VI, Allgemeine Besprechungen 2, Ausschnitte 1928–1931, Seite 11

2. Guttings
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Reprinted from
Tux MoDERN LANGUAGE JOURNAL
Vol. XV“ No. 6, March, 1931
ARTHUR SCHNITZLER. Stoziand. Blams. Edited with Introduction,
Notes, and Vocabulary By Alleh W. Pörterfield. D.C. Heath
and Company. Pp. 335.
Charakteristisch fü die deutsche Kultur ist ihre Dezentralisa¬
tion. Nur das Verständnis für die vielen Spielarten dessen, was
man unter der Bezeichnung" Deutschtum' zusammenfasst, gibt
einen Begriff vom wahren Wesen desselben. Däher kann#ameri¬
kanische Student, der z.B. nur Storm, Wildenbruch und Suder¬
mann in die Hand bekommt und etwa noch mit dem Berliner Heyse
südlichere Gegenden besucht, keinen richtigen Einblick in die man¬
nigfaltige Zusammensetzung des deutschen Wesens erhalten. Bei
der Auswahl des Lesematerials empfiehlt es sich, diese Erkenntnis
in Betracht zu ziehen und nebst guten norddeutschen Schrifstellern
auch gleichwertige aus anderen deutschen Gebieten Europas zur
Lektüre zu verwenden. Der Schweizer Gottfried Keller und der
bayrische Humorist Ludwig Thoma—um nur zwei zu nennen—
würden deshalb eine vortreilliche Ergänzung der oben erwähnten
Autoren bilden. Das wachsende Interesse für die deutsch-oester¬
reichische Literatur muss vom selben Gesichtspunkt aus begrüsst
werden. Der hochkultivierte Arthur Schnitzler, der feine, lyrische
Ferdinand von Saar, die empfindungsvolle Marie von Ebner¬
Eschenbach, oder der volkstümliche, gemütsinnige Alpenländer
Rosegger sind gewiss glänzende Vertreter deutscher Erzählungs¬
kunst. Natürlich muss bei der Herausgabe von Werken mit stark
ausgeprägtem Lokalkolorit besondere Sorgfalt walten. Wie der süd¬
deutsche Leser bei nördlichen Schriftstellern manchmal auf Schwei¬
rigkeiten stösst, etwa Storms“ Pesel'’ nicht versteht, so werden
dem Norddeutschen typische Wiener Redensarten und Ausdrücke
schwer, wie sie beispielsweise bei Schnitzler oft vorkommen. Um
so weniger kann man vom ausländischen Deutsch-Lehrer erwarten,
dass er alle lokalen Spracheigentümlichkeiten richtig auffasst. Ab¬
solut verlässliche Anmerkungen und ein volkommenes Vokabular
müssen da helfend eingreifen. Professor Porterfield steuerte zwar
eine sehr interessante Einleitung über die Persönlichkeit und die
Dichtung Schnitzlers bei, aber seine Anmerkungen lassen recht
viel zu wünschen übrig.
Manche sind wegen ihrer weit-hergeholten literarischen An¬
spielungen unnötig, wie etwa S. 225, Anmerkung zu S.120, Zeile 6:
"Ueberzieher. Georg’s overcoat is reminiscent of Erich’s brown
overcoat in Storm’s Immensee.?’ Oder: S.230, Anm.zu S. 162, Z.24:
Schicksalsnotwendigkeit. The word reminds of Hebbel.’—An¬
dere erscheinen überflüssig, weil sie Selbstverständliches kom¬
plizieren, z.B. Anm.zu S.8, Z.10:“wandte .... um. Schnitzler uses