VI, Allgemeine Besprechungen 2, Ausschnitte 1903–1906, Seite 21

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2. Cuttings
Voltsgenossen ermahnten, rähiges Blarze —u2chin.: Wahlen statlsinden, so mußte es jeden Oest¬
Der Stadtrat hat das Projekt Fronz abgelehnt, welche ruhig blieben bei dem Gedanken, daß in reicher und namentlich die Deutschen in Oest
Hugo bei uns Christian Friedrich Grabbe und im schroffsten Form, um sich sieghaft durchsetzen zu können. Und wieder
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Gegensatz zu ihm Karl Immermann um die deutsche mehr sich selbst als der Welt gegenüber. Hebbel hat sicht
#0 „Seuilleton.
seinen inneren Menschen, als das Produkt einer
Palme; Büchner, Gutzkow und vor allem Laube rangen
gärenden Zeit, durch das Drama erobert, hat einen
dann um die Führung, Robert Prutz, Rudolf Gottschall,
Das deutsche Theater im 19. Jahrhundert.
Erkennungsprozeß des modernen Menschtums als Drama
Karl Griepenkerl, Mosen, Krusen, Nissel schlossen sich ihnen
Seit Grillparzer finden wir als Ziel der Entwicklung
aus sich heraus projiziert. Daß diesem Produkt chaotische
an. Und doch ist das Drama in dieser Periode nur von
im Drama die Verschmelzung der in ihrer Grundstimmung
Hebbel auf der Bahn der Entwicklung weitergeführt Schlacken anhaften mußten, war auf dem halberhellten
lyrischen Dramatik Goethes mit der gedanklichen Schillers
worden. „Die ganz ungewöhnliche persönliche und geistige Wege, den er selbst ging und den die zu seiner Zeit vor¬
und in ihrer weiteren Behandlung im Sinne Shakespeares.
Entfaltung dieses Dichters begünstigte zwar keineswegs eine handene und in mannigfacher Umwandlung begriffene Er¬
Auf diesem Wege kommt Martersteig zum Musikdrama,
scharfsichtige Wahl, die Entwicklung etwa dort anzuknüpfen, kenntnis darstellte, unvermeidbar. Und lange genug hat
allerdings erst nach einem langen Kapitel, das von der
man dieser Schlacken willen den Dichter als einen grotesken.
wo das Drama seinen letzten Höhepunkt in der Eigenart, der
Verirrung des deutschen Dramas und der historischen
Sonderling behandelt. Hebbel aber blieb der Hauptsache nach
auch Hebbel zuneigen sollte, erreicht hatte. Zu Schiller stand
Oper handelt. Wir sind in jener Zeit, in der eine Fülle
unverstanden und ohne weiteren bildenden Einfluß auf die
er in einer Verehrung bezeichnenden Entfernung; Shake¬
neuer Aufschlüsse, die von den Gebieten der Biologie,
speare und Kleist trat er erst später als Dramatiker nahe, nächste Entwicklung des Dramas; denn Otto Ludwig
Anthropologie und Physiologie der Weltbetrachtung
als der Lyrik Uhlands und Goethes, der reichen Gefühls= steht neben ihm nur wie der nacheifernde, aber den
zugeflossen ist, in einer Zeit, wo die literarisch¬
welt Jeans Pauls und der romantischen Phantastik Tiecks. Lehrer nicht selten mißverstehende Schüler, Halm,
poetische, die künstlerische Behandlung des Menschen und
Er sah mit fast unsehlbarer Schärfe zwar jede eigentümliche Redwitz, Deinhardstein, Mosenthal, Bauernfeld, Hackländer,
seiner Stellung zur Natur und Gesellschaft einen be¬
Schönheit und Größe der echten Dramatiker; aber sie Charlotte Birch=Pfeiffer sind nur Erscheinungen, Gustav
merkenswerten Wandel erfuhr, in der Zeit der Helden
lockte ihn zunächst nicht zur Nachahmung oder Fortsetzung. Freitag aber hat sich nur einmal zu einer dramatischen
Jung=Deutschlands und des Liberalismus. Diese Helden
Vielmehr Anregungen empfing sein Trieb: das Verhältnis Tat aufgerafft; Anzengruber ragt aus dieser Periode her¬
waren ausgezogen, den Romantismus zu vernichten, blieben
seiner Seele zu der wunderlich engen und fast grotesken vor, deren Endziel Wagner heißt; Wagner ist aber auch
aber im Grunde doch selbst Romantiker reinsten Blutes,
Welt, die ihn umgab, zu objektivieren, von der Lyrik vielleicht der einzige Fehler Martersteigs, weil er das
weil der Roman der Revolution ihren Blick trübte. An
Wagnersche Musikdrama nur als Reflex der politischen Er¬
und der Novelle romantischer Färbung. Daneben drängte
ihrer Spitze stand Börne, der erste Journalist großen Stils,
hebung Deutschlands hinstellt. Die politische Oekonomie mag
ein mythisch-religiöses Element zum Ausdrucke. Die volks¬
der über alles schrieb, auch über das, was er nicht ver¬
von immanenten Gesetzen beherrscht sein, in der Kunst#
tümliche Weise Uhlands zu einer vertiesteren, aus den
stand, mit seinem Haß gegen Goethe und seiner suffisanten
und in der Dichtung liegen die Dinge denn doch anders.
mystischen Quellen schöpfenden Empfindung zu gestalten,
Aburteilung über Schiller, mit seinem höchst einseitigen
Goethe in der Dichtung, Wagner in der Musik, Böcklin in
hat Hebbel lange als Ziel vorgeschwebt. Als er aber,
Kunstverständnis für die ganze Richtung seiner Anhänger
der Malerei sind Erscheinungen, die als solche keine wesent¬
heranreifend, auf eigenen Wegen des Erlebens die proble¬
bestimmend.
lichen Berührungspunkte mit ihren Zeitgenossen aufzuweisen
matische Beschaffenheit der Welt in einem ungeheuerlichen
Um diese Zeit bemühten sich wie in Frankreich Viktor
und dauernd aufgewühlten persönlichen Schicksal erfuhr und haben und daher einem klug erdachten System als Grund¬
er das Leben als einen Kampf mit sich selbst und um sich oder Schlußstein nicht einzufügen sind. Am allerwenigsten
Siehe „Wiener Morgen=Zeitung“ Nr. 306 vom
selbst erkannte, wurde das Drama für ihn die zwingende aber bedeutet das Wagnersche Musikdrama das höchste Ent¬
4. November.