VI, Allgemeine Besprechungen 2, Ausschnitte 1933, undatiert, Seite 201

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2. Cuttings

Spitzen. Hier Gartenhecke, dort Stacheldraht;
antworten, nicht angreifen, sondern bloß ver¬
Ludwig der Große erschien vor Frau und
hier Ziehbrücke und dort Fallbrücke. Die
teidigen; aher er kennt die Macht dieser weib¬
Tochter klein. Allerdings nicht so winzig und
Deutsche ist gut wie frisches Brot und mild wie
lichen Wesen trotzdem genau, denn er sagt:
#rmselig, wie der polnische Ladislaus, der sich
warme Milch, die Magyarin herb wie grünes
„Jede Heldentat, die geschah oder unterlassen
on der Witwe des Königs Matthias, der ener¬
Obst und prickelnd wie kalter Champagner —
wurde, ist einer Frau zuzuschreiben.“ Die Wahr¬
hischen Beatrir, jedes Joch aufhalsen ließ, nur
freilich ungarischer. Diese ist durchsichtig und
heit dieses Satzes zeigen allerdings auch Katona
nicht das der Ehe, und just dieses wäre der ehr¬
jene bloß spröde wie Glas, und dennoch ist die
in seinem Drama „Banus Bank“ und Madach
heizigen Wittib das wichtigste gewesen. Aber
erste viel leichter zerbrechlich. Die eine blickt
in seiner „Tragödie des Menschen“. Von allen
Ladislaus wollte durchaus kein Menelaus wer¬
zum Mann empor, die andere schaut auf ihn
Lebewesen weist keines mehr Varietäten auf als
den, die Zacken an seiner Krone genügten ihm
hernieder, denn diese will Magd und jene
die Frau, und deshalb kann es nicht über¬
vollständig, und das mußte er schließlich büßen.
Herrin sein. Die erste weiß nicht viel, die zweite
raschen, daß es auch in Ungarn eine Art,
Die Frauen, die auf den Blättern in der unga¬
weiß alles besser; diese ist bescheiden, ja über¬
Abart oder Spielart der süßen Mädel
ischen Geschichte erscheinen, sind gepanzert bis
bascheiden, jene laut und überlaut, vielleicht auch
gibt. Freilich, so kandiert wie die Schwestern
ns Herz hinan, sie haben Willen und Kraft,
jenseits der Leitha sind sie nicht. Ein vorlaut; die eine will lieber betrogen werden
und selbst die heilige Elisabeth verfügt über
als betrügen, während die andere lieber das
ungarischer Lustspieldichter brachte sie auf
einen erstaunlichen Eigensinn, so zwar, daß es
andere will. Der ersten ist jedes politische Lied
die Bühne und gab ihnen, in Erinnerung
nur stilgemäß ist, wenn ihre Statuen, und be¬
„ein garstig Lied“, der zweiten jeder politische
an die kleinen, rassigen, wilden, feurigen eng¬
ssonders die Heiligenscheine, die ihr Köpschen
Kampf eine Seligkeit; diese begnügt sich mit
lischen Pferdchen, den nicht eben höflichen
sumrahmen, aus Eisen gegossen werden. Die
dem Ausgleich und nimmt mit dem gemein¬
Namen „Juckermädel“. Wer in den Abend¬
Wenus von Murany, Maria Szechy, verteidigte
samen Offizierskorps vorlieb; jene liebt den
stunden durch die Straßen Budapests flaniert,
mit ihren Mägden, die Waffen in der Faust, die
Umsturz und fordert gleich eine selbständige
den Korso in der Waitznergasse oder in der
Burg, und die Heldin von Munkacs, Ilona
ungarische Armee; die eine hält die Noten der
Kossuthgasse beobachtet, der kann diese magyari¬
Zrinyi (die Graf Geza Zichy erst in den letzten
Oesterreichisch=ungarischen Bank in Ehren, die
schen süßen Mädel in Hülle und Fülle sehen,
Stunden auf die Opernbühne brachte), leistete
andere singt nur nach Kossuth=Noten. Doch
wie sie mit ihren blitzenden und flammenden
mit ihren Hofdamen Wunder der Tapfer¬
genug. Die weißen süßen Mädel aus den
schwarzen Augen das Licht der bell strahlenden
keit, indem sie drei Jahre hindurch alle
deutschen Gauen sind entzückend, aber auch die
Bogenlampen verdunkeln. Diese stolz einher¬
Angriffe Caraffas zurückschlug. So zeigt
braunen süßen Mädel aus den Gefilden Pan¬
schreitenden Kleinen sind nicht zu Sklavinnen
die ungarische Geschichte da und dort ein kühnes
noniens brauchen sich nicht zu verstecken. Weich¬
der Ehe, oder der Liebe, oder gar der Liebelei
Frauenbataillon, wenn man nicht lieber von
heit, Zartheit und Schwäche fehlen wohl den
geboren. Nicht sie wird der Mann lenken,
einem schneidigen Weiberregiment reden will.
Magyarinnen, ebenso jene fromme Opferwillig¬
sondern sie werden ihn mit ihren kleinen Händen
keit, die lieber geben als nehmen möchte, und
Und auch in der ungarischen Literatur sind
führen, wohin sie wollen. Denn je kleiner die
endlich auch die rührende Leichtgläubigkeit, die
die zarten, willenlosen Frauen und Mädchen
Hand, desto kräftiger scheint sie den Herren der
glückselig Goldstücke gegen Spielmünzen ein¬
nicht beliebt. Der große Dichter Arany hat in
Schöpfung gegenüber zu sein. Das deutsche süße
tauscht, aber sie haben dennoch Herz, nur dulden
seiner Piroska, die lieber an der Seite eines
Mädel ist schwach, ängstlich und leichtgläubig,
sie nicht, daß es so rasch gebrochen werde wie
gehaßten Gatten hinsiecht, als ihren schwer ver¬
das ungarische süße Mädel jedoch kräftig, dreist
später manchmal die Ehe. Woraus die edle
letzten Stolz zu vergessen und zu vergeben, ein
und mißtranisch; die eine hat ein Herz für
Männerwelt ersehen kann, daß das magyarische
magyarisches Mädchenbild gezeichnet, wie es
alle, nur nicht für sich, die andere vor allem
süße Mädel auch nicht bitter ist — freilich, die
besser und treffender im ungarischen Schrift¬
für sich und dann erst für die übrigen. Diese
wahre Liebelei ist das nicht und das wahre
tum kaum zu finden ist. Auch die Frauen, die
ist eine langstielige, duftige Rose, ganz ohne
Petöfi besingt, sind nicht weich und ängstlich,
„süße Mädel“ ebenfalls nicht.
Dornen (das Produkt der modernen Garten¬
sondern selbstbewußt und oft recht hart. Jokai
meint wohl, daß ein Mädchen nicht sehen darf, kunst), jene ein wild wachsendes Heideröslein
sondern bloß blicken, nicht fragen, sondern bloß! mit wenig Wohlgeruch und recht vielen scharfen!