VI, Allgemeine Besprechungen 2, Ausschnitte 1903–1906, Seite 51


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— aus Nähren und Schlesien..

Samstag den 16. November 1907.
57. Jahrgang.

Nichtdichter, die auf unseren Bühnen die größten Erfolge
Verfasser, wohin er es haben wollte, weinte und lachte, zit¬
Volkstheater.
ernten. Die Menschen im „Schützling“ sind gut gesehen, gut
terte und dachte mit ihm, nach seinem Wink. Allerdings
beobachtet und gut charakterisiert; sie sollten zur Verstär¬
ans und Salten.)
faßt Salten den Zuschauer viel derber an als Lémaltre. So
kung der Wirkung nur etwas weniger reden. Allein in diesen
ilhelm v. Wymetal.
egergisch, daß man nachher beinahe böse wird und gegen
Reden finden sich wiederum so kluge, ganz unauffällige und
Lebenswahrheit wie Bühnenwahrscheinlichkeit seiner Fi¬
ücksfällen war dem Deutschen
versteckte Bemerkungen über das Interessanteste, was wir
guren starke Bedenken empfindet. Solche Bedenken kommen
tens Einakterzyklus „Vom
erforschen, über den Menschen, daß wir Strichen mit Ban¬
aber nicht, solange die Figuren auf der Bühne agieren, weil
äuschvoller und nach unge¬
gen entgegensähen. Der vielfach verschleierte, ungeklärte
man gespannt und interessiert, ganz in ihrem, in ihres
heinlich auch nachhaltiger Er¬
und unbewußte Egoismus, der über einen jeden von uns
Schöpfers Bann steht.
Mißerfolgen kam der erste
herrscht und gebietet, oft ohne daß wir davon das geringste
Ein Mensch, der sich zum Herrn bestimmt fühlt, wird
herwartet, der erste ganz, der
wissen, wollen, ahnen, dieses von Nietzsche und älteren Ten¬
als Diener geboren. Der Kellner Josef Wessely. Aber er
Es ist totsicher: wäre Monsieur
kern so oft betonte „Volo, cupio, avco etc., ergo sum!“
albeitet sich empor. Schritt für Schritt. Bis er zu dem er¬
riser Charakterspieler vom
ist durch „La massière“ durch glücklichste Exemplifizierung
rungenen Vermögen die Papiere eines im Elend verstor¬
mit einer schlecht zusammen¬
in ein Kunstwerk umgesetzt worden. Leider verschwendete
benen Aristokraten kauft und als eleganter, schöner, tadel¬
gekommen und hätte den wan¬
haller als Vater Marèze seine tiesdringende Kunst,
loser „Graf Festenberg“ die Komtesse Laurentin hei¬
den alten Marèze in Jules
Lili Marberg als Juliette ihre Schönheit und ihre dis¬
ratet, die er vor Jahren, noch als Kellner, kennen und lieben
omédie „La massière“ vor¬
krete Anmut vergebens an ein Publikum, das seinen schlech¬
gelernt hat. Am Ziel seines Lebenskunstwerks wird er von
nderung der Snobs groß und
ten Tag hatte und nicht mitgehen wollte.
einem eifersüchtigen Cousin seiner Frau gestürzt, als Hoch¬
heiten des Dialogs und der
Mit größerer Berechtigung konnten sich die Gäste des
stapler der Polizei ausgeliefert. Aber noch in den letzten
ohne Grenzen gewesen, wie
Volkstheaters gegen das Rühr= und Tendenzstück „Aller¬
zehn Minuten vor Ankunft des Kommissärs zeigt er in der
e“ von Suzanne Désprès
seelen“ von Hermann Heijermans wehren. Es ist
Erzählung dessen, wie alles kam. mehr Vornehmheit und
. Weil „La massière“ aber
heute über jeden Zweifel hinaus entschieden, daß Heijermans
persönlichen Adel als der Cousin, dem die Gräfin zuletzt
eß und weil „nur“ unser vor¬
die Hoffnungen auf reichen Segen, die man nach seinem
nur ein verächtliches: „Du Schuft!“, zuschleudert. Der Kell¬
reise Kunst in den Marèze
Eintritt in die Literatur auf ihn setzte, nicht erfüllt hat und
nergraf hätte es leicht gehabt, den gräflichen Namen gesetz¬
nden die Komödie konstruiert
nie mehr erfüllen wird. Heijermans ist einer mehr aus der
lich zu erhalten; von der fast ausgestorbenen Linie der
it dem redlichen Stück Arbeit,
großen Zahl jener Beklagenswerten, die durch einen, mehr
Festenbergs lebt nur ein alter Spieler in Monte Carlo, der
ohne Erbarmen fallen. Arme,
dem Zufall als eigenem Können geschuldeten glücklichen
unseren Mann öfter angepumpt hat und gewiß auch gern
el Sie fragen, was das ist,
Wurf die Blicke der nach einem dramatischen Messias sehn¬
adoptiert hätte
.. Das Thema dieser Komödie ist ganz
Nädchen, das dieses Ehrenamt
suchtsvoll auslugenden Menschheit auf sich lenkten und dann
und gar nach Saltens Herzen, der, selber Selfmademan und
einer das nämliche fragenden
unter ihrer Aufgabe und unter den fragenden Blicken er¬
Autodidakt, sich in verschiedenen Berufen betätigt und aus
e éleve chargée de garder
schöpft zusammenbrachen. Die Fischertragödie „Die Hoff= eigener Kraft den Namen des brillantesten Wiener Jour¬
giment, de distribuer les
nung auf Segen“, die ihren Siegeszug zu einer Zeit an¬ nalisten neben Bahr erworben hat. Hinterher entdecken wir
ordre etc.“ Diese Erklärung
trat, wo der Naturalismus und seine Vertreter bereits zu wohl, daß diese Eheschließung, ebenso wie das untadelige
sten Szene des ersten Aktes,
weichen begannen, ließ eine Nachblüte, eine Nachernte er¬
Benehmen des Kellners, seine Aphorismen und die Abley¬
des berühmten Malers Ma¬
hoffen. Doch ward diese Hoffnung enttäuscht. Alles, was
nung eines ihm angebotenen Rittergutes recht unglaub¬
nist. Unter seinen zahlreichen¬
Heijermans nachher aus dem kleinen Holland ins große
würdig#nd#theatralisch sind. Noch stärker sind unsere Hin¬
puy sein Liebling und sie ge¬
deutsche Land sandte, versagte, war null und nietenhaft.
terher=Erwägungen nach dem zweiten Stück, betitelt „Der
Vertrauensstellung. Sie führt
Mühsam und mühselig versuchte Heijermans, die launische
Ernst des Lebens“ Ein berühmter Arzt, nebenbei ein
Rethode des Meisters ein, sie
Menge, deren berauschenden Jubelruf er einmal verkostet
richtiger Plebejeremporkömmling, stellt seinem aristokrati¬
Meisters mit seinen anderen
hatte, neuerdings zu zwingen. Dabei schreckte er vor keinem
schen Schwager, einem genießenden Lebenskünstler, die
er Abwesenheit die Oberauf¬
technischen Mittel zurück. Einmal probierte er es mit einem
Diagnose, daß er nur noch sechs Monate zu leben habe und
f auch zweimal in der Woche
noch konsequenteren Naturalismus; umsonst! Das Publi¬
will dem Zerschmetterten etwas von sittlicher Kraft und
Privatwohnung besuchen und
kum zog sich vor der Absichtlichkeit verstimmt zurück. Dann
männlicher Gefaßtheit vorschwätzen. Daraufhin sperrt der
erinnen zur Korrektur vor¬
versuchte er es mit einer, bei der durchschnittlichen liberalen
Aristokrat das Zimmer ab, nimmt seinen Revolver heraus
und schlägt sich mit Stunden¬
Theatermenge und der durchschnittlich liberalen Theater¬
und eröffnet dem Schwager, er werde ihn binnen fünfzehn
Pelt, zugleich sich, ihre verwit¬
kritik eines gewissen Wohlwollens sicheren Tendenz und
Minuten niederschießen, um dieses „Gefaßt=Sterben“ von
hen Bruder versorgend. Aber
benutzte die Schaubühne, um auf ihr Freisinn und Auf¬
ihm zu lernen. Natürlich bricht der Phraseur jämmerlich
und fröhlich und das gefällt
klärung zu predigen. Aber auch das schlug fehl: dem un¬
zusammen und der vom Schicksal zum Tod verurteilte Ari¬
n fünfundfünfzig Jahre auf
gebetenen, unerwünschten, unzeitgemäßen Vorkämpfer wurde
stokrat läßt ihn achselzuckend laufen, als die Uhr die Vier¬
Peib sowie einen erwachsenen
klar gemacht, wie weit der Abstand zwischen seinen gutge¬
telstunde schlägt. Für den Zuschauer ist diese Viertelstunde
te es ahnt, unterstützt Marèze
meinten, jedoch schlechtgelungenen Produkten und einem
so aufregend, so nervenrüttelnd, so furchtbar, daß einzelne
durch den fingierten (aus
weisen Nathan sei, worauf ihm die Tür gewiesen wurde.
Frauen dem Theater entflohen. Wenn aber die Gefahr vor¬
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