VI, Allgemeine Besprechungen 2, Ausschnitte 1925–1929, Seite 25

Photographien
von der Weltkonferenz
Das Atelier Elite, Leipziger Straße 119=20, teilt uns mit,
daß von den am Eröffnungsabend der Konferenz gemachten Aufnahmen
noch Abzüge in Größe 18x24 à Mk. 1,— zu haben sind. Ebenso sind
von Cl. G. Montefiore und Miß Montagu noch Bilder à Mk. 1,—
und Mk. 3,— vorrätig.
Gleichzeitig weist das Atelier Elite darauf hin, daß Bilder der von
ihr aufgenommenen prominenten Persönlichkeiten der Konferenz in ihren
Schaukästen zur Ausstellung kommen.
Typus darzustellen vermochte. Und dennoch, wenn auch ethno¬
logisch ein Unsinn, eine contradictio=in=adjecto: körperlich,
geistig, seelisch und moralisch hat es ihn trotzdem gegeben
und gibt es ihn noch heute, den vielumstrittenen, viel be¬
fehdeten, scheinbar nicht existenten „Oesterreicher“. Niemand
hat das in schöneren, klareren und überzeugenderen Worten
zu beweisen gewußt, als der Auch=Oesterreicher Felix Salten
in seinem mit Herzblut geschriebenen Buch: „Das österreichische
Antlitz“. Denn gerade jene vermeintlichen Mängel, die in
den Augen des pedantischen und unerbittlichen Volks=, Sprach=,
Stammes= und Geschichtsforschers dem Oesterreicher anhafte¬
ten oder überhaupt den Garaus machten, liehen ihm in
jedem vielleicht weniger buch= und buchstabengelehrten Sinn
seine besondere Eigenart und seine individuellen, unnach¬
ähmlichen Vorzüge. Künstler würden sich ruhig zu dem
freudig bejahenden Wort: „Reize“ versteigen. Denn gerade,
daß der besagte „Oesterreicher“ ein „sujet mixte“ war, aus
deutscher Herbheit, Kühle, Willenskraft und Selbstbeherr¬
schung sowie aus romanischer Formbegabung, musischer
Trunkenheit und leichterer, beschwingterer, gleichsam tänze¬
rischer Lebensauffassung, zu guterletzt aber auch aus slawi¬
scher Weichheit und Verträumtheit, Versonnenheit und Ver¬
sponnenheit, nebst einer gegenstandslosen, um alle Dinge
und Ereignisse des realen Lebens schwebenden Wehmut, gab
seinem Wesen jene letzte subtile Verfeinerung, jene etwas
moribunde Zartheit, die jungen, einheitlichen, gegen fremde
Einflüsse abgeschlossenen Völkern fehlt, und die doch vielleicht
der letzte Extrakt, die „fine fleur“ der Menschheit schlecht¬
hin sind. Und von diesen großen Volksverführern, Ratten¬
fängern wider Willen war Arthur Schnitzler, der Dichter,
einer der verführerischsten, gefährlichsten.
Im Jahre 1862 geboren, einer wohlangesehenen Wiener
Patrizierfamilie entsprossen, wandte sich der früh erwachende
Arthur vorerst dem in seinem Hause traditionellen, von
Vater und Bruder erfolgreich geübten ärztlichen Berufe zu.
Aber er erkannte bald, daß die exakte Wissenschaft ihn un¬
befriedigt ließ, und so wechselte er, nachdem er zuvor noch
den medizinischen Doktor in Ehren bestanden, schweifend und
sehnsüchtig von Anatomie und Hörsaal zum lockenden, weil
noch in ferner Hoheit schimmernden Parnaß hinüber. Heute
steht er auf der Spitze des heiligen Berges und weiß wohl
am tiefsten und inbrünstigsten, wie heiß und schwer der
Passionsweg war, den er (Passionsweg in zweifachem
Sinne der Leidenschaft und des Leidens) zurückgelegt hat.
Es mag um die Jahre 89 bis 90 des vorigen Jahr¬
hunderts gewesen sein, da erregten innerhalb Wiens und
weit über die Gemarkung der verbündeten Kaiserstadt hinaus
kurze dramatische Dialoge, die in dem sogenannten „Anatol¬
Zyklus“ zusammengefaßt waren, Beachtung, Aufsehen, Sen¬
sation, und nicht zu vergessen, die Entrüstung aller gesinnungs¬
tüchtigen, sittenstrengen Bürger diesseits und jenseits der
schwarz=gelben Pfähle. Wieso? Warum? Weil hier mit
einer unendlichen Zartheit (aber allerdings auch Zärtlichkeit),
Grazie, Behutsamkeit und jeglichem Mangel an Heuchelei jene
Dinge behandelt wurden, die man zwar in aller Welt tut,
aber von denen man dazumal in guter Gesellschaft noch nicht
sprach. Voll souveräner Willens= und Gewissensfreiheit hatte
Schnitzler die heiklen Fragen vom Entstehen und Vergehen
des Lebens und der Liebe behandelt. Er hatte das unverzeih¬
liche Verbrechen begangen, die verhüllten Bilder von Eros
und Hymen restlos zu entschleiern. Gewiß doch: man wußte
wohl aus Volksliedern, die Bursch und Mädel sangen, ohne
sich viel dabei zu denken, daß Scheiden und Meiden wehtue.
Und wenn man nicht mehr Bursch und Mädel wor und den
eigenen Nachwuchs vielleicht schon das weniger überzeugende
als überzeugte Märchen vom Klapperstorch lehrte, so ging
man selbst in die Salon= und Ehebruchsdramen Pariser Im¬
ports, unterhielt sich zwei Stunden hindurch fürbaß und
kehrte alsdann heim, befriedigt darob, daß solche Ruchlosigkeit
K. WA
zeit in zwei große Gruppen ein: in die eine,
die immer in der Frucht iebi, bei ihrer sorglich ver¬
hehlten und durch reichniche Auimilierung überzucker¬
ten Abstammung meuchlings ertappt zu wer¬
den, und in die andere, die jedem Neutralen
und Unvefangenen ungefragt sofort mit dem
fatalen Bekenntnis zur eigenen Rasse ins
Gesicht springt, und durch diese unangebrachte Be¬
kennerwut (die von stolzem Bekennermut ebenso weit
entfernt ist wie die Verleugnungsmethode) den arglosen Part¬
ner nur in eine unmotivierte Verlegenheit versetzt. Jahre
um Jahre sind über diesen brennenden Zeit= und Streit¬
fragen, wie sie sich in einem seiner Epoche weit vorangeeilten
Dichterhirn und Herzen spiegelten, verstrichen.
Arthur Schnitzlers Kunst am Worte aber ward immer
liebevoller, erlesener, wie von jeglicher Erdenschwere befreit.
Im ganzen deutschen Reiche schrieb kaum ein anderer Dichter
ein so gepflegtes, graziles, über den Menschen und Dingen
gleichsam schwebendes Deutsch. Dergleichen kannte man allen¬
falls in Frankreich oder Italien, wo die Erziehung zur
künstlerischen Form durch jahrhundertealte Tradition Gesetz
war. Es blieb auch gleich, welche Kunstgattungen Arthur
Schnitzler gelegentlich bevorzugte; die tänzerische Seele seiner
Schöpfungen blieb all seinen Werken — mochten es Romane,
Dramen oder die von ihm besonders geliebte und meisterlich
beherrschte Form der Novelle sein — zu eigen. Die Stoffe
aber, denen er seine inkommsensurable Kunst angedeihen ließ,
pendekten stets zwischen den beiden Polen: lebenerzeugende
Liebe und — Tod, Entstehen und Vergehen hin
und her. Vielleicht war das ein biologischer Atavismus des
selbst zum Mediziner bestimmt Gewesenen, der einer Familie
angesehener Aerzte entstammte. In seinem ausschließlich in
der Sphäre zwischen Tod und Leben spielenden „Professor
Bernhardi“ packte er wieder mit kühner Hand die Tages¬
frage der konfessionellen „Zuständigkeit“ am
Sterbebett an und entfachte durch seine milde gütige Toleranz,
die Schwester der echten Charitas, wieder einmal die Empö¬
rung einer ebenso engstirnigen wie subalternen Widersacher¬
Gemeinde. Sie ließ ihn kühl. Konnte ihn kühl lassen, denn
er wußte es besser. Zu der eigenen beruflichen Anschauung
des Heilkundigen gesellte sich in Schnitzler immer mehr und
mehr jene letzte künstlerische Intuition, die ihn in der
Ueberzeugung stärkte, daß Liebe und Tod vielleicht selt¬
same, aber keineswegs seltene Schlafgenossen sind.
In zahllosen Variationen hat Arthur Schnitzler die „ars
amandi“ eines etwas dekadenten und degenerierten Zeitalters
abgewandelt. Er hat um Wahn und Wähnen aller Lieben¬
den gewußt; mochten seine Gestalten noch vor der Schwelle
der Erfahrung, mitten im knospenden „Frühlingserwachen“
stehen, oder mochten sie schon abwärts den „Einsamen Weg“.
oder den „Weg des Todes“ — wie er sie oftmals genannt —
in Schatten und Dämmerung schreiten. Er hat nichts un¬
gesagt gelassen, hat keine noch so heimliche Nuance vergessen.
Jedoch dieser Dichter, der eitel Nerv und Seele, eitel Ver¬
ständnis und Duldsamkeit war, sagte alles mit so hauchfeiner
Zärtlichkeit, daß einem auch das Absurdeste selbstverständlich
ward. Absurd dagegen erscheinen mußte unserer rauh und
roh gewordenen Gegenwart, die längst verlernt hatte, irgend¬
wann oder irgendwie eine Milderung zu wahren; der viel¬
mehr nicht Grobes grob genug, nichts Nacktes nackt genug
sein konnte; die längst alle Feigenblätter auf den Kehricht¬
haufen einer angeblich überholten Ethik geworfen hatte; daß
just diese Gegenwart in selbstverspottender Scheinheiligkeit
vor acht Jahren Arthur Schnitzler den hochnotpeinlichen
Prozeß machen konnte, weil eine junge Bühne es unter¬
nommen hatte, ohne Wissen und Wollen des Dichters die
letzte Szene des Anatol=Zyklus, den „Reigen“ aufzuführen.
Schnitzler hat eben dieses Dramolet seinerzeit ausdrücklich
von der Bestimmung für das Theater ausgeschlossen und
nur in einem Privatdruck einigen wenigen Freunden zu¬
gänglich gemacht. Trotzdem, nachdem längst Wedekind mit
seiner „Büchse der Pandora“ oder seinem „Schloß Wetter¬
stein“ die Schaubühne und die Schaulustigen genugsam ab¬
gehärtet haben sollte; und nachdem bereits eine neue Gene¬
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Annahme von Bestellungen
auf die
Jüdisch-liberale Zeitung
bei allen Postämtern Deutschlands
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