VI, Allgemeine Besprechungen 2, Ausschnitte 1933, undatiert, Seite 98

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2. Cuttings
WWwas nicht so heiß gegessen, wie gerocht wite, Eennshran Kule=Verdfemord behungenenahr gegungongund ershunnche
Der mente den uin mnclchh
Eine Stunde verging solcher Weise und eine] „Natürlich,“ sagte das chauvinistische Fräu¬
sein.“
lein. „Uns imponiert nicht so bald was! Ueber¬
zweite, und die Zeit schien wirklich nur noch
„Armer,“ seufzte das mitleidige Fräulein
haupt, was kann denn an Berlin 'ran! Wir
ein Begriff zu sein, als plötzlich der Herr mitten
bekümmert. „Aber es gibt schon Erlebnisse.
haben den Komfort, den Luxus, die Eleganz, die
in der schönsten Unterhaltung den Kopf sinken
Denn wie Sie da nachts in die Stadt hinein¬
größten Hotels, die besten sanitären Anlagen,
und einen Seufzer hören ließ, der das Fräulein
nen
gehen — es wird aber immer leerer und stiller,
keinen Staub, viel Schatten, ausgeglichene
arg erschreckte. Sie griff rasch nach seiner Hand
je näher Sie dem Stephansturm kommen —.,
ßen
Temperatur, kurz alle Erungenschaften des
und fragte besorgt: „Was ist Ihnen?“
steht plötzlich an einer Ecke ein Herr. Ein
Jahrhunderts. Aber Wien! Wien ist stehen ge¬
des
Aber er sagte nichts weiter als: „Und heute
Herr, ja. Obgleich er einen unwahrscheinlichen
sich
blieben.“
abends verlasse ich Berlin!“ Aber damit sagte
Mantel trägt, eine unmögliche Krawatte, einen
iner
„Und darum so reizend, so lieb, nicht wahr?“
er sehr viel. Sagte sehr Bitteres und Schmerz¬
Schlapphut. Um ihn geschart ist ein Haufe von
und
liches. Das Fräulein verstummte in heiterem
„Ja, das ist's! Wir kennen ja Wien so gut!
en
Damen.“
Ich könnte es Ihnen beschreiben, als hätte ich
Gelächter und ward blaß und fragte nur:
iten
„Damen? Nachts? In Wiens“ fragte der
jahrelang dort gelebt.“
„Wohin?“
zu.
Herr höchlichst verwundert.
„Nach Wien,“ sagte er dumpf, als verkünde
„Bitte, tun Sie's. Ich will sehen, ob Ihr
eich,
Das Fräulein antwortete als gute Ber¬
er ein Todesurteil. Das Fräulein ermannte sich
Bild mit dem meinen stimmt.“
wie
linerin ganz ungeniert: „Sie wollen mich wohl
und sagte schier leichthin: „Nun, dorthin gehen
„Natürlich stimmt's. Es gibt nur ein Bild
kein
uzen, was? Sie wissen doch wohl, was ich
Sie doch gewiß riesig gern. Diese liebe Stadt!“
von Wien. Und so malt es sich im Berliner
au¬
meine. Jedes junge Mädchen aus gutem Hause
Hirn: Nehmen wir an, wir kämen nachts dort
„Ja, gern, bis heut' mittags. Ich hab' mich
iken
beschäftigt sich doch heute mit der sozialen
so gefreut. Aber jetzt.. .“ Hier sah er sie an.
an. Also wir fahren in den Bahnhof ein. Es
an¬
Frage und stößt dabei voll Interesse auf jene
ist dunkel, still. „Wien!“ ruft der Kondukteur.
So, daß sie die Augen niederschlug. Doch klug
de
nächtlichen Frauenexistenzen, die an dieser be¬
und unsentimental, eine richtige Berlinerin,
„Alles aussteigen!“ Man weigert sich, denn
Herr
wußten Ecke den aparten Herrn umstehen. Sie
schnell entschlossen, resolut und forsch, bemühte
man glaubt's nicht. Das wird wohl nur eine
sickte
lauschen ihm andächtig hingegeben, voll In¬
sie sich, Enttäuschung, Rührung, Aerger zu ver¬
Vorstadt sein. Aber, o Schreck, 's ist die Kaiser¬
brunst und Verklärung, plötzlich gereinigt,
bergen und begann das neue Thema abzu¬
stadt. Man kommt in totenstille, ausgestorbene
ber
ihrer Sphäre entrückt. Wie ihr Messias steht
handeln: „Also nach Wien! Da gratuliere ich!
Straßen. Denn es ist zehn Uhr! Da schläft der
blug
der Herr da und redet, redet von ihrer Seele,
Das Idyll unter den Großstädten! Die Zen¬
Wiener! Er ist tagsüber so lustig, so gesprächig,
die königlich und jungfräulich ist, erzählt den
trale der Liebenswürdigkeit, das Paradies der
so tätig in seiner Weise, daß er den Haus¬
ngs
Erstaunten, daß sie erlesene Geschöpfe wären.
schönen Frauen, der Kultur, der Intelligenz.“
meister niemals bemüht.“
Sie lachen durchaus nicht. Sie sind wie in der
„Ja, und die Stadt der Kaffeehäuser, der
„Ja!“ sagte der Herr leidenschaftlich, und
verbotenen Kirche. Der Fremde, der das be¬
Volksfeste, der Korsofahrten und der Walzer.
sein ungestümes Berliner Blut kochte vor
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lauscht, fragt den nächsten Wachmann, was da
Nicht wahr, Sie kennen Wien, scheint es?“
Empörung über die Wiener Nacht. „Da haben
iten
los sei. Der mißt einen verächtlich und sagt:
sie jetzt zwar Bars und Tanzsalons, ein Palais
„Aber nein! Welcher Berliner kommt denn
des
„Dös? Dös ist ja der Herr von Altenberg.“
de Danse wie wir — ha, wie wir! Vielleicht
mal nach Wien? Aber Sie kennen es schon?“
ein
Und dabei grüßt er den aufbrechenden Dichter
verirrt sich mal ein unglücklicher Landsmann
„Auch noch nicht. Das heißt, natürlich kennt
Ran
wie seinen Kaiser. Nun, ist das kein Erlebnis,
dahin und findet leere Säle, gähnende Kellner,
man Wien! Wer hier kennt denn diese Stadt
tete
ehe Sie in Ihr Hotelbett kommen?“
unbesetzten Bartisch, überflüssige Musik. Selbst
nicht? Sie hat ja einen so ausgeprägten
die
„Ja, und was für ein Bett! In so einem
die Cafés verlieren nachts ihre Bestimmung.
Charakter, man hört so viel von ihr, liest vor
altmodischen Hotel! Kein Telephon im Zimmer,
Denken Sie, die Nacht ist in Wien zum Schlafen
allen Dingen so viel über sie, daß man sie fast
keine Weckuhr am Bett, kein Warmwasser im
da! Begreifen Sie? Der Wiener, dieser lustigste
besser kennt als Berlin. Berlin ist in der Tat
mie
Waschtisch.“
Erdenbewohner, dessen Blut in Walzerrhythmen
unerschöpflich. Aber Wien! Trotz seiner zwei
und
„Was denken Sie auch! Die Wiener Kultur
die Millionen ist's ja eine kleine Stadt. Für uns fließt, dessen Seele immer im Tanzschritt geht,
hat noch immer nicht unsere Nachtkultur auf= geht aufs Geistige. In Wien ist alles verinner¬
werliastens!“
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