VI, Allgemeine Besprechungen 2, Ausschnitte 1933, undatiert, Seite 128

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„provisorische Notverordnung an das Abgeoronetenhaus Efoigte. Tir
Reichsrat in der Session, innerhalb welcher die recht¬
gegen defiziert diese Bedingung mit der rechtzeitig be¬
zeitige Vorlage der Notverordnung erfolgte, zu keiner Be¬
n Geltungsdauer jedoch
schlußfassung gelangt, in ein Definitivum verwandeln,
ußsassung des Reichs= wirkten Vorlage der Notverordnung, so daß es für deren
weiteres Schicksal ganz irrelevant ist, ob die Regierung
dann könnte die Regierung den unerhörtesten Verfügungen
wvendig die Frage auf:
nach Schließung der Session oder nach Auflösung des
kungen geschehen? Soll
Welcher Weg ist ein= Abgeordnetenhauses die unerledigt gebliebene Notverord= auf einfachste Weise zu definitiver Gesetzeskraft verhelfen.
eines parlamentarischen nung gar nicht mehr oder nicht binnen vier Wochen] Die Regierung könnte z. B. irgend eine Steuer mittelst
oder gar in sich Wider= französelnden Persönlichkeit heraus beobachtet und schildert Denkweise, des Gefühls, der Sprache und Stimmung,
in denen, so geringfügig sie an sich sind, das ganze
er nun das heimatliche wienerische Leben und Lieben,
Wien sich verrät, wie es leibt und lebt, wie von einem
Todes zugleich mit
Wenn ich etwas von Schnitzler lese, meine ich, franzö¬
virtuosen Photographen abgeknipst zu finden. Schnitzler
fino in erotischer Kühn¬
sische Worte, Phrasen und Tonfälle wie aus der Ferne
kennt und empfindet vor allem die Sprache Wiens, nicht
und das Sterben ver¬
leise mitklingen zu hören. Das soll kein Tadel sein.
so sehr die schwere Mundart des eigentlichen Volkes, als
der wie Komplementär¬
Nur das eigentlich Schnitzlersche an Schnitzler soll es
namentlich die sprachlichen Mittelstufen zwischen dem
det, muß, ob er will
charakterisieren, diese einzige Verschmelzung französischer
groben Urwienerisch und dem ceinen Hochdeutsch, die in
empfinden. Dadurch
Klarheit und prickelnden Pariser Esprits mit Wienerischer
der Welt, aus der Schnitzler seine Lieblingsstoffe nimmt;
Schnitzlers auch weit
Liebenswürdigkeit, Wienerischer Liederlichkeit, Wienerischer
gesprochen werden. Der Geist dieser Sprache ist es, der
kkle Hintergrund des
Traulichkeit und Wienerischem Humor, kurz, mitallen Stoffen,
ihm den Charakter, die Gesinnungen und die Ansichten
sich abspielen und dessen
welche die Atmosphäre Wiens sättigen und ihr die an¬
der Menschen zuflüsiert, die diese Sprache sprechen. Die
tzler immer fühlt, auch
heimende Molligkeit und das charakteristische Aroma ver¬
Sprache, die Lieutenant Gustl spricht, läßt den Dichter
beinahe
ßt, adelt sie
leihen. Sind es doch die Franzosen, welche die Novelle
mit so unfehlbarer Sicherheit, als ob er selbst Lieutenant
und die Komödie befähigt haben, das nur mit den feinsten
Gustl wäre, die Gedanken und Stimmungen finden, die
n auch solche nicht be¬
Nervenspitzen zu empfindende, begrifflich schier undefinier¬
dieser Mensch in dieser Situation haben muß. In der
nst die höchste Bewun¬
bare individuelle geistige Fluidum einer Stadt und einer
glänzenden Satire Literatur“ spricht ein Sportaristokra
eng begrenzte. Es ist
Bevölkerung mit erlesener Sprachkunst zu erhaschen
mit seiner Braut über die Gesellschaft, in der sie sich g
punkt der von Schnitzler
und festzuhalten, so daß der Leser des Buches
trossen haben. Von zwei Literaten meint er, sie müssen
is des „süßen Mädels“
Stadt, ars deren großem Leben
Juden gewesen sein. Warum? „Weil's immer so Witz'
in der
mitten
Episode
ge¬
Wolzogen diesen Typus
oder novellistische
g'macht haben.“ Eine ganze Weltanschauung ist in diesem
eine dramatische
En ihm sein, aber der
schildert wird, zu wohnen und ihre Atmosphäre
flüchtigen Zuge skizziert.
alt wie die moderne
iso
zu atmen glaubt. Alle europäischen Nationen haben den
Immer wieder wird an Schnitzler von der Kriäk die
ist die Urgroßmutter
Franzosen diese Technik abgelernt und sie den besonderen
Aufforderung gerichtet, sich dem sozialen Lustspiel großen
und Melitta und Hero
Zuständen, die sie zu schildern hatten, angepaßt, die
Stils zuzuwenden. Er hat ihr bisher nicht entsprochen,
nd füinffüßigem Jambus,
großen russischen Romanciers nicht minder als die
obwohl in Wien ein wahrer Ueberfluß an Lustspielstoff
r diese seine Lieblings¬
nordischen Dramatiker. Ibsen ohne Dumas und Turgen¬
angehäuft ist. Weshalb wohl? Zunächst vielleicht, weil
aus dem Wiener Leben
jew ohne die George Sand ist ebensowenig denkbar als
er zu sehr Poet und Lyriker ist, um ganz Satirkker sein
daran. Dem wienerischen
Ferdinand v. Saar ohne den Schüler der Franzosen
zu können. Die Melancholie, das Erbteil aller tieferen
bornierteste Antisemit
Turgenjew und — Schnitzler ohne Guy de Maupassant.
und feineren Geister in dem angeblich so fröhlichen und
bstreiten können ist eine
Da liegt nicht Nachahmung vor, sondern Abstammung
gemütlichen Wien, umspinnt auch ihn. Aber um ein Lust¬
einen anderen Ursprung,
und Familienähnlichkeit. So dürfte auch das „süße
spiel, wie man es von ihm erwartei, schreiben zu können,
wie viele seiner Nach¬
Wiener Mädel“ als lokale Spielart des Pariser Studenten¬
müßte er vor allem für viele, sehr viele Dinge und Zu¬
Wien überschwemmen,
Zeit, gewiß lieber ein liebchens, der Grisette, anzusprechen sein; dieses angenehme
stände Sinn und Interesse haben, die ihn oder doch den
Geschöpf ist also, wie oben angedeutet, auch ein wenig
Dichter in ihm ganz kalt lassen. Er scheint Auge und Herz zu
gewesen als ein Wiener.
literarischen Ursprungs.
haben nur für drei Dinge: fürs Lieben, fürs Sterben
er seinen ersten großen
Obwohl bei den meisten Sachen von Schnitzler in
und fürs Komödiespielen. Bei allem Raffinement der Kul¬
isucht, dieses der sozialen
Stoff und Stil ein gewisser Parallelismus mit Pariser
tur ist er in dieser Hinsicht fast wie ein Poet des Vor¬
t, eigentümliche Heimweh
Urbildern nachgewiesen werden könnte, so muß man ihm
märzes. Deshalb, glaube ich, läßt er die Satiren, die
nitzler sich Anatol taufte,
doch zugestehen, daß er die angeeigneten Formen mit
man ihm zutraut, ungedichtet; aber vielleicht ist es d
ieler, der sich leiblich und
echtem frisch pulsierendem Wiener Blut zu füllen gewußt
schärfste und diskreteste Satire auf die geistige Kultur
Identifizierung in eine
hat. Zwar nicht das ganze Wien, aber Geist und Wesen
Wiens, daß ein Kopf wie Schnitzler in einem Zeitalter
erstes, wienerisches Selbst
gewisser Schichten und Koterien der Wiener Gesellschaft
wie dieses uns von nichts zu erzählen weiß als vom
ben und sich sonan so zu
lebt in Schnitzlers Büchern und Komödien. Der Leser
Anatol oder Raoul und
und der Prater das Bois fühlt sich immer wieder froh überrescht, in Schilderung „süßen Mädel“, vom Sterben und von der Illusion in
klein wenig anefjektierten der Natur und der Menschen gewisse typische Züge der allen Formen.