VI, Allgemeine Besprechungen 2, Ausschnitte 1933, undatiert, Seite 137


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2. Cuttings box 38/4
wir etwas genauer kennen gelernt.
rufen. Das sehr verwickelte System
Nicht einmal berührt haben wir
hier darzulegen, nach dem die Am¬
die Seepost und den gesamten
ter eingerichtet sind, namentlich
internationalen Verkehr, d.
nachdem heute die Versuche mit
das Gebiet, wo die Reichspost sich
der automatischen Schaltung be¬
mit der Weltpost berührt. Aber
gonnen haben, bei denen jeder sofort
auch dieses Bruchstück hat uns ge¬
sich mit der gewünschten Nummer
zeigt, welche Bedeutung in unserer
selbst verbinden kann, würde zu¬

modernen Kulturgeschichte gerade
viel Raum erfordern und ohne
S. 1
der deutschen Reichspost zukommt,
mannigfache Abbildungen nicht
zu wie großem Dank wir ihr ver¬
möglich sein.—

pflichtet fnd, ihren Leitern und
Nur ein kleines Gebiet der
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dem unermüdlich pflichttreuen
gewaltigen Betriebsanstalt, die
Heere ihrer Beamten.—

unsere Reichspost darstellt, haben



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Sei
Volkstheater wenig Glück gehabt) und Schnitzler war
Arthur Schnitzler
mitten in das litterarische Leben gerückt. Und wie
Von
es da schon bei so überraschenden Erfolgen zuzugehen
Paul Sieven, Wien
pflegt: Schnitzlers Eigenart wurde sofort klischiert.
Von Zeit zu Zeit wird von den Asthetikern die
Bezeichnungen wie „Der Dichter des süßen Wiener
Mädels", „Netter Theatermensch", „Wienerischer
Frage aufgeworfen: Giebt es eine österreichische
Franzose“ schwirrten in die Welt und weckten in
Litteratur? Von allen Seiten versucht man dann
jedermann die Luft, das Wesen dieses Dichters mit
Beweise pro und contra zu erbringen. Aus den
einem einzigen Schlagworte abzuthun.
Werken Vergangener werden Resumées gezogen,
die mit den modernen Dichtungen in Bezug gebracht
Wie kam man zu diesen Bezeichnungen und wie
werden, Analogien werden gefunden und bestritten,
weit sind sie gerechtfertigt?
Weit draußen in einer stillen, abgelegenen
Behauptungen aufgestellt und geleugnet, und das
in
Resultat des Kampfes ist der
Straße der Vorstadt,
status quo.
einem Häuschen, das vielleicht ein
Österreichisch! — Man muß
kleiner Garten von dem Schmutz
den Dialekt unserer Alpenbewohner
der Straße trennt, ein Mädchen.
kennen, muß durch das Hügel¬
Unschuldig ist es wohl, aber nur
so wie es ein Kind der Gro߬
land des Wiener Waldes und des
stadt sein kann, das täglich und
Nachts durch die alten, winkeligen
stündlich dem Laster begegnet. In
Gassen Wiens gebummelt sein, man
muß den „Volksgarten“ kennen und
der Tiefe seines Wesens schlum¬
mert ein unbestimmtes Ahnen
den Prater, die Pracht der blühen¬
von unerhörten Wonnen, die
den Wachau und die eisige Ruhe
der Gletscherwelt, man muß den
irgendwo in der Ferne, so weit
Leichtsinn des Österreichers ver¬
ach von der stillen Straße, von
frohen glücklichen Menschen ge¬
stehen, der alles Unglück verlacht,
nossen werden. — Da kreuzt eines
die „Verkaufts mein' Gwand, i
fahr' in Himmel“=Stimmung, und
Tags ein junger Mann ihren Weg.
Er ist liebenswürdig, galant, hat
den an Cynismus streifenden Sinn
Arthur Schnitzler
des alten wienerischen Liedes:
gepflegte Hände, die nie arbeiten,
fährt im Wagen und spricht so unge¬
du lieber Augustin“
dann wird man die Werke unserer Dichter auch
zwungen lieb und herzlich mit ihr, wie es noch
niemand that. Er erzählt ihr vom Theater, von den
verstehen, dann vielleicht auch lieben können.
Einer der österreichischsten unter den öster¬
Bällen, den Konzerten, den Rennen und den so
reichischen Dichtern ist Arthur Schnitzler.
intimen Soupers, und dann auch von seiner Liebe
Einige Gedichte in Wiener Zeitschriften, das Dramolet
zu ihr. Und sie glaubt, glaubt alles, glaubt ja so
„Alkandis Lied“ und besonders der Einakterzyklus
gerne. Alles, was sie bis nun, nur ungewiß und
„Anatol“ richteten die allgemeine Aufmerksamkeit auf
verschwommen in heißen, sehnsüchtigen Traumen er¬
ihn. Man hatte damals nochnicht viel von ihm gehört.
lebt hat, bietet sich ihr so lieblich und einfach, daß
Man wußte nur, daß er der Sohn eines berühmten
sie nur die Hand darnach auszustrecken braucht. Und
unbekümmert, ohne jede Reue thut sie es. Und nun
Arztes und selbst Doktor der Medizin sei und daß
beginnt für sie ein lustig sprudelndes Leben, dessen
er dem litterarischen „Jung=Wien“ angehörte.
Dann kam der große Erfolg seiner Liebelei“
Glück von zwei nie versiegenden Quellen gespeist wird:
am Burgtheater (sein „Märchen“ hatte am
on ihrer Genußsucht und ihrer Liebe, — bis es
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