VI, Allgemeine Besprechungen 2, Ausschnitte 1912–1914, Seite 6

2. Cuttings
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Plagiat
Der einsame Weg.
Positiv: er gab... wie soll ich
Reizend ist, was viele haben
sagen. Reize. Aber was sind
möchten. Dieser Dichter gibt das
Reize“ Dinge, bei deren Anblick
Reizende.
die Beobachter rufen: „Ich möchte
auch
er gibt nachdenkliche Le¬
Aus dem wildbewegten, vorbei¬
bensausschnittchen, auch er hält
rauschenden Strome des Lebens
aus dem allgemeinen Dahinrauschen
versteht er ein feines, gedanken¬
der Erscheinungen bald ein ironi¬
volles Bild festzuhalten, das nur dem
sches, bald ein gedankenvolles
Auge eines Dichters nicht davon¬
Seelenbild fest, das nur durch eines
gleiten konnte, das nur ein Großer
wahren Dichters Hand dem Strom
zu erfassen vermochte.
entrissen werden kann.
Ich weiß, daß viele Köpfe — und
Viele Köpfe und nicht gerade die
nicht die schlechtesten, die wir
schlechtesten, standen seiner Kunst
haben — dieser Kunst unschlüssig,
lange kalt und verschlossen gegen¬
ja achselzuckend gegenüberstehen
über.
.Aber mag Schnitzler nicht mit
Mag er nicht gewaltig und wuch¬
wuchtigen Akzenten und nicht als
tig, nicht ais Promethide kommen.
ein Promethide kommen
Uber die
„Liebelei“.
Aus der Welt des Anatol kam
Durch die „Liebelei' geht der
die „Liebelei' ... Alles zu höherer
Dichter der Welt des „Anatol':
Schlichtheit gereift, das Spiele¬
aber gereifter, ernster. Das Spiele¬
rische verschwunden, einfache Tra¬
rische ist geschwunden. Was uns
gik greift ans Herz.
das Werk so naherückt, ist die ein¬
fache Tragik, die ergreift.
Diese lautlos eingegebene Ge¬
Christine ist Mädchen in jeder
stalt, die innig und zurückhaltend,
Regung, völlig naiv, innig und zu¬
glücklos und selig und in jeder
rückhaltend, freudlos und doch
leisesten Regung Mädchen ist ..
selig, eine stummhingegebene Ge¬
stalt
wie es unsere Träume in Voll¬
wie wir sie in Träumen glücklicher
gestalten an glücklichen Abenden
Stunden manchmal sehen.
sehen.
Uber „Sterben“.
Den Höhepunkt seiner Erzähler¬
Aber den Gipfel als Erzähler hat
kunst hat er im „Sterben' er¬
Schnitzler in keiner dieser Ar¬
reicht
beiten erreicht, sondern in „Sterben“
Selbstverständlich hat er eine Ge¬
Daß er eine Geliebte hat, ist
bei unserem Dichter selbstverständ¬
liebte
lich. Bei Schnitzler schreitet
Das allmähliche Absterben, das
fortwährende Bleicherwerden, das
das Sterben, das Absterben, das