VI, Allgemeine Besprechungen 2, Ausschnitte 1925–1929, Seite 32

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2. Cuttings
DER BAZAR
Stchter“ von Hons Schön
S
te ds
Der ausgezeichnete Novellist und Lyriker L
Der Dichter als Heilkünstler der Menschheit und der Arzt
1876 geboren, lebt als praktischer Arzt in Gaien
mit dem feinen Einfühlungsvermögen des Dichters — sie be¬
see. Frauenarzt in Prag war Hugo Salus, de
gegnen einander oft genug auf gleichem Wege, sehen einander mit
riker, dessen Sang ein Hymnus an die Frau ah
einem Augurenlächeln in die Augen und wissen um das Gemein¬
Wie heißt es doch im „Ehefrühling“?
same ihrer Aufgabe. Immer wieder lockt es den Dichter, Arztliches
Geh ich dann Sonntag früh zu meinen
zu gestalten — Thomas Mann in seinem „Zauberberg“ ist ein
So leuchtet es mir mahnend in die Au
klassisches Beispiel dafür — seltener aber ist der Fall, daß sich Arzt
Und zwischen Tod und Siechtum und
und Dichter in einer Person vereinigt finden. Dennoch kann man
Wie Blumen aus den Ritzen einer Mal
aus der Vergangenheit und Gegenwart eine ganze Anzahl von
Lacht mir die Mahnung an mein Glüch

Persönlichkeiten anführen, in denen diese Verschmelzung verwandter
Alfred Döblin, der Autor des vielge
Berufe —beiden steht das Problem Mensch im Brennpunkt des Er¬
„Berge, Meere und Giganten“, übt im Osten?
lebens — zu hervorragenden künstlerischen Gestaltungen führte.
gedehnte ärztliche Praxis aus. Er ist vielleich
Schon in früheren Jahrhunderten waren die Beziehungen
Beispiel des modernen Dichterarztes. Heilen
der Arzte zur Dichtkunst ziemlich rege. Der große Mystiker An¬
Professor Dr. Carl Ludwig Schleich
so heiligt sie auch seinen ärztlichen Beruf zum Gottesdienst. —
Ein ausgezeichneter Dichter von Kirchenliedern war der Arzt am
Halleschen Waisenhaus Christian Friedrich Richter (gest. 1711).
Von ihm stammt das Lied „Es glänzet der Christen lebendiges
Leben“, das von Schleiermacher als Perle aller Kirchenlieder
gerühmt wird. Ein bekannter, wenn auch heute schon vergessener
Dichter war der Mediziner Johann Valentin Pietsch, der Lehrer
Gottscheds, dessen „Poetische Werke“ 1725 erschienen.
Albrecht von Haller, der berühmte Schweizer Dichter, war
nicht nur Mitbegründer der klassischen deutschen Poesie, sondern
auch einer der Hauptbegründer der Wissenschaft der Physiologie.
Als „göttlich“ gepriesen wird noch von Herder der Leibarzt
des Grafen Bentheim, Johann Philipp Withof, dessen Gedichte
1751 erschienen. Auch sein Kollege, der Professor der Medizin
an der Leipziger Universität, Irichlich Andreas Gatlisch, muß
hier genannt werden. In den meisten Musenalmanachen seiner
Zeit ist er mit Gedichten vertreten.
Bekannt ist die Einwirkung, die der Augenarzt Jung¬
Stilling mit seiner poctischen Lebensbeschreibung auf Goethe
ausübte. Auch Johann Georg Zimmermann, der Arzt Friedrich's
Dr. Ludwig Finckh
des Großen und Freund Goethes, betätigte sich literarisch.
Dr. Arthur Schnitzler
Karl Arnold Kortum, vor einem Jahrhundert als Vergarzt
springen bei ihm aus dem gleichen Überfluß e
in Bochum verstorben, schrieb in seiner „Jobsiade“ das beste
gelus Silesius, der Dichter des „Cherubinischen Wandersmann“,
ganze sich verlierenden Persönlichkeit. In sein
komische Heldengedicht, das wir bisher in deutscher Sprache
wurde „mit höchstsonderlichen Ehren“ in Padua zum Doktor der
das psychologische Moment eine große Rolle.
haben. Ihm widmet Otto Julius Bierbaum in seiner Vorrede
Medizin befördert. Er war eine Zeitlang als Leibarzt in Ols tätig.
analyse mit ihrer Entdeckung der vielen Unterst
zur Inselausgabe der Jobsiade die humoristischen Verse:
Kaiser Ferdinand III ernannte ihn zum Hofmedikus. Bei Angelus
danken und Träumen gab Döblin starke Aura
Silesius bildete die mystische Grundstimmung seiner ganzen Per¬
kurzen Erzählungen, die oft erschütternde
Karl Arnold Kortum, Doktor der Med¬
sönlichkeit das Bindeglied zwischen Dichter und Arzt. Ter in Gott
Leben unserer Zeit wiedergeben, verwertet 6
izin war nebenbei bloß Poet.
ruhende Mensch ist ihm das Wunder aller Wunder, und wie seine
Denn er hielte nicht wenig auf seinen Magen
obachtungen, die der sorgfältig forschende As
Theosophie sein Wort zum dichterischen Erlebnis aufglühen läßt,
und meinte, das Hungertüchernagen
sei weder gesund noch angenehm;
drum dichtete er bloß außerdem
und legte sich fleißig aufs Krankekurieren,
Oper=Pur=Ordin= und Medizinieren,
weshalb ihm die Arzte in Bochum zuletzt
und nicht die Poeten ein Denkmal gesetzt.
Groß ist die Zahl der Arzte, die führend in den literarischen
Bewegungen unserer Zeit hervorgetreten sind. Nur einige Namen
sollen hier genannt werden. Ein Arzt, Dr. Conrad Küster, rief
den Verein „Durch“ ins Leben, der mit Wille, Bölsche, Mackay
und anderen dem Naturalismus in Deutschland Vorpostendienste
leistete. Das Schlagwort „Die Moderne“ (Gegensatz: Die Antike)
wurde in diesem Verein geprägt und blieb lange in Geltung.
Aberauch in der vordersten Linie der Dichtenden selbst stehen Arzte.
Arlhur Schnitzler, der Dichter so vieler Dramen, in denen