VI, Allgemeine Besprechungen 2, Ausschnitte 1912–1914, Seite 68

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2. Cuttings
„5 Rauden, Freunde dor sich zu sehen, wo schon die # #e War#e.
n nun noch dazu auf solch einem Rosse
Rassengegnerschaft nur Gegner vermuten sollte. Ein Gemeinden, für welche der christlichsoziale Gesetzent¬
Materialkenntnis des jungen Autors. Mit leichtfertiger
ene e erner
Daß es keine alleinseligmachende Methode der
Kritik kommt man dem Buche nicht bei. Gewiß erforderte
Literaturbetrachtung gibt, haben schon genug einsichtige
Pihchoanalyse.
es ein ungeheuer fleißiges Studium sowohl der Theorien
Forscher betont. Daß manche von den vielen, die wir
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Freuds als der Werke des Dichters. Trotzdem kann ich ihm
haben, Gefahr läuft, dem Materialismus zu verfallen,
Von Dr. Franz Koch.
ein tiefes Eindringen in die Dichtkunst als Ganzes, als
wissen wir auch. Keine aber vernachlässigt, glaube ich,
dor Reik, den wir schon aus seinem Buche
Kunstwerk, nicht nachrühmen. Ich will mich nicht über die
so sehr das Unwägbare und doch stets zu Berücksichtigende,
(„Flaubert und seine Versuchung des
Psychoanalyse als Disziplin verbreiten, fühle mich,
das immer Vorhandene, die Künstlerschaft des Dichters,
us“) und aus einzelnen Aufsätzen kennen,
da ich nicht Fachmann bin, dazu auch gar nicht!
das Kunstgewordene der Dichtung, wie die auf Literatur¬
Reihe von Untersuchungen in einem Buche
imstande. Nur über die angewandte Psychoanalyse,
deutung angewandte Psychoanalyse. Kunst war und ist
er zusammen: „Artur Schnitzler als
immer ein Kompromiß von Stoff und Form, eins so wichtig
über die Art, wie sie in diesem Buch angewendet wird,
tt). Ein Leser, der von Pipcho¬
ein paar Worte. Im Vorwort lesen wir: „Die vor¬
wie das andere, Form so bedingt durch den Stoff wie dieser:
chts wüßte — ich setze voraus, es gibt noch
liegende Untersuchung verzichtet von vornherein auf
durch die Form. Für Dr. Reik ist dieser eine, wesentliche
erstaunte wohl schon über die Titel und
ästhetische Wertungen und verfolgt nur wissenschaftliche
Bestandteil des Kunstwerkes nur „Wellengekräusel und
ie den einzelnen Abschnitten vorangehen.
Zwecke.“ Darüber wäre gar nichts zu sagen. Die Psycho¬
Wogenprall“. Ich würde ihm dus nicht zum Vorwurf
lichen Worten Goethes:
analytik möge in ihren vier Wänden treiben, was sie
machen, wenn er sich begnügte, „wissenschaftliche Zwecke“.
nd laß dir raten, habe
wolle. Es ist immerhin interessant, den Meistern zuzu¬
zu verfolgen, wenn er wirklich gänzlich auf ästhetische
e nicht zu lieb und nicht die Sterne,
sehen, die im Kaleidoskop scharfsinnigster Schlüsse und
Wertungen verzichtete, wenn er nicht auch eine neue Lite¬
folge mir ins dunkle Reich hinab!“
Kombinationen immer neue Bilder aus einigen Grund¬
raturbetrachtung verträte, die nun einmal wie jede andere
in die rechte Andacht versetzt vor dem Ein¬
teilchen, wie infantiler Sexualität. Inzestwünschen, Bi¬
auch ästhetische Elemente nicht entbehren kann.
neue Welt, wird er bei oberflächlicher Um¬
sexualität, ambivalenter Einstellung und wie die Formeln
Rein piychoanalytische Deutung einer Dichtung muß
en über ein Motto, das dem ersten die vom
alle heißen mögen, mit taschenspielerischer Gewandtheit
notwendig ein Mißgriff sein, weil sie das physiologische
ene Deutung gibt: „Ich möchte eine Mama
entstehen lassen. Psychoanalyse wird an der medizinischen
Entstehen des Werkes als Hauptsache darstellt und dar¬
kein Papa dabei ist“ (als Ausspruch eines
Fakultät gelehrt und an Kranken demonstriert. Daß
über die Formgebung, ja noch ein anderes Zwischen¬
aben).
Dichter mit Paranoikern auf eine Stufe gestellt werden,
stadium, die Bewältigung der Grundgefühle durch den
Reik verwahrt sich mit Recht gegen eine
ist nichts Neues. Die Gestalten des Dichters, „gelöste
Dichter und in der Seele des Dichters, ganz vergißt. Im
zelnes aus dem Zusammenhange reißt, und
Teile seines Ichs, Abspaltungen seiner Persönlichkeit",
besten Falle kann sie uns über den Augenblick der
weiter die Eliketten ablösen. Ist der
unter diesem Gesichtspunkte als Objektivationen krank¬
Empfängnis Aufschluß geben, nichts über den Prozeß des
t abgestoßen, liest er sich durch, muß er's
Werdens, nichts über das vom Dichter entbundene Werk,
hafter Neigungen zu betrachten, ist danach die selbst¬
ktollen Tanz streng logischer Phantasien
verständliche Konsequenz. Doch das Buch hat auch
das inzwischen vom heißen Feuer der Seele durchglüht
je im allgemeinen für schamlos gelten. Nur
ein Schlußwort. Da hören wir etwas ganz anderes,
worden ist. Freilich, die „Seele“, scheint für den Psycho¬
mer noch der Leser vorausgesetzt, der noch
daß der Psychoanalytiker gleich dem Taucher uns
analytiker sich nur aus sexuellen Regungen zusammenzu¬
hoanalyse weiß und gehört hat — wird er
Kostbarkeiten aus einer Tiefe hole, die noch niemand
setzen. Wie diese Komponenten eine Resultierende geben
hineinfinden, daß das alles, was er da
vor ihm ergründet habe, daß er es anderen überlasse,
können, die alles andere eher als derartige Triebe in uns
iß findet, ernst gemeint sein könnte, daß
„das Wellengekräusel und den Wogenprall zu bewundern,“
lösen kann, dafür bleibt er uns die Erklärung schuldig. So
ler sein nichts anderes heißt als die
daß er uns eine neue Literaturbetrachtung gebe, die uns
erhebt sich die ganze Darstellung, scheinbar von der tiefsten
gungen verdrängter sexueller Triebe auf
endlich von largweiliger Stoffgeschichte, Ideengeschichte
Gründlichkeit erfüllt, doch nicht über die Oberfläche, Daß
friedigen. Im Ernste. Achtung vor der
befreit. Und durchaus mitleidig gegenüber jeder anderen
die physiologische Ursache für die Dichtung ein verdrängtes
hrlichkeit, vor der Gelehrsamkeit und ! Literaturbetrachtung ist auch die Geste des Buches.
erotisches Gefübl gewesen sein mag, das kann ja möglich