VI, Allgemeine Besprechungen 2, Ausschnitte 1903–1906, Seite 31

2. cuttings
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Mioden — Dir der e eeche
zeigt auch sein jüngstes, stärkstes Werk, ist heimatlos. Sie
hat kein Blut. Weil Blut ihre unerfüllte Sehnsucht ist,
redet Hugo v. Hofmannsthal immerwährend vom Blut,
in jeder Zeile vom Blut. Als ob Blut seine gespenstische
Sprache erlösen sollte. So sangt er sich an Goethe fest,
um eine Heimat zu gewinnen; denn wie das Gespenster¬
schiff mit blutroten Segeln treibt seine Sprache durch die
Welt. Er könnte mit Viktor Hugo oder mit d'Annunzio
den Ursprung teilen, auf der Insel Rügen oder in
Brasilien geboren sein. Seine Sprache wirft den lastenden
purpurnen oder schwer mit Gold bestickten Prunkmantel
um; wir vernehmen sein Rauschen, wenn er sich bläht
und bauscht. Aber es ist kein Leben darin. Ein Gespenst,
braucht seine Sprache Träume, Visionen, Nacht, Schlüfte,
Oede, die dunkelsten, untermenschlichen Triebe, um uns
zzu beschleichen und zu erdrücken. Eine Sprache mit innerer
ebendiger Kraft wird Bilder nur in großen, feierlichen
Momenten herbeiholen. Bilder sind Feste der Sprache.
Hugo v. Hofmannsthal schreitet immer im Festornat ein¬
ber, immer Großkordon, Hochmeister, Prophet, Seher,
Magie, Dämpse, Opferrauch, Rituale. Hinter jedem Wort
steht der Festordner oder der Regisseur, der ein Bild stellt.
Diese Bildersucht im gierigen Greifen nach dem Ent¬
rgensten verschuldet eine peinliche Verquickung von
Bildern: „Dein Blut soll blüh'n in einer Brut von
Adlern (nicht genug!) aus Feu'r geboren, oder: „Sein
Leib, mit Schwerterhieben blutend aus dem Mutterschoß
der Nacht herausgehau'n, steht hier.“ Wie wird in den
ausschweifenden Hofmannsthalschen Vergleichen der Zweck
des Bildes verkannt und verkehrt!
„Wo sich der Seele in der Opferne#ht
Die schwere funkelnde Milchstraße nieder
Wie eine Wünschelrute biegt, und sie
Die Seele dir, der eigenen Kraft erschrocken,
Hinuntertauchen in sich selber will
Und spürt, hier ist kein Grund: dem Weltmeer ist
Ein Grund gesetzt — ihr nicht...
Wem wäre die Milchstraße je schwer erschienen und
gerade mit einer Wünschelrute vergleichbar? Und welch'
merkwürdige Tätigkeit wird ihr zugesprochen! Hugo von
Hofmannsthal entsinnlicht die Vorstellungen, die das Bild
versinnlichen sollte. Da rede man nicht von einem Meister
der Sprache. Hier ist Schwüle und Schwulst.
Man möge es mir nicht verdenken, daß ich bei dem
Oedipus von Hugo v. Hofmannsthal eher an die
Schwulstdichter Hofmann v. Hofmannswaldau und Daniel
Kaspar v. Lohenstein (1635 bis 1683) als an Sophokles
gemahnt werde. Also Oedipus:
„Versteh doch, was mein Mund sich krümmt zu sagen.“
Oder:
„Ich könnte wähnen, daß ich diese Nacht
Die Tat getan hab', die vom zuckenden
Gefild des Himmels sich mit seliger Hand
Die Lebensblume reißt!“
Oder Kreon:
„O bodenloser Abgrund, wenn das Zeugende
Des tief geheimen Denkens mir zu Jnnerst
Mit solcher Untraft mir vergiftet ist
Und in so fahlen Träumen seinen Atem
Ausläßt, daß mir vor Ekel übel wird.“
Nun lese man im Ibrahim des Lohenstein:
„Die heftige Begier,
Mit der er unser Herz, als ein erhitztes Tier
Blutdürstig angefallen, wird nicht so bald verglommen
Zu toter Asche sein.
Und weiter:
„Ist dies das schöne Mahl, auf dem man unser Blut
Vermischt mit Speis' und Wein in die Kristalle tut ...
Verbrennt und löscht mit mir den Blutdurst eurer Zunge!“
Am Anfang, im Prolog:
„O. die Glieder triefen
Voll Ungst=Schweiß! Ach des Achs! Der laue Brunn
Der dürren Adern schwellt den Gischt der Purpur=Flut!
Mein Blutschaum schreibt mein Elend in den Sand.
Und:
„Sei verflucht,
Aus meines Todes Schweiß heraus verflucht.
Dann lesen wir:
„Eutliefst du, als er wollt
Aus Kot und Asche dich auf Stuhl und Eh'=Bett heben?“
Und:
„Wer einen Haufen Kot
Vom Boden aufnimmi, hält in seiner Hand
Doch eiwas, wer dich hält, der hält ja nichts.“
Endlich:
„Wenn wir den Kopf gesteckt
Zur Erden, dann zieht zu, daß wir in eigenem Bade
Ersaufen unsres Bluts“ ... (Trompeten.)
Und: