VI, Allgemeine Besprechungen 2, Ausschnitte 1914–1920, Seite 7

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2. Cuttings
Teiephon 12.801
„OBSEROER
I. österr. behördl. konz. Unternahmen für Zeitungs.
Ausschnitte
Wien, I. Concordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin, Basel, Budapest, Chicago, Cleveland,
Christiania, Genf, Kopenhagen, London Madrid,
Mailand, Minneapolis, New-Vork, Paris, Rom, San
Prancisco, Stockholm, St. Petersburg, Toronto.
(Quellenangabe ohne Gewähr.)
REICHSPOST, WIEN
Ausschnitt aus:
20406 7375
vom:
S

lich genau so entwickelt, mus, voller Witz und Lustigkeit; aber es ist eine auf¬ am Tage der Kriegserklärung Italiens und am Tage
des Saisonschlusses — Schönherrs „Weibsteufel“ auf.
aris der Fünfzigerjahre bauende Kritik und hinter den Spässen lebt tiefste Sitt¬
atierte. Er meint, es lichkeit. Beide Dichter glauben an Ideale und sie lassen
es nicht die Ideale vergelten, wenn Menschen sie schlecht
tz= und Trutzbündnis
An dem Verfall des Theaters der letzten Jahrzehnte
die das Theater vertreten. Die ganz große Bühnenkunst zeigt Leiden¬
sind auch viele Gutmeinende mitschuldig. Mitschuldig,
Misere großzügig an= schaften; aber sie zeigt auch Gnaden und Helden; sie
weil sie ihre Proteste gegen die Entartung in der
oßen Dichter würden malt die Wollust, aber sie malt den Teufel dazu; sie spot¬
Herzenskammer verschlossen, oder auf das Räsonieren
von der Bretterwelt tet, aber nicht um Gesellschaftseinrichtungen und =werte
am Stammtisch beschränkten. Das Theater hätte nicht
Aufrichtigkeit, die niederzureißen, sondern um fehlende Einzelmenschen zu
er
so undeutsch und unchristlich werden können, wenn es
Hellsehen in die bessern. Ueber ihrer Erde wölbt sich der Himmel; ihren
m
nicht so viel praktische Gleichgültigkeit und Indolenz
sagt Heine, — Rätselpeinen und Erdennöten strahlt die Sonne gött¬
ist,
bei den Deutschen und Christen gegeben hätte. Wie viele
licher Wahrheit und göttlicher Erbarmung.
terer Theaterdirektoren,
unserer Theaterbesucher haben es gemacht, wie 1909
späterer Stückeschreiber
Präsident Taft in Washington, der, als auf der Bühne
kann man es den kleinen
Brachte nicht der Ernst der Kriegszeit eine Aen¬
einige stark naturalistische Szenen aufgeführt worden
sich gegen die Invasion
derung und Besserung im Theaterbetrieb, eine Annähe¬
waren, nach dem ersten Akte eines Schauspiels demon¬
öglich wehren. Was
strativ seine Loge verließ? Wie viele haben es gemacht
rung zum Ideal? Wurde bei der allgemeinen Mobil¬
bleibt in eurer Lite¬
wie die deutsche Kaiserin, die um die gleiche Zeit ihre
machung nicht auch das Theater mobil.gemacht im Inter¬
zu unseren Suppen¬
esse der Reinigung, der Hebung, der Weckung des Volks¬
sittliche Entrüstung über eine Opernszene offen kund¬
hm, für uns das willens zum großen Kampf für die Heimat? Wurde
gab? Wie viele Gutmeinende haben, mit Gleichge¬
tikel der Bewunderung,
nicht die Welt der Kunstschönheit herangezogen zur
sinnten vereint und Vereinsorganisationen aufbietend,
ehöhere Kritik, die uns
Unterstützung von Kanzel und Katheder, herangezogen
durch Forderung bestimmter Stücke gegen Garantie
ir euch der Lorbeer, für
zur Entflammung des Volkes für Kaiser und Vaterland,
einer bestimmten Besucherzahl, Einfluß auf die
Rausch der Poesie, für
für Opferdienst und Seelenstärke? Klang's nun nicht aus
Theaterspielpläne zu nehmen gesucht? Wie viele
ers, den wir vergnüglich
allen Theaterstücken: Nichtswürdig ist die Nation, die
Adelige haben darauf jedrungen, daß den Begriffen
fs der Claqueure und
nicht ihr Alles setzt an ihre Ehre“ — „Das Leben ist der
Adel und Ehre nicht nur in Schloß und Gesellschaft,
essen, trinken, werden
Güter höchstes nicht, der Uebel größtes aber ist die
sondern auch in der Welt des Theaters Achtung eni¬
gessen, während ihr in
Schuld“? Wurde nun auf der Bühne die Kultur der
gegengebracht werde? Wie viele Christen haben bedacht,
kiert werdet und der
Wahrheit und Freiheit, des höheren Geisteslebens und
daß das Christentum nicht nur eine Sache für Kirche
hungert.“
der höheren Rechtsordnung, in deren Namen die Söhne
und Sakristei, sondern ein Programm und eine Forde¬
der Heimat an die Front zogen, dem Feinde, dem Tode
rung für alle Lebensgebiete, auch für die Bühnenwelt
entgegen — wurde diese Kultur auf den Bühnen des
sei? Wie viele Steuerzahler haben die Inkonsequenz
elendes der letzten Jahr¬
Hinterlandes entsprechend repräsentiert? Wurde nun
erwogen, die darin liegt, Riesensummen zur Ausbil¬
#uß man sich vergegen¬
auch im Theater jener Gott gepriesen, in dessen Kathe¬
dung von Geistlichen und Lehrern, zum Unterhalt von
und neuer Menschheits¬
dralen und Kirchen ein gramgebeugtes, ein hilfeheischen¬
Kirchen und Schulen für die Erziehung des Volkes aus¬
raussetzungen und An¬
des Volk sich drängte? Wurden nun auf der Bühne die
zuwerfen und gleichzeitig zu gestatten, daß ein paar
hes ihre Ideale von
Heldengestalten der Geschichte lebendig, wurden die
literarische Handelsleute sich aus dem Zerstampfen der
m siebenten Buch der
Heroen der Vergangenheit zu Sprechern und Führern
Früchte von Schule und Kirche ein einträgliches Ge¬
von Tragödiendichtern,
der Gegenwart? Erklang nun der Sang von der Hei¬
schäft machen? Wie viele gutmeinende Staatsmänner
um die Erlaubnis, ihre
mat auf der Bühne, der Sang von der Heimat mit jener
haben angesichts der frechen Anarchismen auf den Büh¬
bitten. Plato läßt den
Zärtlichkeit, Inbrunst und Opferwilligkeit, aus der
nen an das unheimliche Bild sich erinnert, mit dem
häupter die Antwort
ein Garczynski schwur: „So lange diese Hand
Taine die Macht und den Weg umstürzender Gedanken
eines Dramas, insofern
nicht erstarrt, soll diese Hand dem Vaterland
schildert: Im ersten Stock des Hauses sind die Gedanken
Nachahmung des schön¬
gehören. So lange der Gedanke nicht stirbt,
bloß Abendbeleuchtungen, Salonfunken, bengalische
Den gleichen Zweck muß
soll er ihm geweiht sein. Gott, Du verlangst Opfer —
Feuer, mit denen man spielt und die man lachend aus
en. Wähnt daher nicht,
meinen Geist will ich zum Opfer geben, mein jetziges
dem Fenster wirft. Aber in den Wohnungen und Ge¬
atten, eure Schaubühne
und zukünftiges Leben. Ich will wie das Volk in der
schäftsräumen des Erdgeschosses stecken die Funken alte
Vorher muß die zu¬
Wüste hungeri, wenn nur damit dem Vaterlande ge¬
Stoffe in Brand — und im Keller ist ein großes
ihr Schickliches gedichtet
holfen werden kann. Jeder Gedanke soll fromm sein
Pulverlager...? Wie viele Schönheitsdürstige, nach
Bestrebungen in euren
wie eine Hymne, meine Zunge soll den Lippen Worte
künstlerischer Erbauung sich Sehnende, haben laut und
unserer Staatsver¬
Deines ewigen Lobes reichen, in Gebeten will ich die
unablässig gegen das Aufrichten von Lazaretten und
und der ganze
Nächte durchweinen, die Tage in Qualen zubringen, nur
Spelunken auf der Bühne protestiert; wie viele haben
sein, wenn wir eure
möge mein Land befreit sein ...“ War nun auf der
sich geweigert, mit dem Trost eines Richard Dehmel sich
zum Geiste unserer
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stateles erklärt in seiner] Bühne ein Triumphieren über die Siege der echten
ahzufinden: Wer die gemeinsame Andacht einer zur