2. Guttings
een enen een eeeeenennsen
Theraus, Wienerisch, österreichisch zu sein. Bahr meinte,
daß Grillparzer und Saar gewiß auch Wiener sind, aber
doch nicht so bewußt als die junge Schule. Schade nur,
box 38/4
daß Hermann Bahr Raimund, Nestroy und Anzengruber
aus dem Spiele gelassen, hat, denen man das richtige,
bewußte Wienerthum gewiß nicht absprechen kann. Dieses
— „Concordia“=Vortrag. Am Sonntag sprach Wienerthum nun ist das Gepräge, auf das am meisten
Hermann Bahr über „Jung=Oesterreich“ oder, wie
Werth gelegt wird, und von diesem Standpunkte aus
der sein Thema näher präcisirte, Junz=Wien. Trotz der wird Manches gelobt und anerkannt, was anderswo
gleichzeitigen großen Veranstaltungen, welche viel Pu¬
eben wegen dieses besonderen Duftes nicht gewürdigt
blienm anzogen, hatte sich eine sehr zahlreiche Zuhörer¬
werden kann. Ob nun daran etwas Großes sei, fragt
schaft eingefunden, um den bekannten Schriftsteller per¬
Bahr, und antwortet selbst: Die „jungen Wiener“ haben
sönlich kennen zu lernen. Und hier gilt das „persönlich“
es verstanden, das Dichten wieder in die Mode zu
noch in ganz besonderem Sinne. Hermann Bahr ist es bringen; sie verdrängen Niemanden, und wenn sie nicht
nicht nur gelungen, durch seine wirklich geistvollen Essays
das Große, im alten Style Bedeutende bieten, so geben
und Kritiken, durch seine kühn vorwärts dringende pole¬
sie doch etwas Achtenswerthes überhaupt. Aus diesem
mische Art die allgemeine Aufmerksamkeit zu erregen,
Grunde verlangt er für die Leistungen von Jung=Wien
sondern — und er gesteht es kokett ganz offen ein — auch
etwas Achtung und ein bischen Neigung, Nun, was die
durch die äußere Form seines Gehabens das Interesse Achtung und Reigung anlangt, so haben sich die besten!
weiter Kreise auf sich zu lenken. Nun, es ist wirklich Köpfe von Jung=Wien über Mangel daran nicht zu be¬
etwas Ungewöhnliches, was er in seinem Vortrage bietet.
klagen. Arthur Schnitzler vor Allen hat sich den Boden
Seine Darstellung ist ohne Zwang, untermischt mit
vollständig erkämpft, und von Hugo von Hofmannsthal
kleinen Künsten, die ihre Wirkung nie verfehlen; sein
spricht man doch überall mit Achtung und wird ihm auch
Organ hat einen starken Reiz, den er in allen Modula¬
gern die Neigung zuwenden, Daß Jung=Wien unter der
tionen zur Geltung zu bringen weiß; die lässige Art,
Führung Bahr's so bescheiden sei, wie Bahr selbst an¬
die speciell das Wienerthum bedeuten soll steht ihm sosgibt, können wir nun nicht empfinden. Aber warum
gut, daß man von seiner=Causerte dassilbe Vexgnügen sollen wir nicht auch den Wiener stolz lieben wie den
hat, wie von einem feinenGesellngaftslustspille, das von Spanier!
den besten Schanspielern des Burgtheaters aufgeführt
Die Proben, die Hermann Bahr las, waren, von !.
wird. Was er uns zu sagen hatte, schien fast Nebensache
der ersten abgesehen, nicht gerade geeignet, das Dichter¬
gegenüber dem Gesammteindrucke der für Prag neuen
thum Wiens besonders glänzend darzustellen. Wir kennen
Form des Vortrags.
viel Besseres von ihnen. Aber da es sich um eine Vo¬¬
Bahr sprach also über Jung=Wien, und wenn wir
lesung handelt, bei der das Merkmal von Jung=Wien:
ihm sonst gern das Recht zugestehen wollen, in allen
das Grüblerisch=Sinnende, das Duftig=Unfaßbare nicht
Fragen der Kunst mitzusprechen, so hat er, wie man
gut zum Vorschein treten kann, so wollen wir auch
weiß, in der Frage Jung=Wiens noch ein ganz beson¬
daraus keinen Vorwurf schmieden. Nur auf etwas möchten
wir noch zu sprechen kommen, auf Hugo von Hofmanns¬
thal. Dieser junge Dichter ist, noch fast Gymnasiast, mit
einem reizenden dramatischen Bilde aus der Renaissance¬
zeit hervorgetreten: „Gestern“. Das kleine Büchlein ist
voll echte Poesie. Seither haben wir etwas so Erquicken¬
des und Ossen=Schönes von Hofmannthal nicht gelesen.
Wir sagen Offen=Schönes, weil die Dichtungen, die Hof¬
mannsthal seitdem veröffentlicht hat, sehr fein und tief;
sind, aber doch keine freie Wirkung üben. Es ist eine
Poesie für die obersten Tausend. Und das hat Hermann
Bahr auf dem Gewissen. Die Jung=Wiener schwören
mit Recht auf die hohe Begabung Hofnlannsthal's, aber
es muß ihm sein wie einem Zauberer, dem man immer¬
fort auf die Finger sieht, oder wie einer Frau, die auf
einem Balle als die voraussichtliche Königin erwartet
wird. Es scheint ihn die Verpflichtung zu drücken, als
Dichter immer etwas absonderlich Neues, etwas aus der
tiefsten Tiefe Geholtes zu bieten, und darüber geht seine
im Inneren frische Kraft für das eigentliche Volk ver¬
toren. Ich habe einige der letzten Gedichte von Hof¬
mannsthal mit Verwunderung gelesen. Man liest und
weiß nicht recht, worauf diese „schönen Adjectiva“ hin¬
zielen, und schließlich bleibt nur ein unbestimmtes
Klingen im Ohre zurück. Wir möchten nur wünschen,
daß Jemand dem Dichter den Muth beibrächte, einmal
nicht originell zu sein und sich zu geben, wie rr ist. Ich
denke, wir bekämen Dinge zu hören, die uns Alle herz¬
lich erfreuen würden. Wir bitten darum, nicht immer
„anders als die Anderen“; denn darin liegt zwar der
Kernpunkt einer neuen Schule, aber nicht der einer Per¬
sönlichkeit. Und vielleicht ersucht Hermann Bahr seinen
Freund, einmal ungenirt er selbst zu sein. Hermann
Bahr las von ihm die bekannte Einleitung zum
„Anatol“ von Schnitzler, und er liest wirklich vortreff¬
lich. Die Skizzen von Felix Salten kann ich nicht be¬
sonders hoch anschlagen. Es sind recht gewöhnliche Dinge,
die Salten als sub specie aeterni gesehen ausgeben
will. Lustig war vie Anekdote von Hermann Bahr: „Die
schöne Frau“. Sie erhebt keinen großen Anspruch und
wurde ungemein lebhaft belacht. Hier bei uns in Prag,
die wir nach einem bekannten Worte zwischen Berlin
und Wien liegen, wollen wir uns an Allem erfreuen,
was uns hier und dort geboten wird. Aber soweit sind
wir doch Oesterreicher, daß wir uns besonders freuen
werden, wenn sich Jung=Wien recht kräftig und voll
entwickelt. An Neigung wird uns niemals fehlen.
See
een enen een eeeeenennsen
Theraus, Wienerisch, österreichisch zu sein. Bahr meinte,
daß Grillparzer und Saar gewiß auch Wiener sind, aber
doch nicht so bewußt als die junge Schule. Schade nur,
box 38/4
daß Hermann Bahr Raimund, Nestroy und Anzengruber
aus dem Spiele gelassen, hat, denen man das richtige,
bewußte Wienerthum gewiß nicht absprechen kann. Dieses
— „Concordia“=Vortrag. Am Sonntag sprach Wienerthum nun ist das Gepräge, auf das am meisten
Hermann Bahr über „Jung=Oesterreich“ oder, wie
Werth gelegt wird, und von diesem Standpunkte aus
der sein Thema näher präcisirte, Junz=Wien. Trotz der wird Manches gelobt und anerkannt, was anderswo
gleichzeitigen großen Veranstaltungen, welche viel Pu¬
eben wegen dieses besonderen Duftes nicht gewürdigt
blienm anzogen, hatte sich eine sehr zahlreiche Zuhörer¬
werden kann. Ob nun daran etwas Großes sei, fragt
schaft eingefunden, um den bekannten Schriftsteller per¬
Bahr, und antwortet selbst: Die „jungen Wiener“ haben
sönlich kennen zu lernen. Und hier gilt das „persönlich“
es verstanden, das Dichten wieder in die Mode zu
noch in ganz besonderem Sinne. Hermann Bahr ist es bringen; sie verdrängen Niemanden, und wenn sie nicht
nicht nur gelungen, durch seine wirklich geistvollen Essays
das Große, im alten Style Bedeutende bieten, so geben
und Kritiken, durch seine kühn vorwärts dringende pole¬
sie doch etwas Achtenswerthes überhaupt. Aus diesem
mische Art die allgemeine Aufmerksamkeit zu erregen,
Grunde verlangt er für die Leistungen von Jung=Wien
sondern — und er gesteht es kokett ganz offen ein — auch
etwas Achtung und ein bischen Neigung, Nun, was die
durch die äußere Form seines Gehabens das Interesse Achtung und Reigung anlangt, so haben sich die besten!
weiter Kreise auf sich zu lenken. Nun, es ist wirklich Köpfe von Jung=Wien über Mangel daran nicht zu be¬
etwas Ungewöhnliches, was er in seinem Vortrage bietet.
klagen. Arthur Schnitzler vor Allen hat sich den Boden
Seine Darstellung ist ohne Zwang, untermischt mit
vollständig erkämpft, und von Hugo von Hofmannsthal
kleinen Künsten, die ihre Wirkung nie verfehlen; sein
spricht man doch überall mit Achtung und wird ihm auch
Organ hat einen starken Reiz, den er in allen Modula¬
gern die Neigung zuwenden, Daß Jung=Wien unter der
tionen zur Geltung zu bringen weiß; die lässige Art,
Führung Bahr's so bescheiden sei, wie Bahr selbst an¬
die speciell das Wienerthum bedeuten soll steht ihm sosgibt, können wir nun nicht empfinden. Aber warum
gut, daß man von seiner=Causerte dassilbe Vexgnügen sollen wir nicht auch den Wiener stolz lieben wie den
hat, wie von einem feinenGesellngaftslustspille, das von Spanier!
den besten Schanspielern des Burgtheaters aufgeführt
Die Proben, die Hermann Bahr las, waren, von !.
wird. Was er uns zu sagen hatte, schien fast Nebensache
der ersten abgesehen, nicht gerade geeignet, das Dichter¬
gegenüber dem Gesammteindrucke der für Prag neuen
thum Wiens besonders glänzend darzustellen. Wir kennen
Form des Vortrags.
viel Besseres von ihnen. Aber da es sich um eine Vo¬¬
Bahr sprach also über Jung=Wien, und wenn wir
lesung handelt, bei der das Merkmal von Jung=Wien:
ihm sonst gern das Recht zugestehen wollen, in allen
das Grüblerisch=Sinnende, das Duftig=Unfaßbare nicht
Fragen der Kunst mitzusprechen, so hat er, wie man
gut zum Vorschein treten kann, so wollen wir auch
weiß, in der Frage Jung=Wiens noch ein ganz beson¬
daraus keinen Vorwurf schmieden. Nur auf etwas möchten
wir noch zu sprechen kommen, auf Hugo von Hofmanns¬
thal. Dieser junge Dichter ist, noch fast Gymnasiast, mit
einem reizenden dramatischen Bilde aus der Renaissance¬
zeit hervorgetreten: „Gestern“. Das kleine Büchlein ist
voll echte Poesie. Seither haben wir etwas so Erquicken¬
des und Ossen=Schönes von Hofmannthal nicht gelesen.
Wir sagen Offen=Schönes, weil die Dichtungen, die Hof¬
mannsthal seitdem veröffentlicht hat, sehr fein und tief;
sind, aber doch keine freie Wirkung üben. Es ist eine
Poesie für die obersten Tausend. Und das hat Hermann
Bahr auf dem Gewissen. Die Jung=Wiener schwören
mit Recht auf die hohe Begabung Hofnlannsthal's, aber
es muß ihm sein wie einem Zauberer, dem man immer¬
fort auf die Finger sieht, oder wie einer Frau, die auf
einem Balle als die voraussichtliche Königin erwartet
wird. Es scheint ihn die Verpflichtung zu drücken, als
Dichter immer etwas absonderlich Neues, etwas aus der
tiefsten Tiefe Geholtes zu bieten, und darüber geht seine
im Inneren frische Kraft für das eigentliche Volk ver¬
toren. Ich habe einige der letzten Gedichte von Hof¬
mannsthal mit Verwunderung gelesen. Man liest und
weiß nicht recht, worauf diese „schönen Adjectiva“ hin¬
zielen, und schließlich bleibt nur ein unbestimmtes
Klingen im Ohre zurück. Wir möchten nur wünschen,
daß Jemand dem Dichter den Muth beibrächte, einmal
nicht originell zu sein und sich zu geben, wie rr ist. Ich
denke, wir bekämen Dinge zu hören, die uns Alle herz¬
lich erfreuen würden. Wir bitten darum, nicht immer
„anders als die Anderen“; denn darin liegt zwar der
Kernpunkt einer neuen Schule, aber nicht der einer Per¬
sönlichkeit. Und vielleicht ersucht Hermann Bahr seinen
Freund, einmal ungenirt er selbst zu sein. Hermann
Bahr las von ihm die bekannte Einleitung zum
„Anatol“ von Schnitzler, und er liest wirklich vortreff¬
lich. Die Skizzen von Felix Salten kann ich nicht be¬
sonders hoch anschlagen. Es sind recht gewöhnliche Dinge,
die Salten als sub specie aeterni gesehen ausgeben
will. Lustig war vie Anekdote von Hermann Bahr: „Die
schöne Frau“. Sie erhebt keinen großen Anspruch und
wurde ungemein lebhaft belacht. Hier bei uns in Prag,
die wir nach einem bekannten Worte zwischen Berlin
und Wien liegen, wollen wir uns an Allem erfreuen,
was uns hier und dort geboten wird. Aber soweit sind
wir doch Oesterreicher, daß wir uns besonders freuen
werden, wenn sich Jung=Wien recht kräftig und voll
entwickelt. An Neigung wird uns niemals fehlen.
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