VI, Allgemeine Besprechungen 2, Ausschnitte 1912–1914, Seite 3

2. Cuttings
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hin und her nach Hause, und hier, in dem stillen Frieden
der Nacht befiel sie ein wohliges Gefühl, das sie die Einsamkeit
schätzen lehrte, und sie waren froh, nicht draußen im Kampf stehen
So ist die Wiener Dekadankse entstanden, In ähnlichen
Kretinismen geht es durch 180 Seiten. Daß Walther von der Vogel¬
weide keine eigene Wohnung besaß, wie Schnitzler, sondern viel in der
Welt herumkam, wie Bahr, wird nicht gesagt. Der Verleger schickt aber
die Versicherung mit, daß die scharfumrissene Gestalt Schnitzlers seit
zwanzig Jahren im Vordergrund des literarischen Lebens stehe.
Unbeirrt um der Menge Beifall oder Mißgunst strebt er uner¬
müdlich auf eigenen neuen Wegen zur Höhe. Das Portrait, welches
die Biographie schmückt, sei vom Dichter selbst ausgewählt.
Manche Eigentümlichkeiten der Schnitzlerschen Werke erklärten
sich leicht, wenn man sie als nationale anspreche... Kapp erfüllt
alle Erwartungen. Hauptsächlich aber muß ich ihm dafür danken,
daß er Schnitzlers bedeutendsten Gedanken wörtlicher zur Geltung
gebracht hat als ich selbst. Hier kommt es auf jeden Buchstaben an:
Jeder muß selber zusehen, wie er herausfindet aus seinem Arger,
oder aus seiner Verzweiflung, oder aus seinem Ekel, irgendwe in, wo
er wieder frei aufatmen kann. Ich glaube nicht, daß solche Wanderungen
ins Freie sich gemeinsam unternehmen lassen ... denn die Straßen
dorthin laufen ja nicht im Lande draußen, sondern in uns selbst. Es
kommt nur für jeden darauf an, seinen inneren Weg zu linden. Dazu
ist es natürlich notwendig, möglichst klar in sich zu sehen, in seine
verborgensten Winkel hineinzuleuchten! Den Mut seiner
eigenen Natur zu haben. Sich nicht beirren zu lassen. Ja, das müßte
das tägliche Gebet jedes anständigen Menschen sein: Unbeirrtheit.
Ich hatte das Zitat im Roman nicht gefunden, es ohne
die straffe Interpunktion und ohne die tiefste Stelle aus einem
Jubiläumsfeuilleton zitiert. Nun ist es bequem inf Kapp zu finden.
Die Kunstwelt entsendete
heißt es, wenn dort, wo alle dabei waren, auch die Maler
Lukaseder und Wenzelides dabei waren, sowie die Mitglieder des
Hofopernballets Wewerka und Hungelberger. Wenn aber auch
die Konsuln Benies, Kubies, Hulles und Welles bemerkt wurden, so
heißt es, daß die Finanzwelt entsendete. Die diplomatische Welt ließ
es sich nicht nehmen — nachdem langwierige Beratungen mit