VI, Allgemeine Besprechungen 2, Ausschnitte 1912–1914, Seite 52

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Ausschnitt aus:
27 MRT 1914
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1es manchmal für den Dichter werden, wenn man ihn epischen Muse Schnitzlers gehören. Das Schicksal ist
stets vom Standpunkt seines Erstlingswerkes aus be¬
das uns treibende und beherrschende Rätsel — aber
Feuilleton.
urteilt. So ist es ein Irrtum, wenn man Schnitzler
auch alles andere ist uns ein Rätsel, unsere eigene
nur nach seinem „Anatol“ und seiner „Liebelei“ ein¬
Seele, die Seele der andern, die eigenartigen Ueber¬
schätzt. Der Dichter ist in seinen folgenden Werken
gänge, die es vermögen, zwischen Mensch und Mensch
schon lange darüber hinausgeschritten; alle Mensch¬
Freund und Freund
Artur=Schnitzler=Abend
und vor allem zwischen
heitsfragen haben ihn bewegt, und er ist manchmal im
Mann und Frau zu treten. Das ist eins der Schnitz¬
persönlichen Kampf mit Gegenwartsproblemen so
im Pegnesischen Blumenorden.
ler am meisten entsprechenden Probleme, daß uns
weit gegangen, daß er wie in „Professor Bernhardi“.
alles ein Rätsel ist, nur der Todnicht. Die beiden
*Nürnberg, 27. März.
lediglich ein jedem Liebesmotiv fernes Problem zur
großen Grundfragen, das Rätselunseres Lebens und
Sprache kommen läßt.
O. B. Der Pegnesische Blumenorden hatte es sich
das Rätsel des Schicksals, wie in symbolischen
für dieses Winterhalbjahr zur besonderen Aufgabe ge¬
Nach einer kurzen, markanten Schilderung des
Worten in der „Dreifachen We
“ wiederkehrt,
macht, die deutschen Dichter der Gegenwart einem
Lebensganges des Dichters, aus der zu entnehmen
sind die Hauptausgangspunkte vo chnitzlers Welt¬
größeren Kreise näher zu bringen, und es ist hoch¬
war, daß Schnitzler mit 23 Jahren zum Doktor der
anschauung.
erfreulich, daß ihm das in einer Weise gelungen ist,
Medizin promovierte, drei Jahre als Sekundärarzt
Der Redner streifte sodann kurz das lyrische Schaf¬
die zu neuen Taten aneifert. Conrad Ferd. Meyer,
am Allgemeinen Krankenhaus zu Wien, dann als
fen Schnitzlers, das im Verlauf des Abends durch
Otto Jul. Bierbaum, Lilieneron Arno Holz, Börries
Assistenzarzt an der Poliklinik und später als prak¬
den Vortrag dreier Gedichte näher illustriert wurde.
v. Münchhausen, Agnes Miegel, Stefan George, Adal¬
tischer Arzt tätig war, ging der Redner in großen
Die eigentliche Domäne Schnitzlers ist neben de
bert v. Hanstein standen der Reihe nach auf dem Pro¬
Zügen auf die Werke des Dichters selbst über, die als
Bühne die Novelle. Eine scharfe Trennung diesen
gramm und man kann sagen daß sowohl das Inter¬
Grundstimmung Pessimismus und Fatalismus zeigen
beiden Dichtungsgattungen ist in technischer Be¬
esse wie auch die Anzahl der Hörer von Veranstaltung
und durch die Gegenüberstellung zu dem Phäakentum,
ziehung bei Schnitzler nicht vorhanden. Bei man¬
zu Veraustaltung gewachsen ist. Der Ordensvorsitzende
welches Beiwort man dem genießerischen Wien ge¬
chen Stücken gefällt sich der Dichter in epischer Breite,
Herr Hofrat Dr. Beckh gab in seiner Be¬
geben hat, besonders interessante Konflikte und Lo¬
und die meisten seiner Novellen erfreuen sich eines
sungen hervorriefen.
grüßungsansprache der Freude über diese Tatsache be¬
Kräftigen dramatischen Pulsschlages.
redten Ausdruck und stellte eine Fortsetzung dieser Be¬
Die beiden Pole in Schnitzlers geistiger und räum¬
Der Vortragende versuchte sodann mit viel Ge¬
strebungen in bestimmte Aussicht. Nachdem er mit
licher Welt sind Liebe und Tod, Schein und Wirk¬
schick eine Dreiteilung von Synitzlers epischem Schaf¬
der Verlesung zweier eigener, sehr stimmungsvoller
lichkeit. Wenn mitten in das Leben die dürre Hand
fen zu gehen. Anfänglich regt den Arzt und Erleber
Dichtungen aus dem Jahre 1862 und 1875 seine mit
des Todes hereingreift, wenn aus dem Schein plötz¬
im Menschen das Interesse für das rein Stoffliche an.
frischem Humor durchwürzte Begrüßung geschlossen
lich Wirklichkeit wird oder die Wirklichkeit sich zum
dann gewinnt der Psychologe in ihm die Ueberhand.
hatte, erteilte er dem Redner des Abends Herrn Dr.
Schein wandelt diese Momente werden der Haupt¬
Er versenkt sich in die geheimen Gründe der mensch¬
stock zu Schnitzlers Motiven.
phil. S. L. Janko das Wort zu seinem Vortrag
lichen Seele und versucht, unser innerstes Fühlen zu
über „Artur Schnitzler als Erzähler“
Als Dichter Wiens trifft er mit prächtigem und
analysieren, als stünde er in seiner Fähigkeit, uns
Der Vortragende ging von einer Betrachtung über
wahrem Kolorit das pulsierende Leben dieser schön¬
Menschen zu begreifen, über menschlich denkbaren
die unrichtige Stellung aus, die oftmats die Mitwelt
heitstrunkenen und kulturreichen — aber bereits einer
Grenzen, so sehr sogar, daß er, wie in den „Schicksalen
dem Dichter gegenüber einnimmt. So tragisch es
Dekadenz entgegengehenden Stadt und schafft durch
des Freiherrn von Leisenbogh“ Motive wählt, die aus
wirken kann, wenn ein Dichter nie über sein Erst= die Gegenüberstellung zu den ewigen Schicksalsmäch¬
den rätselhaften Zwischenreichen unseres Seelenlebens
lingswerk hinausgekommen ist, ebenso quälend kann ten wundervolle Reize, die zu dem Schönsten der hervorgeholt sind. Und dann kommt die Zeit, da sich