VI, Allgemeine Besprechungen 2, Ausschnitte 1903–1906, Seite 22

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2. Cuttings


wicklungsstadium der dramatischen Dichtung, weil ja das bleme, die Gegenwart würde ihn als den größten Dramatiker] Fanny und Therese Elßler, Fichtner, Julie Rettich,
Musikdrama, da es doch alle Kunstwittel der Gegenwart in der modernen Welt erkennen müssen und die Zukunft ihn Karl Seydelmann, Heinrich Marr, Karl Laroche, Theodor
sich vereinigt, immer nur nach einer Richtung dem Dra= als diesen bestätigen.“ Freilich darf man nicht, wie es Döring, Karl Berndal, Ernst Krause, Heinrich Oberländer,
matiker als Wegweiser dienen kann. Wagner ist, und da hat
gelan worden ist, den älteren Ibsen der mittleren
Friedrich Haase, Ludwig Pauli, Friedrich Jost, Bogumil
Martersteig entschieden recht, an sich eines der mächtigsten,
Periode gegen den letzten ausspielen. Der Streit Dawison, Emil Devrient, Hermann Hendrichs, Ludwig Dessoir,
ethischen Phänomene des Jahrhunderts, vielleicht das
um Ibsen bedeutet ja nur die alte strittige Frage,
Hoppe, Pooth, Lehfeld, Karl Devrient, Bernhard Bau¬
mächtigste, aber ein Phänomen — kein Begründer einer
ob es namentlich im Drama genug sein dürfe, zu zeigen,
meister, Dr. Förster, Josef Wagner, Liedtke, Lewinsky,
neuen Welteinsicht. Er ist vor allem der reifste Dramaturg
was ist, die Stützen des Gesellschaftsbodens als wurzelkrank
Sonnenthal, Scholz, Treumann, Rott, Neumann, Beck¬
nicht nur des Jahrhunderts, sondern des gesamten neu¬
aufzudecken oder doch wenigstens den klaren, überzeugenden
mann, Meixner, Thomas, Lang, Hassel, Schöne,
zeitigen Theaters, aber sein Werk ist nicht der Schlußstein
Aufriß zu einem solchen vorzulegen. Strindberg, der andere
Geistinger, Gallmayer, Birch=Pfeiffer, Blumauer, Neumann,
irgendwelcher Entwicklung.
Skandinavier, Hauptmann, Sudermann, den Martersteig
Seebach, Bognar, Wolter, Goßmann, Baudius, Otto
Das jüngste Deutschland, wie wahrscheinlich dereinst
mit Kotzebue vergleicht, entscheiden sich für Ibsen. Ihnen
Devrient, Robert, Matkowsky, Barnay, Wessely, Agnes
die literarisch=künstlerische Trägerschaft dieser Bewegung ge¬
entgegen wirkt der romantisch=liberale Björnson und seine Sorma, Mitterwurzer, Kainz, Engels, Alexander, Dreher,
nannt werden wird, schielte vor allem, trotz aller Klagen
Schar, während Tolstoi für die Naturalisten ein Vorbild
Antoine, Rittner, Lehmann, Sauer, Reinhardt, Nissen,
über das französische Unsittendrama, nach Frankreich: Paul
wurde. Wolzogen und Hartleben nennt Martersteig noch
Hohenfels, Barsescu, Sandrock, Medelsky, Duse, Reimers,
Lindau, Bürger recte Lublimer, L'Arronge, Blumenthal,
nicht geklärte Dramatiker, während er über die Arbeiten
Mar Devrient, Gimnig, Reinhold, Pospischil — sie fanden
Kadelburg, Wichert, Rosen, Schönthan, Philippi führt das Otto Ernsts den Stab bricht. Schnitzler, der Verfechter der
alle ihr verdientes Plätzchen darin.
Buch nur namentlich an. Aus der Zeit der Verirrungen ragt freien Liebe, hat nach dem Verfasser seinen Weg noch nicht
Mag auch die Darstellung der einzelnen Strömungen
die mächtige Erscheinung Anzengrubers in diesen Zeitraum, jenes gefunden, während er Bahr als Dramatiker und Kritiker
nicht immer eine gleichwertige und rein objektive sein, so
Dichters, der trotz des beschränkten Genres seiner Muse einen anregenden Experimentator nennt; beide aber kün¬
ist dies eben in der Geistesrichtung des Verfassers gelegen.
die wertvollste künstlerische Kraft der Uebergangsepoche ist.
digten die in Frankreich schon vorgeschrittene Reaktion gegen
Ein Anhänger des Naturalismus oder gar der neuesten
Ganghofer, Hermann v. Schmid, Karlweis, Langkammer,
den Naturalismus, Zolaismus an, nämlich den Mystizis¬
idealistisch=neuromantischen Richtung wäre seinen Antipoden
Langmann, Burckhard lehnen sich an ihn an. Wildenbruch,
mus und Monisuus und in Verbindung mit dem Impres¬
gewiß viel weniger gerecht geworden. Es liagt eben in der
Greif, Liliencron, Schack, Bulthaupt, Saar, Hanstein sionismus die neuromantische Kunst der letzten Zeit, der
Menschennatur begründet, daß selbst der ehrlichste Kritiker
wählten das nationale, Paul Heyse, Wilbrandt das
Oskar Wilde, Bernbard Shaw, Annunzio, Maeterlinck und
einzelne Erscheinungen unbewußt aus dem Gesichtswinkel
psychologische Gebiet. Und nun erscheinen Ibsen und
Hofmannsthal angehören.
des Parteimenschen betrachtet. Daher stellt er die Kunst
Leo Tolstoi mit ihrem Gefolge. „Wäre Henrik
In der Charakteristik der ausübenden Künstler, in der
Mitterwurzers höher als die Kainz', daher legt er den
Ibsen in jeder Schöpfung seines reichen Lebenswerkes
Würdigung der realen Verhältnisse, in denen sich die ein¬
strengen Maßstab an Laube an, gesteht dus aber selbst zu,
der siegreiche Meister der Kunst, als den er in einigen
zelnen Theater entwickelt haben, hat Martersteig mit diesem
und bezeichnet das freie Ausleben der dichterischen Inhivi¬
Würfen sich zeigt, wäre er stets so glücklich in der Formung
Buche geradezu alles andere überboten. Jeder Künstler hat dualität ohne Rücksicht auf eine Schule, Moderne, Hyper¬
des Gefäßes, wie er hellsichtig ist beim Schürfen nach ver¬
hier sein Denkmal, die Tragödin Sophie Schröder, ihr
moderne, Realismus, Idealismus, auf eine Klique oder gar
borgenen Gängen der das Leben bewegenden Elemente,
Wiener Schüler L. Costenoble, ihre Tochter Wil¬
ein Vorbild als einzige und beste Garantie für die Zukunft
im Entdecken versteckter Quellen der physischen und seelischen
helmine, Ferdinand Eßlair, Sophie Müller, Ludwig des deutschen Dramab.
Triebe, verwegen im Erfassen der meist gemiedenen Pro= Devrient, Karoline Lindner Henriette Sontag,
Heinrich Rottenberg. ##