VI, Allgemeine Besprechungen 2, Ausschnitte 1928–1931, Seite 64

2. Cuttings

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Schnitzlers persönliche Schicksale das übrige getan. So war
loses Schluchzen aus. In der legendenhaften Erzählung „Um
in ihm eine kostbare Mischung vollendet: Tragik, Humor,
eine Stunde“ schwingt ein Echo dieses tragischen Ereignisses.
Ernst, Witz und tieferes Bedeuten. Dieses Dichterwesen in
Einige Jahre mußten vergehen, bis dieser Schlag halbwegs
seiner herbsüßen Art, in seinem würzigen Gehalt, in seinem
überwunden werden konnte, lange Jahre brauchte es, bis
Wechsel von Trauer und Gelächter, in seinen Uebergängen
Schnitzler in einem neuen Bund Beschwichtigung zu finden
aus Dur in Moll, stellt eine Einmaligkeit dar der man sich
vermochte.
nicht entziehen kann und deren persönlicher Wirkung keiner
Erinnert man sich des Humors, den Schnitzler so reich¬
je vergessen wird, der sie erfahren durfte. Schnitzlers Phantasie
lich und so erfrischend besessen hat, denkt man seiner fast
sprudelte unerschöpfliche Stoffe, Entwürfe, Pläne zutage.
kindlich naiven Sinnenfreude, seines gelegentlichen Ueber¬
Wie oft, wie sehr oft kam er und sagte mit einer komischen,
mutes, der freilich nur selten, dann aber hinreißend auf¬
mit einer schalkhaften Miene: „Mir ist schon wieder ein
schäumen konnte, besinnt man sich der ungeheueren Einfalls¬
Lustspiel eingefallen .. .“ Er zögerte, brach in helles Lachen
fülle humorig, blitzender Sentenzen und Situationen, die
aus und berichtete sodann voll Ergötzen: „.. aber der Held
ihm zuströmte, dann glaubt man, er war zur Heiterkeit ge¬
wird ermordet!“ Wie oft kreuzte er in selbstironischer Rat¬
schaffen. Liest man in dem jetzt vorliegenden Band die Titel¬
losigkeit die Hände, griff mit der Rechten das Gelenk der
novelle oder „Er wartet auf den vazierenden Gott“ oder
Linken, eine Gebärde, die ihm eigentümlich war, und rief:
„Welch eine Melodie“ oder die ins Groteske spielende Ge¬
„Was soll ich anfangen? Meine Lustspielpersonen nehmen
schichte „Wohltaten, still und rein gegeben“ oder gar
alle ein schreckliches Ende!“ Und schien gar nicht zu wissen,
„Exzentrik“, festigt sich die Meinung, hier sei ein Dichter
wie unentrinnbar er einem Schicksal verknüpft blieb, das
gewesen mit der Gabe begnadigt, alles Schwere, alles Trüb¬
stärker war als er. Oder wußte er es doch? Dieser wunder¬
selige in die Höhensonne des Lächelns zu erheben. Eines von
bare, innerlich reine und adelige Mensch, dessen Nähe so viel
Schnitzlers Meisterwerken, das jetzt zu Paris den stürmischen
Beglückung spendete, dessen Verlust so schwer zu tragen ist,
Frohsinn aller Verstehenden erregt, die Szenenfolge „Reigen“,
lebt mit allen Elementen seines Werdens seines Schaffens
zeugt für ein Lustspieltalent vom Format des Aristophanes.
in dem Buche wieder auf, das wir jetzt besitzen. Dieses Buch
Doch die Hand der Vorsehung, die das V##rden Schnitzlers
ermöglicht allen, die Schnitzler nicht persönlich kannten, ihm
gelenkt hat, bestimmte es anders. Dem Blick war auf Elend,
näher zu kommen, gibt allen, die ihn erlebt haben, Auf¬
Krankheit und Tod gerichtet durch das ärztlich Studium,
schlüsse zu seinem Gedächtnis, das immer lebendiger und
das tief in seinem Herzen Mitfühlen wachrief, das seine
leuchtender wird. Er hat mehr gewußt, Arthur Schnitzler, als
Fröhlichkeit oft und oft dämpfte. Sein Hinwandeln zwischen
die Leser gewöhnlich merken. Sein Verhältnis zum Dasein,
hellstem Glanz und traurigsten Nachtseiten des Daseins gab dieses erst nur ahnende, später ganz bewußte freie, tapfere
der Schwermut Anlaß über Anlaß, der Neigung zur Melan¬
und ernste Ringen mit dem Schicksal ist sein hohes Werk,
cholie, die in der Seele jedes Dichters schlummert, auch des ist seine hohe menschliche Leistung geworden. Dessen bleibt
Dichters, dessen Natur von Humor gesegnet ist. Dann haben“ dieses Nachlaßbuch ein wichtiges Dokunent.