2. Cuttings box 38/4
A
Ausspruche verleiten, wir sollen doch nicht alles glauben,
PLagen niche länger dor der Muft verschneßen, die
„
was in den „dummen Zeitungen“ stehe, eine solche Sache
zwischen den Errungenschaften der mobernen Wissenschaft
Und ebenso hat es
wie die Unfehlbarkeit — der Mann, der nachmals Abt
und dem überlieferten Glauben entstanden ist, sie be¬
es Religionssystems
und dann Erzbischof und Kardinal geworden ist,
fürchten, daß es den Gläubigen ergehen werde wie ihnen,
über Philosophie,
brauchte da einen sehr drastischen Ausdruck — eine solche
ja daß diese, wenn sie einmal mit dem Zweisel begonnen
u disputieren
Sache könne niemals vom Konzil beschlossen werden.
system der Katholi= haben, rasch werden weiter gedrängt werden auf der Bahn
Und als wir dann nach den Ferien in der ersten Reli¬
des — Unglaubens. Und darum suchen sie das Ganze
terreich lebt.
bis gar nicht so sehr durch Aufgeben von Teilen zu retten, oder, anders aus= gionsstunde unseren Lehrer wieder begrüßten, da wetzten
mt Stellung gegen gedrückt, sie suchen die Einheit zwischen Glaube und einige der Kühneren recht auffällig auf ihren Bänken
—.
—
Spielarten einer gewissen Art erotischen Empfindens so
symbolisieren wagt. Liebe, Tod und Theater, diese
genau Bescheid weiß, daß einige seiner Bücher zur
drei Grundfarben, verbunden und verschmolzen durch alle
Lieblingslektüre höchst wählerischer Lebemänner geworden
möglichen Uebergänge und Mitteltöne, leuchten aus dem
sind, üben die Heimlichkeiten und Pikanterien des
poctischen Spektrum Heraus, in welche Schnitzlers seines
Sterbens beinahe einen noch schärfeen Reiz aus als
Talent das Phänomen des Lebens wie ein durchsichtiger,
die neuen Entdeckungen, die dem Geschlechtsleben durch
umer:
eigenartig geschliffener Kristall zerlegt. Schnitzlers poelisches
subtile Beobachtung etwa noch abgelauscht werden können.
Ersinden besteht darin, alle ersinnlichen Kombinationen
2 bringen wir die
Jeder Seite, die Schnitzler über Tod und Sterben ge¬
dieser drei Farben abwandelnd zu erschöpjen, den Tod
schrieben hat, fühlt man's an, daß da einer redet, der
ihlung
durch die Liebe, die Liebe durch den Tod hindurchscheinen
hierin Erfahrung hat. Ich will hiemit nicht etwa, wie
und Tod und Liebe und Liebe und Tod in das trügerische
40.
dies manche Kritiker zu tun pflegen, nur darauf an¬
er
Zwielicht der Illusion zu tauchen, das alle Gegenstände,
spielen, daß Schnitzler als Arzt vielfache Gelegenheit ge¬
die es überhaucht, ins Traumhafte und Unwirkliche ver¬
habt hat, das Sterben zu studieren, und daß er die
flüchtigt und auflöst. Gerade jene unter Schnitzlers Sachen,
Früchte seines Studiums als Poet verwertet. Nein,
die sich unwillkürlich auch dem blasiertesten Gedächtnis ein¬
nelli.
Schnitzler kennt das Sterben wie einer, der es selbst
wurzeln — nach meiner Erfahrung das verläßlichste Kenn¬
erlebt hit, er weiß es zu schildern wie einer, der schon
zeichen echten und eigenartigen Wertes, wen das nur Werke
ummer:
einmal gestorben ist. Ich vermute, daß er zu jenen
tun, in denen mindestens ein Körnchen von Urneuem
Merschen gehört, deren Gedanken, oyne daß ihre Freunde
le de Chateau¬
steckt — gerade diese erweisen sich fast immer als Ver¬
dies zu bemerken brauchen und ohne daß ihre Stimmung
flechtungen der genannten drei Themata, wobei bald der
keinberg (Bonn).
Liebe, bald dem Tod bald dem Wahn die führende dadurch getrübt würde, unablässig mit dem unausweich¬
rwaltung.“ Von“
Stimme zusällt. So ists in „Sterben“ in der Novelle lichen Tod beschäftigt sind, die sich die Zeit vertreiben,
indene sie sich so intensiv wie möglich in das große Er¬
„Die Toten schweigen“, in „Parazelsus“, in der „Gefährtin“,
krische Notizen.
lebnis des Sterbens hineinzufühlen suchen, von dem
im „Grünen Kakadu“, in der „Frau mit dem Dolch“,
ender für das
keiner, der es einmal in Wirklichkeit erfahren hat, Be¬
den „letzten Masken“, im „Schleier der Beatrice", den
richt abstatten kann, die jeden Tag etlichemal in der
„Dämmerseelen", im „Lieutenant Gustl“ und manchen
Phantasie sterben. „Gestorbene“ möchte ich diesen Typus
anderen Geschichten und Bühnenspielen. In allen führen
taufen, der häufiger ist als mancher ahnt. Nur ein solcher
Eros, Thanatos und Dionysos mannigfaltig variierte,
us „Die Liebe,
Mensch ist fähig, wie Schnitzler dies in „Lieutenant
viel verschlungene Tänze und Spiele auf, haschen sich
Gustl“ vollbracht hat, die Gedanken und Stimmungen,
und fliehen sich, suchen bald einander nachzuäffen, bald
urd Voß. Seite
die einem jungen, mit heißem Lehen überfüllten Menschen
voneinander grell abzustechen, stehlen eines des andern
in den wenigen Stunden, die ihn vom unvermeidlichen
Wasse oder Symbol, so daß einmal Eros oder Thanalos
Ende trennen, durch Kopf und Nerven gehen,“ so zu
die Maske des mimischen Gottes trägt, dann wieder
schildern wie Schnitzler, mit brutaler Unmittelbarkeit und
ton.
Thanatos sich statt seiner Sense des Erospfeiles bedient,
Selbstverständlichkeit, sekundenweise, wie etwas persönlich
um ein Leben zu vernichten. Niemals aber zerreißt der
Empfundenes, so daß er unwillkürlich die erzählende
darüber gebreitele feine Traumschleier, niemals, trotz aller
er.
Form mit dem Monolog vertauschen muß. Nur ein
Wahrheit und Lebendigkeit der Darstellung, wirft uns
Herger.
solcher Mensch kann auch so vertraut sein, mit den
die Empfindung, einen Naturabklaisch vor uns zu haben,
Wirkungen, die, oft, ohne daß wir's selber wissen, die Gewi߬
In Arthur Schnitzlerg
aus der Welt der Poesie in die nüchterne Wirklichkeit ...
und sonders nur von
heit, daß wir über kurz oder lang sterben müssen, auf
[drei Gebiete des Seelenlebens beherrscht Schnitzler,
Sterben und vom
unser ganzes Seelenleben übt, nur er durchschaut, duß
um einen seinem bürgerlichen Beruf, dem ärztlichen, ent¬
der Gedanke an die nahe unausweichliche Vernichtung
pielen“ im denkbar
lehnten Ausdruck zu gebrauchen, als Spezialist: das
id Traum in sich be¬
unseren Lebensdrang zum höchsten Grade steigert, daß
crotische Gebiet, das innere Verhältnis des Menschen zum
an Stelle von „Lieben“
Tod und endlich das in uns allen spukende schau= der Tod die geheime Quelle der Genußsucht ist, wie schon
enken ist, dessen Be¬
iner charakteristischesten spielerische, genauer komödlantische Etwas. Es ist selt= in der Bibel zu lesen: „Lasset uns essen und trinken
stumme Gedankenstriche sam, auf diesen Dichter, der in allen Nuancen und und fröhlich sein, denn morgen sind wir tot.“ Es i#
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Ausspruche verleiten, wir sollen doch nicht alles glauben,
PLagen niche länger dor der Muft verschneßen, die
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was in den „dummen Zeitungen“ stehe, eine solche Sache
zwischen den Errungenschaften der mobernen Wissenschaft
Und ebenso hat es
wie die Unfehlbarkeit — der Mann, der nachmals Abt
und dem überlieferten Glauben entstanden ist, sie be¬
es Religionssystems
und dann Erzbischof und Kardinal geworden ist,
fürchten, daß es den Gläubigen ergehen werde wie ihnen,
über Philosophie,
brauchte da einen sehr drastischen Ausdruck — eine solche
ja daß diese, wenn sie einmal mit dem Zweisel begonnen
u disputieren
Sache könne niemals vom Konzil beschlossen werden.
system der Katholi= haben, rasch werden weiter gedrängt werden auf der Bahn
Und als wir dann nach den Ferien in der ersten Reli¬
des — Unglaubens. Und darum suchen sie das Ganze
terreich lebt.
bis gar nicht so sehr durch Aufgeben von Teilen zu retten, oder, anders aus= gionsstunde unseren Lehrer wieder begrüßten, da wetzten
mt Stellung gegen gedrückt, sie suchen die Einheit zwischen Glaube und einige der Kühneren recht auffällig auf ihren Bänken
—.
—
Spielarten einer gewissen Art erotischen Empfindens so
symbolisieren wagt. Liebe, Tod und Theater, diese
genau Bescheid weiß, daß einige seiner Bücher zur
drei Grundfarben, verbunden und verschmolzen durch alle
Lieblingslektüre höchst wählerischer Lebemänner geworden
möglichen Uebergänge und Mitteltöne, leuchten aus dem
sind, üben die Heimlichkeiten und Pikanterien des
poctischen Spektrum Heraus, in welche Schnitzlers seines
Sterbens beinahe einen noch schärfeen Reiz aus als
Talent das Phänomen des Lebens wie ein durchsichtiger,
die neuen Entdeckungen, die dem Geschlechtsleben durch
umer:
eigenartig geschliffener Kristall zerlegt. Schnitzlers poelisches
subtile Beobachtung etwa noch abgelauscht werden können.
Ersinden besteht darin, alle ersinnlichen Kombinationen
2 bringen wir die
Jeder Seite, die Schnitzler über Tod und Sterben ge¬
dieser drei Farben abwandelnd zu erschöpjen, den Tod
schrieben hat, fühlt man's an, daß da einer redet, der
ihlung
durch die Liebe, die Liebe durch den Tod hindurchscheinen
hierin Erfahrung hat. Ich will hiemit nicht etwa, wie
und Tod und Liebe und Liebe und Tod in das trügerische
40.
dies manche Kritiker zu tun pflegen, nur darauf an¬
er
Zwielicht der Illusion zu tauchen, das alle Gegenstände,
spielen, daß Schnitzler als Arzt vielfache Gelegenheit ge¬
die es überhaucht, ins Traumhafte und Unwirkliche ver¬
habt hat, das Sterben zu studieren, und daß er die
flüchtigt und auflöst. Gerade jene unter Schnitzlers Sachen,
Früchte seines Studiums als Poet verwertet. Nein,
die sich unwillkürlich auch dem blasiertesten Gedächtnis ein¬
nelli.
Schnitzler kennt das Sterben wie einer, der es selbst
wurzeln — nach meiner Erfahrung das verläßlichste Kenn¬
erlebt hit, er weiß es zu schildern wie einer, der schon
zeichen echten und eigenartigen Wertes, wen das nur Werke
ummer:
einmal gestorben ist. Ich vermute, daß er zu jenen
tun, in denen mindestens ein Körnchen von Urneuem
Merschen gehört, deren Gedanken, oyne daß ihre Freunde
le de Chateau¬
steckt — gerade diese erweisen sich fast immer als Ver¬
dies zu bemerken brauchen und ohne daß ihre Stimmung
flechtungen der genannten drei Themata, wobei bald der
keinberg (Bonn).
Liebe, bald dem Tod bald dem Wahn die führende dadurch getrübt würde, unablässig mit dem unausweich¬
rwaltung.“ Von“
Stimme zusällt. So ists in „Sterben“ in der Novelle lichen Tod beschäftigt sind, die sich die Zeit vertreiben,
indene sie sich so intensiv wie möglich in das große Er¬
„Die Toten schweigen“, in „Parazelsus“, in der „Gefährtin“,
krische Notizen.
lebnis des Sterbens hineinzufühlen suchen, von dem
im „Grünen Kakadu“, in der „Frau mit dem Dolch“,
ender für das
keiner, der es einmal in Wirklichkeit erfahren hat, Be¬
den „letzten Masken“, im „Schleier der Beatrice", den
richt abstatten kann, die jeden Tag etlichemal in der
„Dämmerseelen", im „Lieutenant Gustl“ und manchen
Phantasie sterben. „Gestorbene“ möchte ich diesen Typus
anderen Geschichten und Bühnenspielen. In allen führen
taufen, der häufiger ist als mancher ahnt. Nur ein solcher
Eros, Thanatos und Dionysos mannigfaltig variierte,
us „Die Liebe,
Mensch ist fähig, wie Schnitzler dies in „Lieutenant
viel verschlungene Tänze und Spiele auf, haschen sich
Gustl“ vollbracht hat, die Gedanken und Stimmungen,
und fliehen sich, suchen bald einander nachzuäffen, bald
urd Voß. Seite
die einem jungen, mit heißem Lehen überfüllten Menschen
voneinander grell abzustechen, stehlen eines des andern
in den wenigen Stunden, die ihn vom unvermeidlichen
Wasse oder Symbol, so daß einmal Eros oder Thanalos
Ende trennen, durch Kopf und Nerven gehen,“ so zu
die Maske des mimischen Gottes trägt, dann wieder
schildern wie Schnitzler, mit brutaler Unmittelbarkeit und
ton.
Thanatos sich statt seiner Sense des Erospfeiles bedient,
Selbstverständlichkeit, sekundenweise, wie etwas persönlich
um ein Leben zu vernichten. Niemals aber zerreißt der
Empfundenes, so daß er unwillkürlich die erzählende
darüber gebreitele feine Traumschleier, niemals, trotz aller
er.
Form mit dem Monolog vertauschen muß. Nur ein
Wahrheit und Lebendigkeit der Darstellung, wirft uns
Herger.
solcher Mensch kann auch so vertraut sein, mit den
die Empfindung, einen Naturabklaisch vor uns zu haben,
Wirkungen, die, oft, ohne daß wir's selber wissen, die Gewi߬
In Arthur Schnitzlerg
aus der Welt der Poesie in die nüchterne Wirklichkeit ...
und sonders nur von
heit, daß wir über kurz oder lang sterben müssen, auf
[drei Gebiete des Seelenlebens beherrscht Schnitzler,
Sterben und vom
unser ganzes Seelenleben übt, nur er durchschaut, duß
um einen seinem bürgerlichen Beruf, dem ärztlichen, ent¬
der Gedanke an die nahe unausweichliche Vernichtung
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unseren Lebensdrang zum höchsten Grade steigert, daß
crotische Gebiet, das innere Verhältnis des Menschen zum
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Tod und endlich das in uns allen spukende schau= der Tod die geheime Quelle der Genußsucht ist, wie schon
enken ist, dessen Be¬
iner charakteristischesten spielerische, genauer komödlantische Etwas. Es ist selt= in der Bibel zu lesen: „Lasset uns essen und trinken
stumme Gedankenstriche sam, auf diesen Dichter, der in allen Nuancen und und fröhlich sein, denn morgen sind wir tot.“ Es i#