VI, Allgemeine Besprechungen 2, Ausschnitte 1928–1931, Seite 53

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2. Guttings
ganz ähnlich, wenn, äußerungen.“ Zu dieser Persönlichkeit aber gehört im ge¬
gebenen Falle auch die nicht allen Philosophen verliehene
ellschafts=Witzigen,
Gabe, amüsant zu sein, das heißt, eine glückliche Beobachtung
ird mir jetzt klar:
derart zu formulieren, daß ein Lachen daraus hervorbricht.
lügen.“ Später
Alle Welt schreibt heute Memoiren; und was sagt Schnitzler
s den „Weibern“
über diese Memoirenschreiber, ohne einem einzigen aus ihrer
letzte schmerzliche
illustren Schar persönlich weh zu tun? Er sagt, gleichfalls
es in Schnitzlers
in einem Aphorisma des genannten Buches, mit dem ernstesten
n Weiher“, dessen
Gesicht: „Man hat es so leicht, seine Erinnerungen zu
erleben durfte, in
schreiben, wenn man ein schlechtes Gedächtnis hat.“ Bergson
sich leicht. Auch
sollte diesen lapidaren Satz in sein Buch über das Lachen
lauterste Poesie.
aufnehmen. Denn das ist, wenn irgend etwas, wahre Lust¬
Dialog versprühte
spielphilosophie.
Der Probestein für jede Philosophie ist ihr Verhältnis
harakteristik —.
einem köstlichen
zu Gott. Wie steht es damit bei Schnitzler? Dieser feine
Bedenken.“ Es ist
Skeptiker, der seine Bekannten zeitlebens mit „Grüß Sie
von lebendigster
Gott!“, seine Freunde, noch inkonsequenter, mit „Grüß Sie
der Himmel!“ begrüßte, galt bei Leuten, die ihm die herr¬
er Art etwa der
liche Unabhängigkeit seines Geistes und Charakters übel¬
ehnten und acht¬
nahmen, für einen sehr unsicheren Kantonisten in Glaubens¬
eines Chamfort.
sachen. Tartüff, der ihm den „Professor Bernhardi“ nicht
Bruyère, wenn
verzeihen konnte, sagte zwar nicht, daß er ihm dieses Stück
enschheit ist es so
nicht verzeihen konnte — es liegt nicht in der Art Tartüffs,
en und erst durch
die Dinge so gerade heraus zu sagen — wohl aber bemerkte
n nicht Chamfort
er mit Bedauern, daß Schnitzlers Werk nirgends ins „Meta¬
er deine bittersten
physische“ hinübergreife, das so ziemlich schlimmste, was
sehr du sie ver¬
man einem deutschen Dichter nachsagen kann. Wer das Ge¬
nnoch atmet jeder
heimnis leugnet, wird in Deutschland nie und nimmer
in ihrem Gefüge
„Geheimer Rat“, und auch Schnitzler ist es nicht geworden,
s er selbst einmal
wollte es auch gar nicht werden, weil er sich die Klarheit
„Was als Per¬
köglichkeiten eines
seines Urteils um keinen Preis und keinen Rang der Welt
ufälligen Lebens= abkaufen ließ. Ihn Dirum einen „Atheisten“ nennen zu

wollen, wie es seine Gegner taten, wäre nicht nur übertrieben,
sondern höchst ungerecht. Er selbst hat sich einmal darüber
in einem Brief an mich sehr deutlich ausgesprochen, aus dem
eine Stelle hier wörtlich anzuführen ich mir um so eher er¬
lauben darf, als sie der Sechsundsechzigjährige, der sich ja
zeitlebens viel mit Todesgedanken beschäftigte, gewiß auch
mit Hinblick auf die Nachwelt zu Papier brachte. Schnitzler
wendet sich gegen den wiederkehrenden Vorwurf, daß er die
„übersinnliche Welt“ ablehne, und fährt dann fort:
... Was ich ablehne, ist nur das läppische und unlautere
Geschwätz über das Unfaßbare, Unendliche, Ueber= oder
Außersinnliche. Doch bin ich keineswegs so töricht, das Be¬
stehen einer solchen übersinnlichen Welt und ihr Hinein¬
spielen, Hineinragen, Hineindrohen in unsere menschliche
Existenz zu leugnen. Freilich, mit den Flüchtlingen des
Gedankens, den Mystikern und Okkultisten, von den Spiri¬
tisten gar nicht zu reden, will ich nichts zu tun haben, und
bleibe, der Grenzen alles metaphysischen Erkennens wohl
bewußt, auch weiterhin in den Reichen der Realität und des
relativ Erforschbaren redlich bemüht, die mir, gemessen an
der Kürze unseres Erdendaseins und der Unzulänglichkeit
unserer Sinne, auch schon unendlich und geheimnisvoll genug
erscheint.“ Spricht so ein platter Materialist und Gottes¬
leugner? Gewiß nicht. Wohl aber ein Mann, der an die
Wahrheit glaubt. Auch das ist Glaube und vielleicht der
sittlichste Teil jedes Glaubens, jeder Religion. Wenn also,
wie die Priester sagen, Gott die Wahrheit ist, dann waren
auch die philosophischen Bemühungen Arthur Schnitzlers,
des Künstlers wie des Denkers und des Menschen, der beide
zusammenfaßt, auf Gott gerichtet. Dann iebte, dann dichtete,
dann ruht er „in Gott“.