
fassend, ja soweit es auf so bescheidenem Raume möglich ist,
erschöpfend. Der Stoff ist straff und übersichtlich gegliedert.
Zunächst die geschichtliche Einreihung. Knapp aber schlagend
vird die ganze Entwickelung des Künstlers geschildert. Die
Werturteile durchaus verläßlich; immer, auch da wo sie ein¬
schneidend und absprechend sind, vornehm, sachlich, ehrfürchtig,
ie frivol=witzig pointiert. Dann eine Analyse der musikalischen
Gestaltung, die es dem genialen Künstler ermöglichte, sein
Ideal, dem Gedichte den prägnantesten Ausdruck zu geben,
zu verwirklichen. Leider bringt es die Natur der Sache mit
ich, daß sie heute doch noch mehr apologetisch als hymnisch
ausfallen mußte. Dann im Schluß= und Hauptabschnitte
hinein in die unendliche musikalische Welt. Wir wissen, daß
wir einen Führer nötig haber und merken schon nach wenigen
Augenblicken, daß wir keinen besseren wählen konnten.
Mörike=Band, Eichendorff=Band, Goethe=Band, Spanisches
Liederbuch, Alte Weisen, Italienisches Liederbuch, Corregidor,
Michel Angelo=Lieder, Mannel Veneges heißen die Stationen,
auf denen wir nacheinander Halt machen. Und dann? dann?
die Stimme unseres Führers zittert, unser Herz krampft sich
zusammen, wir wissen . .. das Ende ... Die Hände aber
finden sich zum Gelöbnis, durch heiligen Eifer des gewahigen
Vermächtnisses würdig zu werden, das uns — unverdient
Haus Fr.ck.
ward.
Da