VI, Allgemeine Besprechungen 2, Ausschnitte 1903–1906, Seite 76

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(Quellenangabe ohne Gewähr.)
Dea
* Ausschnitt aus:
rankfurter Zeitung
3. MAl. 1908.
E vom:

V 4

Bücherbesprechungen.
Poetische Individualitäten.
Paul Heyse — Max Haushofer — Arthur
Schnitzler.
von Lud (München).
Sie scheinen wenig Gemeinsames zu besitzen, die drei Brü¬
der in Apoll, die hier neben einander stehen. Nun ja, zunächst
bindet sie beim hentigen Anlasse der Zufall gleichzeitigen Er¬
scheinens der sie schildernden Studien zusammen (Paul
Heyse. Von Viktor Klemperer. Moderne Geister.
No. 4. Berlin 1907. Pan-Verlag. 101 S. — Max Haus¬
hofer der Dichtor. Von Oskar Hey. M. dem Bild¬
nis Haushofers, Handschriftenprobe und einer Ansicht von
Frauenchiemsee. Stuttgart 1907, J. G. Cotta Nf. 47 E. — Ar¬
thur Schnitzler. Eine kritische Studie über seine her¬
vorragendsten Werke. Von Alexander Salkind. Berlin
1907. Modernes Verlagsbureau Curt Wiegand. 130 S.). Paul
Meyse, Max Haushofer Arthur Schnitzler sind. Poeten, die
jeder durchaus eigene Bahn gewandelt, die als Männer ihrer
Ideen- und ästhetischen Ueberzeugung nie rechts, nie links ge¬
blickt, die unumwunden dem Fortschritte der Menschheit hul¬
digen und ihm, ohne sich irgendwie zu Tendenzliteraten, ihre
Muse zur Magd der Tageslaune zu erniedrigen, auch ir
höheren Sinne mit der Feder dienen als der Normal
Auch finden alle drei in süddeutscher Sphäre ihre
Befriedigung: Haushofer als Oberbayer, Schnitzl
der Kaiserstadt an der Donau, der nun 78jährig
54 Jahren in München, wo einst der Jüngling
durch Geibel veranlaßten Rufe König Max II. f.
struieren wir keine künstlichen Analogien. Doch
der Lektüre jener neuesten Würdigung des fruchtb
Heyse, des tiefbohrenden Humanisten und fweiser
apostels Haushofer, des kühn anpackenden, der Ge
mer wieder (auch wo er die Vergangenheit repro
Puls fühlenden Schnitzler herkomme, dünkt miel
sichtige Parallele zwischen diesen drei in Strehen
grundverschiedenen Charakteren mannigfach Jehr: un
gebnisreich.
Die Charakteristiken jener drei Dichtergestalten
wir bekommen da nicht etwa registrierende und erz
Biographien — aus der Hand hingebender,
bei aber kritischer Porträtisten, weichen
Jage und des Verfassers Fähigkeit stark
meisten entspricht den Anferderungene
terfeis das verhältnismäßig dünne H
trotz seiner persönliehen Zutunlichkeit un
krolog (auf den Tod seines Helden, 9. April
Darstellung zurück) erklärlichen intensiveren Wärn
tät die prüchtige Figur Max Haushofers wunder
hinstellt, in all mrEm edien Wollen, ihrer ruhelosen !
80 bewußten Sehnsucht ihrer gemütvollen, ore mie Hun
brämten Phantasie. „Der ewige Jude“, „Unhold, der
mensch“, „Geschichten zwischen Diesseits und Jenseits
Verbaunten, „Planetenfeuer“, „Prinz Schnuckelbold“
ben kleinere Erzeugnisse rücken da vor unser Augé'ej
ken und großen Dichter, der sogar gut literaturber
Zeitgenossen leidor nur vom Hörensagen bekanr
vielen Handbüchern völlig entgangen ist. Gerade
Sprung-, fast Aphorismenhafte der Heyschen Darlegung
vieht zu der stilsicheren und überaus svmpathischen Eigenart
Haushofers hinan, die sich zwar nicht leicht, aber dann, wie
man weiß, um so nachdrücklicher eröffnet, und möge ihr, der
ausgesprochenen Absicht gemäh, ehrliche Freunde erwerben:
hoher Genuß und nie oberflächliche Anregungen belohnen je¬
nen, der seine Bekanntschaft macht.
Von den beiden Lebenden in unserem ungleichen Terzett
gehört zwar Paul Heyse mit Haushofer dem „Münchener Dich¬
terkreis“ an; doch verknüpft innerlich nichts den in Isar-Athen
fest eingewurzelten Berliner mit dem durch und durch künst¬
lerisch veranlagten eingeborenen Malerssohn. Immerhin bre¬
ohen das gleichsam südländische Temperament, der scharfe
Stich in romanische Lebens- und Liebesauffassung, die Freude
an den Trieben freier Menschennatur, der Drang zu wahrhaft
künstlerischem Einschlag in Inhalt und Form der Poesie, im¬
iner wieder durch. Das Bändchen 4 der Sammlung „Moderne
Geister“ wo Viktor Klemperer dem vielseitigen Musendienste
Paul Heyses gerecht zu werden sucht, liefert kein geschlosse¬
ines Bild seines doch im Ciroßen einheitlichen Wesens. Eine
knappe Lebensskizze leitet ein, die eigentlich nur die Jugend
bis zum entscheidenden Eintritt in die münchener Sphäre vor¬
überziehen läßt, andernteils nicht bloß den maßgeblichen Ein¬
drücken des Elternhauses und der berliner und italienischen
Jünglingsperiode, sondern auch der eigenartigen Stellung in
der bayerischen Hauptstadt ein paur nötige Worte als „Bil¬
dungsfaktoren“ lievses zuweist. Das Isolierte in dessen äuße¬
rer Position seit einom reichlichen Menschenalter wäre da
hervorzuheben, so wie es allerdings nur jemand richtig fest¬
der ernster in die neueren Münchener Literatur¬