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2. Guttings
à 8.—19 November
rüekseite.
Telephon 12.801.
Dr
JERVER
Internehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Concordiaplatz 4.
Vertretungen
st, Chicago, Christiania, Genf, Kopen¬
Madrid, Mailazd, Minneapolis, New-Vork,
hagen, 1
Paris, Roran Francisco, ##o#Miiolm, öt. Petersburg.
#n Ahr).
(Quellenangab¬
Ausschnitt aus:
Kamburger Nachrichten
11911
Hamburg
vom
Theater und Kunst.
Hamburg, den 2. November.
=Schnitler=Barirag.] Die Hamburger Kunstgesellschaft hatte
gestern #elld.Dr. Monty Jakobs zu einem Vortrage über den
österreichischen Dichter entboten. Der kleine Saal der Musikhalle
war im ganzen gut besucht und wenn auch manche Zuschauer mit
schlecht verhehltem Grauen den Worten des Redners lauschten, wenn
er sie über die abschüssigen, schlüpfrigen Gefilde der Schnitzlerschen
Kunst leicht dahinführte, so kamen doch die meisten auf ihre Rech¬
nung, und der T rtragende, dem wir im übrigen ein gutes Büchlein!
über Macterlinck verdanken, und der eine zeitlang einen einflu߬
reichen Kritikerposten in der Berliner Presse bekleidete, entledigte sich
seiner gar nicht leichten Aufgabe mit Takt und Geschick. Es war ge¬
rade keine zündende rhetorische Leistung. Der Redner sprach wohl
fließend, aber nicht frei. Seine Sätze entbehrten des eigentlichen
Rythmus, der dem gesprochenen Wort erst den ganzen Zauber seiner
unmittelbaren Wirkung gibt. Aber er sprach klug und sachlich, und
er war geschmackvoll genug, um selbst hinter den Dichter, dem der
Abend gewidmet war, bescheiden zurüczutreten. Mit klaren, be¬
stimmten Linien umriß er die Schnitzlersche Stoffwelt, charakteri¬
sierte die Liebe als das große bewegende Lebenszenkrum, um das
alles in dem Schnitzlerschen Universum in wirrem Reigen kreist. Hr
schilderte, wie Anatol, dieser Melat#choliker der Liebe, in den ver¬
schiedensten Verkleidungen durch alle Schnitzlerschen Stücke wandelt,
und wie gerade die Unsicherheit des Mannes im Besitze der Frau
ober der Geliebten die durchgehende Stimmung ist. Die Unsicherheit!
in Leben, im Lieben das Schwanken aller Lebenswerte, bezeichnete
e: als den Grundton der Schnitzlerschen Kunst überhaupt, deren
Skepsis mit den Jahren zunehme; wobei seine äußerliche Senti¬
mentalität aber immer durch einen scharfen jüdischen Intellekt in
Schach gehalten wurde. Der Redner ging dann die Reihe der
Schnitzkerschen Dramen durch und kleidete am Schlusse seine kriti¬
schen Bedenken in die Worte, man habe der Mehrzahl der Schnitz¬
lerschen Lieblingstypen gegenüber manchmal Lust auszurufen:
„Aber meine Herrschaften, hat eigentlich keiner von Ihnen zufällig
ein Herz bei sich?“ — Mit dem Hinweis, daß der künftige, große
zeitlose Komödiendichter, wenn er je erscheinen sollte, aus den Hän¬
den Arthur Schnitzlers das scharfgeschliffene Instrument seiner
Kunit, einen funkelnden, sprühenden Dialog, entgegennehmen könne,
schloß der Vortrag, für den man der Kunstgesellschaft dankbar sein
muß.
Büro-Ausstellung Wien 8.—19. November
siehe Rückseite.
Telephon 12.801.
„OBSERVER“
14# #. Usterr. bebördl. konz. Unternehmen r Zoftungs-Aussohnitte
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertrelungen
in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genf, Kopen¬
en, Lendon, Madrid, Malland, Minneapolis, New-Vork,
Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Petereburg.
(Ouellemangabe ehne Gowühs).
Ausschzitt aus:
41 (Asustrietes Wiener Extraplatt,
70
Abendblatt
(„Die Träume der Dichter.“) Im Saale des
Ingenienx= und Architektenvereiges sprach gestern der
Arzt uus Schyiftsteller Dx. Wilhelm Stekel über die
Träume Ner Dichter. Ewging is Anhänger Professor
Freudy“voy dessen bekannterl, Traumsymbolik aus,
von der Wänscherfüllung, die jeder Traum bedeutet.
Im Sch##ben sich unser Wünsche, unser geheimstes
Triebleben, das oft kriminellen Tharakter hat, aus. Die
Zusammenhänge zwischen Dichter und Verbrecher hat
Lombroso zuerst dargelegt. Es ist unrichtig, daß das heftige
Triebleben des Pocten in einer Entartung wurzelt.
Es sind Urinstinkte, die in ihm weiterwirken. Diese
Triebe setzt der Dichter in poetisches Schaffen um,
Hand in Hand mit dem Schaffenstrieb gehe bei ihm —
der Trieb, zu zerstören. Es liegt viel Herastratisches,
Zerstörendes im Wesen eines jeden Genies. Es reißt
nieder, während es aufbaut, wie ja auch in jeder
Liebe etwas von Haß ist. Der Trieb, zu schaffen, ist
die Kompensation des Dichters. Shakespeare schuf
sich in seinen so auffallend zahlreichen Verbrecher¬
gestalten ein Ventil für seine kriminellen Neigungen,
was ja Hebbel schon bestätigt. Artur Schnigler spricht
in seinem letzten Drama davon, daß Diere Dichter
Verbrecher ohne Courage sind, oder Wüstlinge, die sich
nicht ausleben können. Und eigentlich haben es die
Dichter sehr bequem, da ihre Triebe in einer Schein¬
welt sich ausleben können. Merkwürdig ist, daß die
Dichter im Gegensatz zum Philister nüchterne, prosalsche
Träume haben. Erst indem er
erjählt, .
geht eine Veränderung mit ihnen vor. Sie werden
poetisch. Der Traum ist eine Ergänzung unseres
Lebens und in ihm kommen alle Kontraste unseres
Wesens zum Vorschein. Wie viele künstlerische Genies
waren zugleich auch Geschäftsgenies, begabt auc mith
.
eiten— rasfialemen praltischen
Tizian
betrieb einen großen Holzhandel, Rubens war
ein hervorragender Diplomat, Voltaite sammelte
Reichtümer durch seine finanziellen Spekglationen und
Schiffsunternehmungen. Auch Dichter sind in ihrem
Privatleben Philister und in ihren Träumen tritt ein
philiströses wie kriminelles Moment hervor, während
der Teaum gewöhnlicher Menschen oft von einer
wunderbaren Phankastik ist. Kriminelle oder sehr
profaische Elemente sind in den Traummitteilungen
von Heine, Hebbel und Griuparzer. Hebbel sieht sich
in seinem späteren Alter noch als kleiner Schreiber,
Rosegger als Schneidergehilfe. Die Normalmenschen
sind im Traum die Dichter, die Dichter „aber
Philister. — Der Vortrag, der von der Lesee und
Redehalle jüdischer Hochschüler abgehalten wurde,
fand lebhaften Beifall.
2. Guttings
à 8.—19 November
rüekseite.
Telephon 12.801.
Dr
JERVER
Internehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Concordiaplatz 4.
Vertretungen
st, Chicago, Christiania, Genf, Kopen¬
Madrid, Mailazd, Minneapolis, New-Vork,
hagen, 1
Paris, Roran Francisco, ##o#Miiolm, öt. Petersburg.
#n Ahr).
(Quellenangab¬
Ausschnitt aus:
Kamburger Nachrichten
11911
Hamburg
vom
Theater und Kunst.
Hamburg, den 2. November.
=Schnitler=Barirag.] Die Hamburger Kunstgesellschaft hatte
gestern #elld.Dr. Monty Jakobs zu einem Vortrage über den
österreichischen Dichter entboten. Der kleine Saal der Musikhalle
war im ganzen gut besucht und wenn auch manche Zuschauer mit
schlecht verhehltem Grauen den Worten des Redners lauschten, wenn
er sie über die abschüssigen, schlüpfrigen Gefilde der Schnitzlerschen
Kunst leicht dahinführte, so kamen doch die meisten auf ihre Rech¬
nung, und der T rtragende, dem wir im übrigen ein gutes Büchlein!
über Macterlinck verdanken, und der eine zeitlang einen einflu߬
reichen Kritikerposten in der Berliner Presse bekleidete, entledigte sich
seiner gar nicht leichten Aufgabe mit Takt und Geschick. Es war ge¬
rade keine zündende rhetorische Leistung. Der Redner sprach wohl
fließend, aber nicht frei. Seine Sätze entbehrten des eigentlichen
Rythmus, der dem gesprochenen Wort erst den ganzen Zauber seiner
unmittelbaren Wirkung gibt. Aber er sprach klug und sachlich, und
er war geschmackvoll genug, um selbst hinter den Dichter, dem der
Abend gewidmet war, bescheiden zurüczutreten. Mit klaren, be¬
stimmten Linien umriß er die Schnitzlersche Stoffwelt, charakteri¬
sierte die Liebe als das große bewegende Lebenszenkrum, um das
alles in dem Schnitzlerschen Universum in wirrem Reigen kreist. Hr
schilderte, wie Anatol, dieser Melat#choliker der Liebe, in den ver¬
schiedensten Verkleidungen durch alle Schnitzlerschen Stücke wandelt,
und wie gerade die Unsicherheit des Mannes im Besitze der Frau
ober der Geliebten die durchgehende Stimmung ist. Die Unsicherheit!
in Leben, im Lieben das Schwanken aller Lebenswerte, bezeichnete
e: als den Grundton der Schnitzlerschen Kunst überhaupt, deren
Skepsis mit den Jahren zunehme; wobei seine äußerliche Senti¬
mentalität aber immer durch einen scharfen jüdischen Intellekt in
Schach gehalten wurde. Der Redner ging dann die Reihe der
Schnitzkerschen Dramen durch und kleidete am Schlusse seine kriti¬
schen Bedenken in die Worte, man habe der Mehrzahl der Schnitz¬
lerschen Lieblingstypen gegenüber manchmal Lust auszurufen:
„Aber meine Herrschaften, hat eigentlich keiner von Ihnen zufällig
ein Herz bei sich?“ — Mit dem Hinweis, daß der künftige, große
zeitlose Komödiendichter, wenn er je erscheinen sollte, aus den Hän¬
den Arthur Schnitzlers das scharfgeschliffene Instrument seiner
Kunit, einen funkelnden, sprühenden Dialog, entgegennehmen könne,
schloß der Vortrag, für den man der Kunstgesellschaft dankbar sein
muß.
Büro-Ausstellung Wien 8.—19. November
siehe Rückseite.
Telephon 12.801.
„OBSERVER“
14# #. Usterr. bebördl. konz. Unternehmen r Zoftungs-Aussohnitte
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertrelungen
in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genf, Kopen¬
en, Lendon, Madrid, Malland, Minneapolis, New-Vork,
Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Petereburg.
(Ouellemangabe ehne Gowühs).
Ausschzitt aus:
41 (Asustrietes Wiener Extraplatt,
70
Abendblatt
(„Die Träume der Dichter.“) Im Saale des
Ingenienx= und Architektenvereiges sprach gestern der
Arzt uus Schyiftsteller Dx. Wilhelm Stekel über die
Träume Ner Dichter. Ewging is Anhänger Professor
Freudy“voy dessen bekannterl, Traumsymbolik aus,
von der Wänscherfüllung, die jeder Traum bedeutet.
Im Sch##ben sich unser Wünsche, unser geheimstes
Triebleben, das oft kriminellen Tharakter hat, aus. Die
Zusammenhänge zwischen Dichter und Verbrecher hat
Lombroso zuerst dargelegt. Es ist unrichtig, daß das heftige
Triebleben des Pocten in einer Entartung wurzelt.
Es sind Urinstinkte, die in ihm weiterwirken. Diese
Triebe setzt der Dichter in poetisches Schaffen um,
Hand in Hand mit dem Schaffenstrieb gehe bei ihm —
der Trieb, zu zerstören. Es liegt viel Herastratisches,
Zerstörendes im Wesen eines jeden Genies. Es reißt
nieder, während es aufbaut, wie ja auch in jeder
Liebe etwas von Haß ist. Der Trieb, zu schaffen, ist
die Kompensation des Dichters. Shakespeare schuf
sich in seinen so auffallend zahlreichen Verbrecher¬
gestalten ein Ventil für seine kriminellen Neigungen,
was ja Hebbel schon bestätigt. Artur Schnigler spricht
in seinem letzten Drama davon, daß Diere Dichter
Verbrecher ohne Courage sind, oder Wüstlinge, die sich
nicht ausleben können. Und eigentlich haben es die
Dichter sehr bequem, da ihre Triebe in einer Schein¬
welt sich ausleben können. Merkwürdig ist, daß die
Dichter im Gegensatz zum Philister nüchterne, prosalsche
Träume haben. Erst indem er
erjählt, .
geht eine Veränderung mit ihnen vor. Sie werden
poetisch. Der Traum ist eine Ergänzung unseres
Lebens und in ihm kommen alle Kontraste unseres
Wesens zum Vorschein. Wie viele künstlerische Genies
waren zugleich auch Geschäftsgenies, begabt auc mith
.
eiten— rasfialemen praltischen
Tizian
betrieb einen großen Holzhandel, Rubens war
ein hervorragender Diplomat, Voltaite sammelte
Reichtümer durch seine finanziellen Spekglationen und
Schiffsunternehmungen. Auch Dichter sind in ihrem
Privatleben Philister und in ihren Träumen tritt ein
philiströses wie kriminelles Moment hervor, während
der Teaum gewöhnlicher Menschen oft von einer
wunderbaren Phankastik ist. Kriminelle oder sehr
profaische Elemente sind in den Traummitteilungen
von Heine, Hebbel und Griuparzer. Hebbel sieht sich
in seinem späteren Alter noch als kleiner Schreiber,
Rosegger als Schneidergehilfe. Die Normalmenschen
sind im Traum die Dichter, die Dichter „aber
Philister. — Der Vortrag, der von der Lesee und
Redehalle jüdischer Hochschüler abgehalten wurde,
fand lebhaften Beifall.