VI, Allgemeine Besprechungen 2, Ausschnitte 1933, undatiert, Seite 130

2. Cuttings box 38/4

Solsttnon—
lgnse noch rischen in neue Verhandlungen einzulteten. Die Bostelut. in....
Bord eines Dampfers nach dem Bosporus einschifft. Seine Ankuntt
1 garischen Abgeordnetenhause hat aber jede Verhandlung unmöglich
daselbst wird am heutigen Montag erwartet.
sche Gemein¬
gemacht, in Oesterreich kann man mit der Beratung des Tarifentwurfs
welche
Am Schloß Bellevue im Tiergarten wird jetzt
nicht weiter kommen, und man hat auch keine Lust, sich mit ihm zu:
eine durchgreifende bauliche Veränderung vorgenommen. Ein großen
8
befassen, weil man nicht weiß, was aus den Wirren in Ungarn heraus¬
oll= kommen wird. Die Folge davon ist, daß die handelspolitische Zukunft Teil des Dachstuhles und des Obergeschosses ist an der Hauptsront ab¬
emtreremserncntammmne
RRE
selben Sphäre aufgewachsen sind. Sie nähern sich ihm von ver¬
deutsch=österreichischen Dichtung, sondern auch die feine, innerlich vor¬
schiedenen Seiten her, Bahr von der der ironisch geistreichen Be¬
nehme Poetennatur verehrt, ist ein Mann von leiser literarischer
trachtung des Wiener Lebens, Hoffmannsthal von der der bizarren
Stimmung. Man muß auf ihn hinhorchen, um sich an ihm zu er¬
poetischen Träumerei, die die Lebemannsmüd. eit auf hohe Töne
freuen. Fast schien es eine Weile, als sollse der Thron mit einer
stimmt.
Frau besetzt werden: man hat die Erzählerin Marie v. Ebner¬
Auf einen flüchtigen Blick hin könnte man fast meinen, die beiden
Eschenbach — die erst in hohen Jahren zur Anerkennung gelangt
lten.
repräsentierten die Elemente, aus denen Schnitzler zusammengesetzt
eine Klassikerin genannt, und die Geschlossenheit und Ruhe, die
ist
ist: die satirisch beobachtende und die tramnhaft symbolisierende Auf¬
Plastik und der sanfte Humor ihrer feinen Erzählungen sind in der
assung gesellschaftlichen Verfalls. Aber die Chemie versagt wie immer
Tat von mustergültiger Gediegenheit; aber zur lebendigen Führung
in solchen Fällen; aus Bahr und Hoffmannsthal zusammen macht
der Geister, auf die sie wohl niemals Anspruch erhob, fehlt ihr der
man trotz alledem keinen Schnitzler. Bahr ist einer von jenen Publi¬
Atem der Leidenschaft und der Mut, den Rätseln des Lebens ins
zisten höherer Ordnung, die unsere französischen Nachbarn weit höhen
starre Auge zu blicken. Dann ist noch einer da, der auf hoher Stufe
einzuschätzen nissen, als wir Deutschen. Er ist voll von Impulsen,
steht, ein Oesterreicher, der als deutscher Poet tiefernst genommen
Einfälten, rasch generalisierenden Auffassungen, ja sogar von origi¬
sein will, der eigenartige, scheue, vom lauten Markte abgewandte
neller Bi.dkraft in der Wiedergabe charakteristischer Erscheinungen der
ennung, der
J. J. David. Er ist ein ganzer Mann, aber keiner für die Menge,
Gegenwart, ein Meister der literarischen Blitzphotographie, ein
S1872 die
mehr ein Nischenheiliger, um an ein Hebbelsches Wort zu erinnern,
Dialektiker, der überraschende Vorgänge sehr fein zergliedert. Aber
Renaissance
ein feingestimmter Lyriker, ein Erzähler von stimmungsvoller Eigenart,
wenn er das Gesehene aus sich heraus fortspinnen und von Gnaden
iege begann,
auch in seinen Dramen starker Accente fähig, aber keine mitsichfort¬
„des eigenen Temperaments beleben will, klappt es ihm leicht zusam¬
n residierte.
reißende Kraft und kein typischer Oesterreicher. Mit dem Landschaft¬
Imen; er braucht, scheint es, die Luft der Aktualität, um es aufzublasen
Dramatiker
lichen seiner Heimat, der mährischen Hanna, der er als Mann von
und in die Höhe zu bringen. Hoffmannsthal hat viel Kunst, aber
ie deutschen
halbbäuerlicher Abstammung angehört, mischt sich in ihm das national¬
wenn man ihn einen Künstler nennt, denkt man daran, daß sich das
gesagt und
deutsche Element, das er aus dem großen allgemeinen Literaturzuge
Wort auch von künsteln herleiten läßt.. Ueberfein, mit allen Salben
e mitsamt
empfangen. Was dazwischen liegt und wodurch er äußerlich hindurch
der Formkunst gerieben, spielerisch geistig, grillparzerisch in der Ton¬
astasius
gegangen: das österreichisch=wienerische Element, hat auf ihn wenig
art bis zur Meisterkopie, grüblerisch klug, bleibt er doch immer im
Den deutschen
tiefen Eindruck gemacht „trotzdem er sich dramatisch auch in dieser
Schattenhaften stecken, er gehört zu jenen Symbolisten, die nicht die
F1872, war
Sphäre versucht hat; seine Stärke liegt in anderen Regionen.
Welt heraurufen, sondern sie scheuchen, deren Sinnbildlichkeit die
orher hatte
Eigenartig und doch typisch, ein Mann für sich, und doch ganz
Wesen nicht verdichtet, sondern verdünnt und verflüchtigt.
nKirchfelo“
Oesterreicher und Wiener, formsicher und scharf beobachtend, und dabei
Gewiß hat Schnitzler mit beiden Verwandtschaft; aber er hat
tet, sondern
doch leidenschaftlich und tief, und bei alledem ein Naturell, das nicht
sein eigenes kräftiges Blut, das diese Mischung überwindet, das etwas
der schlichte
nur anzuregen, sondern auch aufzuregen weiß, ist im Gegensatz zu
Elementares ist, er ist trotz aller Koketterie und Träumerei ein
iem Schlage
all den Genannten Artur Schnitzler. Hört man freilich auf
Menschenbildner, einer, der aus sich heraus formt, was lebt und Leben
Norden, der
die Wiener selbst hin, ich meine nicht auf das Publikum, sondern auf
erzeugt, darum nenne ich ihn den hoffnungsvollsten von jenen, die
gemeinsamen
eine literarische Koterie, die nach langen Kaffeehausübungen in die
etwa auf den erledigten Thron der Wiener Literatur gelangen wollen.
hung. Aber
Presse vorgedrungen ist, so wäre Schnitzler nur einer der literarischen
Oben ist er noch lange nicht. Es wäre Frivolität, ja Blasphemie, ihn
ur noch sieb¬
Triumvirn von Wien, die dem großen Rate der „Jungen“ vor¬
so ohne weiteres an die Stelle setzen zu wollen, wo einst Grillparzen
ember 1889
stehen. Ich mag mich auf das Literaturgeschichtsmärchen von den
und Anzengruber thronten. Was bedeutet das Um und Auf seinen
tthront, aber
geaichten „Jungen“ hier nicht einlassen; über das, was jung im
ganzen dichterischen Welt gegen den, Geschichte, Sage und Gegenwart¬
schaffenden
Sinne des starken, begeisternden und befruchtenden poetischen Lebens
umspannenden Reichtum der tiefen Natur Grillparzers, was alle
Kunstbereiche
ist, entscheidet kein Kaffeehaus, kein Feuilleton und kein Vortrag in
Melancholie, mit der er die Geschichte der süßen kleinen Mädchen be¬
einhergehen.
einem Literaturverein, sondern die Empfänglichkeit des Volkes in
handelt, gegen die großen Accente, in denen Anzengruber Not, Elend
Prätendenten,
seinen poesiefreudigen Vertretern, das Leben selbst. das sich an solchen
und Selbstbefreiung des Volkes verkündet. Nein, Schnitzler ist zunächst
ge, wer den
Erscheinungen verjüngt. Diejenigen, die sich heiser schreien, um zu
nur ein Bildner im Kleinen, nur ein Werdender in dem Versuch, in die
so nenne ich
beweisen, daß sie „Junge“ sind, sind entweder alt, als unfruchtbare
Diefen hinabzuleuchten, nur Menschennaturschilderer von einseitigen
nsprüche der
Pedanten auf die Welt gekommen, oder mitten in ihrer Jugend an
ur vertreten,
Neigungen — aber es ist Natur in ihm, er ahnt und kündet, was in
ihrer Agitation und an ihrer Eigensucht verwelkt und verdorrt. Dabon
Empfindung
Menschen vorgeht, wenn auch in engen Kreisen, zumeist im Bereiche
„lso kein Wort mehr. Die beiden Literaten, die man als angebliche
Deutschland
geschminkter Physiognomien, er vernimmt den Herzschlag, wenn auch
Schulhäupter in engen Kreisen neben Schnitzler zu nennen pflegt,
fast nur den matteren der Genußmenschen, er hat eine Ahnung von ge¬
hat seine be¬
Hermann Bahr und Hugo v. Hoffmannsthal, haben
heimem Weh und den Mut, es teilnehmend nach außen zu drängen, er
hländer, man
Steiermark. übrigens in der Tat manchen Zug mit ihm gemein, nicht etwa aus
Senior der irgend einem Programm oder Pringp heraus, sondern weil sie in der= ist noch kein souveräner Gestalter, aber er ist ein gestaltender Dichten