VI, Allgemeine Besprechungen 2, Ausschnitte 1933, undatiert, Seite 189

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2. Cuttings
0 „„Was our
#en.) Prinz Elias Studierenden anbelangt, so muß ich zu meinem größten Be=L#rg#,
von Parma und Gemahlin haben sich gestern nach Wels be= dauern feststellen, daß dasselbe nicht immer den akademischen „Ich bin sonst
geben. — Reichskriegsminister F3M. Freiherr v. Schönaich Gesetzen entsprach, es bestand schon von Beginn des Tribüne aus
Aus Studienjahres an eine gereizte Stimmung, die bei geringen Anlässen über Stiegen ist für
ist gestern mittag aus Budapest in Wien eingetroffen.
K1
Rihit len u
entzückende Aussicht nach dem Kahlen= und dem Leopoldsberg ge¬
währen, wirkt wie ein Wahrzeichen ernster Arbeit und ästhetischer Dichter.
Bei der delle Grazie.
Auch hier z
Ordnungsliebe. Das alles umfängt den Besucher mit warmer
Von
Dichterische auf die
t in ihrer Ausdrucks¬
Harmonie. Die delle Grazie is
Ilka Horowitz=Barnay.
weise hochinteressant. Jede Frage, die sie beschäftigt,[hält Schnitzler
Als ich beschlossen hatte, die delle Grazie — der
nimmt sie mit gespannter Aufmerksamkeit in sich auf, sie ant= mehr vermöchte, als
wortet nicht gleich. Man sieht förmlich, wie sie darüber nach; für einen echten, bed
ich hier die gesellschaftliche Titulatur von „Fräulein“ 2c. ebenso
denkt, wie sie in die Tiefe taucht, wie sie sich konzentriert, umlbach entzückt sie
wenig geben kann, wie etwa der Duse oder der Rosa
die Summe ihrer Gedankeuarbeit fertig heraufzuholen. Wenn sie Humoristen, als der
Bonheur — aufzusuchen, um ihre nähere Bekanntschaft zu
dann spricht, so geschieht das mit fast südlicher Lebhaftigkeit, aus gewürdigt wird. Wer
machen, da wurde es mir plötzlich klar, daß ich einer richtigen,
einem schön=bewegten Temperament heraus, das ihrer Rede einen Hauptmann.
wirklichen Dichter in nocht niemals Aug' in Aug' gegenüber¬
durchwegs kräftigen Rhythmus verleiht. Sie lacht laut und herzlich Schulbeispiel und „#
gestanden war. Es gab mir förmlich einen Ruck. Und sofort
und hat eine merlwürdig charakteristische Beweglichkeit der rechten sie hält Hauptmann
begann meine Phantasie zu arbeiten, und ich war bemüht, mir
Hand, die ihrer Rede ausdrucksvoll sekundiert. Aber es fliegen kennen muß, daß er
eine Vorstellung zu machen von Wesen und Eigenart einer
schaffen weiß.
auch tiefe, melancholische Schatten über ihre beweglichen Züge,
Dichterin, von ihrer Lebensführung und ihrem Temperament.
Ich war neug
Vor allem beschäftigte mich die Frage: Würde sie aus ihrer namentlich wenn sie davon spricht, daß sie seit ihrer frühesten
halte Jösen“, meint
Kindheit fast immer einsam gelebt, daß sie sich nur schwer an
Welt in die meine herüberkommen? Würde sich ein Gedanken¬
rühesten Wer
Menschen angeschlossen und niemals eine Freundin besessen hat. seine
austausch herstellen, der beiden Genuß und Bereicherung böte?
prätendenten“
„Ich habe mich im Wesen und auch morphologisch seit
Und Fragen realistischer Art drängten sich auf: Wie lebt,
meiner Kindheit kaum verändert“, sagt sie und in der Tat zeigt späteren partikulär n
wie wohnt, wie kleidet sich eine Dichterin? Bis in die
Tolstoi in keinen
eine ihrer Photographien als siebenjähriges Mädchen vollkommene
Haizingergasse hinaus rumorten Fragen und Zweifel in meinem
„Anna Karenina“.
Aehnlichkeit in den tindlichen Zügen, den Ausdruck schwermütigen
Gedankenapparat, und siehe, als ich bei der delle Grazie eintrat,
als sie mir warm und herzlich entgegenkam, mir kräftig die Hand Ernstes, ja einen über das Kindesalter hinaus gereiften forschenden werk. Aber für den
[jewsky, den S
sehnsüchtigen Blick.
drückte, — da lachte ich mich und alle meine Skrupel sofort
Ich bin überzeugt, daß dieses merkwürdige Gemisch von sagte: Daß er von
innerlich herzhaft aus. Dichterin? Jawohl, innerlich fraglos!
Jeder Gedanke, jede Sensation! Aber äußerlich? Gottlob, nein! Licht und Schatten, von hellem Temperament und dunkler Ge= habe. Die delle Gr
dankentiefe in einer ausgesprochenen Rasseneigentümlichkeit wurzelt. Denkern, der kein
Keine Spur von Absonderlichkeit, von Unnatur. Eine liebens¬
Die delle Grazie entstammt einer alten, bis jus XIII. Jahr= lebt — wie nicht
würdige, warmherzige, temperamentvolle, hochkultivierte weibliche
Erscheinung, einfach und natürlich, auch wenn sie die tiefsinnigsten hundert zurückreichenden venezianischen Familie — der citta-tüchtigkeit, jener sittlh
dinanza originaria Veneziana — und sie erlehte ihre früheste scheintsals die Fahr
Dinge aussprach, ein reiner, großer Mensch, den man sofort
empfinden und verstehen mußte. Und so wurde denn die kurze Jugend bis zu ihrem neunten Jahre in Ungarisch=Weißkirchen. als wit von Nietzsch
Nach ihrer Schilderung war sie immer ein träumerisches, ein „ver= starkenkgeistigen Sell
Plauderstunde für mich wie eine intime Aussprache mit einem
stiegenes“ Kind und ihr Blick schweifte schon damals in stiller nicht ohne weiteres
engbefreundeten Meuschen, den man leider nur zu selten sieht.
Noch ehe ich erzähle, was wir miteinander gesprochen, Sehnsucht über die alten Römerstraßen, nach den sichtbaren Trajans= aber sü verdammt e
muß ich als Frau und Hausfrau über das Wohnzimmer der tafeln jenseits des anderen Ufers. Die eigenartige Landschaft mit aus den Grunde sch
Dichterin sprechen. In dem schönen, anheimelnden Raum, der ihrem melancholisch=tragischen Charakter, die rumänische Bevölkerung interestente Entwicklu
ohne jene aufdringliche Pracht, aber mit wohltuender, bürgerlicher mit ihren klassischen und an die alten Lateiner gemahnenden Ge= weil & meist in Aph
Eleganz ausgestattet ist, stört nicht die leifeste Dissonanz das stalten, ihren schönen Weibern, alles das prägte sich bildhaft in halten Selbstverstän
Auge. Keine Bohrmegenialität, keine sogenannte künstlerische das phantasievolle Gemüt des begabten Kindes. So vereinigten für dei hervorragend
Unordnung, die bei der kultivierten Frau nur auf Nachlässigkeit sich altererbte Kunst und Lebfreudigkeit des strahlenden vene= geahnen neuen Glau
schließen läßt; die Dichterin verschmäht es nicht, eine gute, sorgezianischen Elements mit den düsteren Jugendeindrücken und soudem für ein epoc
Bei dieser Gel
same Hausfrau zu sein, ohne daß ihr die leiseste Pedanterie nach- befruchteten die hervorragenden dichterischen Fähigkeiten der
dem Gedanken an ei
ginge. Ihr Schreibtisch, der zwischen zwei Fenstern steht, die eine delle Grazie.