VI, Allgemeine Besprechungen 2, Ausschnitte 1933, undatiert, Seite 4

2. Cuttings

Für 50
100
200
„ 1000
Abonnen
Abonnen
box 38/4
(Vortrag Hermann Bahr.) Ein überaus zahlreiches
Publicum hatte sich gestern im Kaufmännischen Vereinshaussaale
eingefunden, um Hermann Bahr zu hören, Hermann Bahr,
das Linzer Kind, das sich in aller Welt herumgetrieben, viel
von sich reden, aber schließlich sich auch einen Namen gemacht
hat. Es ist schon viele Jahre her, dass Hermann Bahr nicht
in Linz spuach, ja viele Jahre, dass er nicht länger in seiner
Vaterstadt geweilt. Er begann auch selbst den Vortrag mit einer
persönlichen Erinnerung an seine Jugendzeit, mit Worten, aus
denen ein tiefes und echtes Heimatsgefühl sprach, und er be¬
zeichnete sich schließlich als den verlerenen Sohn, der nunmehr
wieder einmal zur Heimat zurückgekehrt sei. Als Thema seines
Vortrages hatte Bahr über „moderne Literatur“ bezeichnet,
einen Vortrag aber im strengen Sinne des Wortes kann man¬
es nicht nennen, was er hielt, wohl aber eine reizende geistreiche
Plauderei, eine Causerie, wie der Franzose sagt, durchtränkt von
feinem Humor, voll von treffenden Bemerkungen, aber auch nicht
ohne einen stellenweisen Hang zur Bizarrie und Persiflage.
Von einem akademischen Vortrage hatte das Ding nichts an
sich, aber es gab niemanden im Publicum, der sich dabei nicht
unterhalten hätte, und stellenweise wusste der Redner das
Publicum auch mit sich fort zu reißen und ihm geradezu seine
Ansichten förmlich aufzuzwingen. Auch über moderne Literatur
sprach eigentlich Hermann Bahr nicht, er schränkte sofort sein
Thema ein und sagte, er wolle erzählen, wie die Gruppe
der Wiener Literaten, die man
Jungwien zu nennen
pflegt, entstanden sei, und was
sie anstrebe.
An
zwei Beispielen aus dem Leben charakterisierte Bahr den
Zustand, den dieses Jungwien vorgefunden, den Zustand, in dem
man das Dichten als eine höchst unfruchtbare Beschäftigung as
ansah, das Dichten nicht mehr modern war. Da kamen denn sen
die jungen Leute im Café Griensteidl zusammen und sagten:
da muss etwas geschehen, und endlich fanden sie, was geschehen
müsse, man müsse nämlich aus dem heimatlichen Boden heraus,
man müsse eine Wiener Literatur, Wiener Stücke und Wiener
Geschichten schreiben. Und sie giengen hin und thaten es, das
literarische Jung=Wien war da. Diese Darlegungen des Redners
erhielten ihren eigenen Reiz dadurch, dass er schilderte, was er
miterlebt, einen Kreis, dessen Mittelpunkt er gewesen, dass er
schilderte wie er und die anderen rangen, strebten, erreichten,
wobei manch scharfer Hieb nach allen Seiten flog, auf das
Publicum, auf die Kritik und auf die Herren von Jung=Wien
selber. Bahr führte dann aus, wie schließlich auch Jung=Wien in
die Gefahr kommen muss, sich in bloße Routine und Manier
aufzulösen, und wie diese Gefahr hoffentlich dadurch beseitigt
wird, dass jetzt auch die Provinz sich regt, und neben der
Wiener Literatur die provinziale ihre Stimme erhebt. Sie
beide, so hofft er, die Wiener und die Provinz=Literatur
würden sich ergänzen und in ihren Händen liege die Zukunft
und die Entscheidung darüber, ob Jung=Wien nichts sein wird
als eine bloße literarische Episode oder das erste Capitel eines
neuen Literaturabschnittes. Ueberdies scheint Bahr selbst die
Absicht zu haben, auch seinerseits sich an die Provinz zu erinnern,
denn sein jüngst aufgeführtes Stück „Der Athlet“ spielt auf ober¬
österreichischem Boden und sein nächstes, das binnen kurzem voll¬
endet sein wird, „Der Frazl“, behandelt das Leben des ober¬
österreichischen Dialeetdichtels Franz Stelzhamer. Wir müssen
es uns natürlich versagen, hier auch nur in flüchtigen Umrissen
den Vortrag selbst wiederzugeben, wir könnten die Hauptsache
nicht erreichen, die Wirkung, welche Hermann Bahr, der glänzende
Redner, der so leicht und graziös vom Podium herab spricht, als
säße er bei einer ungezwungenen Unterhaltung in einem Sal####
der dabei doch die Wirkung jeder Pointe abzumessen versteht,
unmittelbar auf den Hörer ausübt, sogar mit einem Thema, das
in seinen Voraussetzungen nur einem Theile des Publicums ver¬
ständlich sein kann. Wir beispielsweise bekamen von den
Wiener Dramen nur sehr wenige in Linz bisher zu sehen und
zu hören, Schnitzlers Liebelei“ und Bahrs „Tschapperl“, vielleicht
können wir noch Burckhardts „'s Katherl“ hinzurechnen, das sind
unseres Erinnerns die einzigen Erzeugnisse Jungwiens, denen
sich bisher die Linzer Bühne geöffnet hat. Es wäre eine Ehren¬
pflicht der Linzer Bühne, insbesondere die Kenn“
der Werke
Bahrs seinen Landsleuten eifriger zu
Inter¬
esse Hermann Bahr bei dem L##
bewies gestern der starte Besuch
Beifall am Schlasse dosselk“
M