VI, Allgemeine Besprechungen 2, Ausschnitte 1933, undatiert, Seite 131


2. Cuttings box 38/4
#t unlängst ein mit der Tollwut behafteter Hund getötet! Leiche. ! Der V
u. Pillkallei
. berichiel W.. und sein Ziet anch genau traf. Von!
worden. Aus diesem Grunde ist über die Ortschaften Laußen,

Unglücksfa
weitem soll man durch die Marinegläser nur einen Hagel von Spreng¬
Schwirslanken und Korehlen, hiesigen Kreises, die Hundesperre bis
Endruhnen eine
stücken geseben haben, der von dem Turm ausging, auf den die Granate
zum 8. November angeordnet worden. — Dem Vaterländi¬
aufgeschlagen hatte. Jetzt wurden die Versuche vorläufig abgebrochen,
und eine genaueste Untersuchung des Turmes und seiner Umgebung sschen Frauen=Zweigverein für das Kirchspiel Laukischken! bernen Ring mitk
„Bertha v. Oest
1 Spiel, das vielfach diesen Darstellungen einen hervorstechend eigen¬
rührenden Unbeh
— und darum mag er als Prätendent gelten, wenn von dem ver¬
tümlichen Zug gibt: die Vertrautheit mit physiologischen und patholo¬
Aber das ist es
waisten Throne der österreichischen Dichtung die Rede ist. Und selbst
gischen Zuständen, der ausgebildete Sinn für die Verwandtschaft
Sphäre alle Me
wenn er das nur bleiben sollte, lohnt es, ihn schärfer ins Auge zu
zwischen Leidenschaft und Krankheit. Die Richtung
Gegensätze, des
fassen — auch Prätendenten gehören mitunter der Geschichte an.
des Blickes für solche Erscheinungen war für Schnitzler von Hause aus
Religiosität und
Schnitzler ist Wiener von Geburt und Temperament, von Nei¬
bestimmt. Sohn eines Professors der medizinischen Fakultät, eines
dummung und
gung und Gesichtskreis. Alles, was er sieht, ist in Farbe und Licht
1 angesehenen Laryngologen, wurde er selbst früh zum Arzt gebildet:
und beglückender
seiner Vaterstadt getaucht, auch wenn er ab und zu einmal seine Ge¬
er übte bereits die Praxis aus, als seine ersten dichterischen Werke
weil er den Men
stalten mit Kunst historisch drapiert, wie in der bizarren Skizze aus
an die Oeffentlichkeit traten. Unter den dichtenden Aerzten,
Anders Sch
der französischen Revolutionszeit „Der grüne Kakadu“, oder
deren von Jnstinus Kerner bis Leander=Volkmann
ist nicht nur lol#
in dem träumerischen Renaissance=Schauspiel „Der Schleier der
eine lange Reihe in unserer Literatur zu verzeichnen ist, ist Schnitzler
ganz bestimmte
Beatrice". Das Kostüm ist nur Uebermalung, Lasur, aus der
wohl derjenige, bei dem der Beruf am meisten auf die Dichtung abge¬
wühlt, ohne übe
die Grundfarbe hervorschimmert. Und es ist eine besondere Schicht
färbt hat. Ich denke dabei nicht nur an all die Krankheitsszenen, die
Täuschungen und
der Wiener Gesellschaft, der Schnitzler durch Geburt und Erziehung
in der Novelle „Sterben“, im Schauspiel „Vermächtnis“,
mensch — in se
angehört, eine bürgerlich=patrizische, feingeistige, in der die in einem
in den Skizzen „Abschied“ und „Die Toten schweigen“,
die Lebenskraft
ungen Kreise festgewurzelte alte Wiener Kultur die Wendung ins
und vollends in der feinen und tiefsinnigen Spitalkomödie „Letzte
Träume oder an
Resignierte und Geistreich=Ironische genommen hat. Es ist eine an¬
Masken“ enthalten sind, sondern vor allem an den Mut, mit dem
Menschen der Le
dere Schicht und ein anderes Wien als jenes, das durch Bauern¬
Schnitzler einen eigentümlichen tragischen Zusammenhang bloßlegt,
begnügt sich dar
felds Lustspieltypen dem Theaterpublikum vertraut geworden. In
eine besondere Seite der Lebenstragik, das Anein¬
seinem Jugendd
Bauernfelds bureaukratischen und aristokratischen Gesellschaftstypen
anderstoßen und Ineinanderwirken des sinnlichen Genusses und der
eigentlich unser
geraten philiströse Naturen und humoristische Lebenskünstler von
körperlichen Hinfälligkeit, die Abhängigkeit des ausschweifenden und
Der
freierer Auffassung ergötzlich aneinander, dazwischen gibt es auch gut¬
leidenden und vergehenden Menschen von denselben Nerven, die Him¬
eige
mütige Tröpse der Unbildung, Salonschlangen und Narren des Leicht¬
mel und Hölle für ihn bedeuten, die psychophysische Einheit im Be¬
von
sinns — aber sein Wienertum tritt nicht aus dem geschlossenen Kreise
gehren und Verzweifeln, die Schnitzler bald in unheimlichen Ueber¬
(18
der oberen Zehntausend hinaus — die Vorstadt mit ihren Grisetten
gängen, hald in jähen Umstimmungen so ergreifend darzustellen weiß,
Be¬
existiert für ihn nicht, und der Lebemann zeigt nur die Seite, die er
daß selbst das Verwegen=Sinnliche dadurch der Gemeinheit entrückt
hat
und in Lebenstragik gewandelt wird. Selbstverständlich war auch
dem Salon zukehrt.
Schnitzler zeichnet das Wiener Leben gerade an jenen Grenz¬
dieser Boden schon bereitet. Ganz naiv zeigen schon die alten italieni¬
m0
gebieten, wo die sogenannie gute Gesellschaft sich mit den breiten
schen Novellisten diese grauenhafte Kehrseite der Sinnlichkeit, und
sie
Volksschichten berührt, wo Lebemänner und Lebejünglinge sich mit der
Nachklänge dieser tiefen organischen Beziehungen findel man in einer
Fri
Naivetät „vom Grund“ verbinden, um einen Traum durchzukosten,
Novelle von Kleist, in einer merkwürdigen Geschichte von Goethe, und
der
ader der erklärten Leichtfertigkeit huldigen, um in der Ungebundenheit
vereinzelt bei französischen Erzählern. Aber Schnitzler hat die Durch¬
S
zu schwelgen. Die Komik und Tragik dieser wilden Verhältnisse ist das
bildung dieses Zusammenhanges zu seiner Svezialität gemacht: die
Hauptgebiet seiner Beobachtung und seiner Mitempfindung. In die
Verwandtschaft von Taumel und Tod, vom Vergehen in erotischer
eine wie in die andere dringt das Licht einer ironischen Resignation
Verzückung und pathologischer Verzweiflung schlägt fast überall bei
kein, die die Verwegenheit adelt, mit der das Natürliche aus Licht
ihm durch
vo
gerückt und selbst das Gemeine entschleiert wird: seine Toren des
Schnitzler ist nicht allzu früh hervorgetreten; 1862 geboren,
der 3
Genusses leiden am Leben, sie sind, wie er seinen Anatol sich charak¬
hatte er das dreißigste Lebensjahr überschritten, als seine ersten
Id
sterisieren läßt, „leichtfertige Melancholiker“, Prahler der Lebewelt,
größeren Arbeiten aus Licht kamen. Dennoch gehört er zu den früh
phisto
die Blasiertheit heucheln und sich immer wieder in Vorstellungen hin¬
entwickelten Talenten; er zeigte sich als ein „Fertiger“, geschlossen
der ga
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einschwärmen, denen ihre eigene Natur oder die ihres vermeintlichen
in der Form, begrenzt in der Welt seiner Anschauungen; Ton, Stoff¬
spräche ist von
Ideals nicht stand hält, oder Knaben voll Großmannssucht, die mit
kreis und die Art, die Motive zu fassen, waren in ihm vorgebildet,
in Meisterstri
Abenteuern spielen, in denen sie sich verstricken. Dieses zweite Leben
die Virtuosität wie die Enge, die in innerer Beziehung zu
— trotzdem
der Großstadt, das sich dicht hinter den Kulissen der Gesellschaft aus¬
einander stehen. Das Entscheidende daran ist nicht, daß er vor¬
meisten Wen
breitet und in seiner Leichtfertigkeit und Heuchelei viele Existenzen
wiegend eine lokal bestimmte Gegenwart, eine besondere Sphäre des
haben einzelne
vergiftet und vernichtet, ist das Hauptgebiet der Schnitzlerschen Dich¬
Wiener Lebens behandelt, und wenn er darüber hinausgreift, eigent¬
gewirkt, hier un
tung; er führt die Konflikte dieser Welt bald mit juvenalscher Satire
lich nur dieselben Gestalten in andere Kostüme steckt. Auch Anzen¬
häufigsten das
an die Grenze einer traurigen Lächerlichkeit, in der der Mensch sich
gruber bewegt sich nur in zwei gegenwärtigen Sphären, die nah
Humor der Tär
in die Selbstverachtung ergiebt, bald wiederum zu erschütternden
aneinander grenzen, in der alpinen Bauernwelt und in dem Wiener
Lebejünglings,
Katastrophen, in denen eine echte Natur durch die Lüge, der sie das
Vorstadtleben — abgesehen von einem nicht ganz gelungenen Salon¬
beste Teil ihres Wesens anvertraut hat, zu grunde geht.
Dabei kommt ein Element der Beobachtung und Bildung ins 1 stück und einem fragmentarischen Versuch in der Jambentragödie