VI, Allgemeine Besprechungen 2, Ausschnitte 1933, undatiert, Seite 120


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2. Cuttings
Der Träum oom Weibe! Den träumel
Das junge und jüngste Wien.
auch die jungen wirklich Modernen. Einer von 1
Dr. A. A. Hofer.
ihnen nennt seinen ersten großen Roman schlang¬
(Schluß.)
weg: Der Traum vom Weibe. Es ist Max
Messer. Er und Stephan Großmann waren beide
Gerade Schnitzler, an dessen ersten Werken
zu ihrem Glücke noch zu jung, als Bahr's Ein¬
man stärker als bei allen anderen Jungwienern
fluß am nachhaltigsten war. Sie repräsentiren
den französischen Ueberguß erkennt, er hat sich
den Typus des philosophirenden Schriftstellers:
am kräftigsten und sichersten entwickelt. Allen
scharfe Beobachtung und feingeschliffener Stil,
früheren Werken merkt man das Nachtkoffee an,
sowie selbständiges Denken charakterisirt ihre No¬
man konnte dem Dichter auch öfter in der
vellen und Essays. Was ihnen abgeht, ist starke
Nische eines solchen arbeiten sehen. Bald jedoch
Empfindung — Temperament. Freilich hat sich
entwuchs er dem Nachtkoffee. Schon in die Li¬
Messer bereits zu prächtigen lyrischen Stimmun¬
belei mengen sich sociale Töne, und stärker schlägt
gen durchgerungen, und lagert sich über seinem
er sie in dem Schauspiel Freiwild an, — als
letzten Roman, den ich oben citirte, bereits
das die Schauspielerinen dem Dichter erscheinen,
Frühlingsduft und Frühlingslyrik in überreichem
und deren Fürsprecher er wird. Schnitzler ist
Maße.
einer von jenen, die wenig schreiben; aber von
Bereits Schnitzler leitete zu einer anderen
Werk zu Werk merkt man den Aufschwung, den
Gruppe von Wiener Dichtern über. Bereits er
er gewonnen. Er ist der kraftvollste und bedeu¬
verarbeitete, was die Fremde gebracht hat. Alle
tendste Dramatiker Jung=Wiens. Welch ein Auf.
Kunst bei uns strebt zur Heimalkunst. Das
schwung von seinen glitzernden Anataldialogen zu
Heimliche, Liebliche, die sanfte, schwermüthige
der dramatischen Groteske seiner dritten Ent¬
Weise Schnitzler's, die oft verträumte Resigna¬
wicklungsperiode, dem grünen Kakadu, der in
tion, welche die eigentliche Poesie Wiens aus¬
wenigen Scenen das Frankreich der französischen
macht, das Volksliedartige erbie Schnitzler von
Revolutionszeit scharf gemeißelt und dramatisch
der Muttererde. Trotz und Auflehnung, Sturm
lebhaft vorführt.
und Drang sind dem Wiener Sänger fremd.
Dimn Drama aus einer starken Zeit folgt
Ebenso wienerisch, doch männlicher, ja fast brutal
ein Drama mit starken Menschen: Der Schleier
ist das Talent Ludassy's, der in der Technik und
der Beatrice. Er hat Jung Wien überwunden
Mechanik des dramatischen Aufbaues alle Wiener
und sich selbst gefunden. Er wird den Weg, den
Bühnenschriftsteller übertrifft.
er begonnen, kräftig weiter wandern. Es ist ein
Zu diesen Dichtern, die auf dem Umwege
Weg, auf dem er auch das „süße Mädel“ liegen
über fremde Technik sich zum Wienerthum durch¬
gelassen. Das Weib, das er jetzt zu ergründen
gearbeitet haben, gehört auch der jüngst verstor¬
sucht, ist die reife Frau. Statt der süßen Mädel¬
bene Karlweis. Das Schimpfen, Poltern und
Schwärmerei ein großzügiger Traum vom Weibe,
so in der Frau des Weisen, so in seinem letzten Raisoniren des Wieners, der es dabei gar nicht
böse meint, so drastische Ausdrücke er auch ge¬
Roman Frau Bertha Garlen.
—.—
S


NuJuhee 1300 die Zülne
Diese Verlangsamung der Bevölkerun### gabe and
rung ist eine Folge der im Jahre 1901 ein= werden,
braucht, der Wiener, der sich ärgerk, aber nicht! Der 2
empört, dessen unverwüstlichen Optimismus alle rich
schlimmen Erfahrungen nicht zerstören können, Anzengr
fand in Karlweis seinen Verkünder. In seinen
Geschichten aus Stadt und Dorf ist sein Blick Bincenz
noch nicht geweitet, aber hald überwand er das markte“
kleinbürgerliche Milieu und begann das moderne s diese be
Wien zu erkennen. Sein Beruf — er war Eisen= Typen
bahnbeamter — führte ihm das moderne Leben drei ist
vor Augen, er erkennt es, greift heran, entnimmt l weil er
ihm seine Gestalten und Stoffe. So fiodet erdern der
seine eigentliche Domäne: das satirische Drama, Ekantiger,
Man nannte ihn den „Wiener Aristophanes“=Eder gle
Aber sein Witz ist wienerisch, das heißt gut¬ milder,
müthig, weichlich, sanft, und aus der beißenden; vacei,
bürger
Satire wird bei ihm eine harmlose Frozzelei.
Humors
Den gleichen Weg wie Karlweis sind auch
bergen.
die beiden Schönthans gewandert. Beide haben
weis
obgleich Nichtwiener die Wiener Eigenart rasch
doch, es
erfaßt und sich ihr angepaßt, freilich nur der so¬
genannten großen Gesellschaft. Beide haben sich kinder,
und küs
von ihrem Bespötiler langsam zu ihrem Schil¬
derer aufgeschwungen, so in dem Roman Frau
Glück,
Loth und in den „broven und schlimmen Frauen“.
Jahren
die beide Paul v. Schönthan, den rascher Accli¬
matisirten zum Verfosser haben.
Kinder!
Auch Philipp Langmann und Mox Burck¬
hard suchen in richtiger Erkenntniß ihres Talentes
Tann=B
ihre Kraft im Heimatboden. Der Letztere geberdet
sich besonders gern als echter Urwiener.
Dieses Element des Urwienerthums hat
angehört
seine eigenen Poeten, die nie fremden Einfluß
Jünglin
auf sich wirken ließen, und die wahre Meister
ihrer Technik sind, so naiv diese zuweilen auch ] Manne
#yrer
sein mag.
Schon Anzengruber hatte den Typus des Tod d
Kleinbürgers in die Wiener Literatur eingeführt. ängstige
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