VI, Allgemeine Besprechungen 2, Ausschnitte 1925–1929, Seite 27

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Zeatung: Veser Zeitung
Bremen
29
CK. Welche deutschen Bücher liest man in Amerika? Der
Professor für deutsche Sprache an der Newyorker Columbia¬
Universität H. W. Puijett schräbt auf Grund einer Umfrage,
die er bei den verschiedensten auferikanischen Universitäten veran.
staltet hat, übes Geutscher Autogen in Amerika“. Er weist darauf
hin, daß eine sosche Umfrage vor dem Kriege ganz andere Er¬
gebnisse gezeitigt hätte: die lüngere Generation sei kritischer
geworden und habe anders geartete Interessen. Nur die älteren
Leser bevorzugen noch die bekannten älteren deutschen Autoren,
unter denen übirgens neben Goethe und Gottfried Keller auch
Karl May und die Marlitt stehen. Die 10 Lieblinge der ame¬
kanischen Lesewelt sind nach einem Bericht des Buchhändler
Börsenblattes bis auf Rilke alle noch am Leben. An erster
Stelle steht Gerhart Hauptmann, der durch seine „Versunkene
Glocke“ in der Neuen Welt ebenso berühmt geworden ist wie
Sudermann durch seine „Frau Sorge.“ Diese beiden Werke
werden am häufigsten verlangt, und erst wenn man sie nicht
bekommen kann, begnügt man sich mit anderen Werken der
beiden Dichter als Ersatz. An dritter Stelle steht Arthur
Schnitzler. Bei weiten am meisten getefen wirb aber gegenwärtig
Jakod Wassermann, der dreimal so viel Stimmen bekam als
irgend ein anderer Autor. Dagegen kann. sich das amerikanische
Publikuck mit Thomas Mann nicht befreunden, dessen Dichtun¬
gen das „Meteorische“ fehlt, der leidenschaftlich fortreißende
Rhythmus, wie ihn die Bücher von Ernst Toller und Franz
Werfel aufweisen. Unter den nicht=dichterischen Büchern werden
die Werke der beiden Antipoden, des Grafen Keyserlingk und
Emil Ludwigs genannt, die beide ziemlich gleichmäßig beliebt sind.
Mit an letzter Stelle auf der Liste steht als einziger Lyriker
Rilke, während man George in Amerika wenig Verständnis ent¬
gegenbringt.
A
II., Am Pratereiern Telephon A-42-102
Erst- und Alleinaufführung für Wien.
Das grüsste aurapäische Filmwert
u. A. Diefants MOULIN ROUGE“
In del Hauptrolle Oiga Tschechowe.
Reginn der Vorstellungen 5. 7 und 9 Uhr. Sonntag ab 4 Uhr.

P
Der europäische Sceuario-Edilor,
Gespräch mit dem Filmdichter Lajos Wiro.
Von Jenö Mohaest.
Universal=Film verhalf ihrem Beschlusse, in nächsten
Jahre zwölf Filme in Europa drehen zu lassen, zur Wirklich¬
keit, indem sie Paul Kohner als Produktionsleiter und
Lajos Biro als Scenario=Editor nach Berlin sandte. Biro,
der Verfasser der erfolgreichen Manuskripte „Hotel Stadt
Lemberg“ „Der letzte Befehl", „Der Weg allen Fleisches",
„Die gelbe Lilie", „Die Nachtwache“ und vieler anderer,
äußerte sich über die europäische Produktion der Amerikaner!
und über die Zukunft der Filmtechnik in folgender Weise:
„Wir haben die Aufgabe übernommen, geistige Valuta
zu beschaffen, die in zwei Weltteilen Geltung haben soll. Die
bisherigen Versuche dieser Art hatten wenig Erfolg. Entweder
kamen Stockamerikaner nach Europa oder europäische Schrift¬
Der neue Henny¬
Flucht.
Porten-Film
4
steller nach Hollywood. Es gelang ihnen nur schwer, sich in
das fremde Milieu, in den fremden Geist einzuleben. Paul
Kohner und ich kennen sowohl Europa, woher wir stammen,
wie auch Amerika, wo wir uns lange aufhielten. Wir sind
auf der Suche nach geeigneten Vorwürfen, haben aber das
Gefühl, daß vor allem einige Werke Arthur Schnitzlers
Milc
dazu berufen sind, in verfilmter Form sowohl Europa wie
einet
Amerika zu entzücken.
Dem Tonfilm in seiner heute angestrebten Form
letzte,
muß ich jede Zukunft absprechen. Die Jagd nach
natig
dem Tonfilm halte ich für eine Psychose. Ganz gewiß wird
sich etwas aus dem Tonfilm entwickeln, charakteristische
Geräusche oder hie und da besonders bezeichnende einzelne
Wörter und einige Worte werden die Filmhandlung an
ihren Höhepunkten bereichern. Aber der heutige Tonfilm
erinnert an den Wurstelprater: oben spielt der Hanswurst
und von unten ist eine blecherne Stimme zu hören. Es ist
aber auch künstlerisch unmöglich, daß sich zu den schwarz¬
weißen zweidimensionalen Bildern auf der Leinwand eine lau#
S PIONEin den Wiener Kinos g1ldt
dreidimensionale Stimme geselle! Der Versuch der Warner
Brothers mit „Vitaphone“ hat bei den übrigen Filmprodu¬
zenten nicht die pflichtmäßige Shepsis hervorgerufen, sondern
sie alle bewogen, diesen Sprechfilm nachzuahmen. Dieober.
universale Wirkung eines Sprechfilms ist wegen der Ver= mist
schiedenheit der Sprachen a priori ausgeschlossen. Bei den ha
gegenwärtig hervorgebrachten Produkten handelt es sich eiche
also um Sprechfilme für das englische Sprachgebiet. Man tädik
verfertigt diese nach verschiedenen Methoden. Man nimmt
die Bewegungen und die Sprache entweder auf einmal oder
abgesondert voneinander auf. In beiden Fällen handelt es
sich um ein Zwitterding, das nur dazu führen kann, den so
schwer geschaffenen und ausgebildeten Spielstil des Films
zugrunde zu richten.
In einigen Jahren werden wir den farbigen
Film haben. Gegenwärtig wird in dieser Richtung an zwei
oder drei Verfahren gearbeitet, die Erfolg versprechen. Bei
dem farbigen Film werden aber dem Regisseur die natürlichen
Farben nicht genügen. Noch später kommt dann der letzte
große Schritt: der dreidimensionale Film!
Ueber die europäische Kolonie in Hollywood wurde
schon viel geschrieben. Es ist seltsam, daß leider relativ so
wenig Oesterreicher in Hollywood anzutreffen
sind. Mir fehlten in Hollywood die Oesterreicher geradezu,
in dem Hollywood, wo die Europäer bekanntlich erst richtig
ihr Europäertum entdecken. Der Mangel an Oesterreichern
in Hollywood ist um so auffallender, da die im Wiener
Milieu spielenden Filme in Amerika mit der größten
Sympathie aufgenommen werden (ebenso wie neuerdings
auch die ungarischen Milieus) und da Wien auf die Ameri¬
kaner einen unvergänglichen Zauber ausübt!“
„Shanchai.“

Nias=L