VI, Allgemeine Besprechungen 2, Ausschnitte 1933, undatiert, Seite 209

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2. Cuttings
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enlehre erstrecken, die Alt= Verdächtigte einen jeden Zweifel ausschließenden geben, als ob Böhmen eine Provinz Deutschlauer &
Wir waren zu familiär freinlichen oder wenn man will, zimperlichen diesen Beweis nicht hergestellt. Eine Abhandlung über
heater, wir waren ihm mit Kunstsinn dieses Publicums steckt doch noch im Hypnose, der Sectionsbefund einer modernen Ehe
he an den Leib gerückt. Das Hause. Es ist noch immer nicht die richtige und ein Genrebildchen aus der schönen Zeit,
Denn füglich ist es ja Aufnahmsfähigkeit vorhanden
für den Kunst= da in Peris das große Guillotiniren losging,
k heißt es, vornehme Zurück¬
genuß eines Milieus der durchnäßten Juchtenstiefel, der werden uns in jenen Einactern geboten. Die
ich mäßigen im Unmuth wie
dunstenden Abwaschfetzen und der aufgewärmten
Cameraderie machte daraus dichterische Offenbarungen.
Liebe. Denn auch darin ist Krauttöpfe. — Ohne besonderen literarischen Werth, Ernsthaft glaubte Niemand daran. Die dritte Novität,
rgriff. Ein Hoftheater muß
aber als eine starke dramatische Arbeit erwies sich welche „Jung=Wien“ glorificiren sollte, brachte Herrn
geliebt werden. Das „Das Erbe“ von Philippi. Hinge nicht die fatale Hugo v. Hofmannsthal zum erstenmale auf die Bühne
wir auch, warum wir Sensation, die actuelle politische Deutung diesem Stücke
des Burgtheaters. In ihm sollten wir das größte
geworden sind in der
an, es dürfte nicht nur als ein wirksames, sondern auch
Talent der Clique kennen lernen. Es war eine arge
des Burgtheaters. Es ist
als ein würdiges Burgtheaterstück bezeichnet werden.
Enttäuschung: eine schwächliche Erfindung und ein ver¬
ker verständigen Verehrung
Von den übrigen elf Novitäten läßt sich vielleicht vom
kümmerter dramatischer Nerv überwuchert von einer
da muß es freilich dem un¬
Standpunkte der Camaraderie oder etwa dem des
sogenannten „schönen Sprache“. Immerhin ist es gutzu¬
krner stehen. Ein Hoftheater.
Kassenrapportes einiges Rühmliche sagen, der ernsten heißen, daß dieses vielgerühmte Talent aus dem ge¬
n den Gedanken gewöhnen,
sachlichen Kritik halten sie nicht Stand. Das Schau= heimnißvollen Halbdunkel der „literarischen“ Salons in
uen kritischen Maßstab ver¬
spiel „Ewige Liebe“ von H. Faber ist gepaustes Talent, das helle Rampenlicht gesetzt wurde. Nun weiß man
ein Abklatsch bewährter Vorlagen und eben deßhalb doch, daß „Jung=Wien“ auch in Herrn Hugo
des Hof=Burgtheaters darf wirksam. Die Aufführung im Burgtheater ist v. Hofmannsthal den Messias nicht gefunden hat,
Direction Schlenther gebucht nur zu rechtfertigen, weil das Stück einige gute
den es so sehnsüchtig erwartet. Director Schlenther
wie das Vorjahr, eine Zeit Rollen enthält und die conventionelle moderne Prä¬
vollbrachte
mit der Aufführung dieses Autors
und der ersten Versuche gung zeigt, die noch immer Kaufkraft besitzt. Eine
eine Art
prophylaktisch=literarischer That, eine
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eine Zeit der Bethätigung Geschmacksverirrung aber war es, uns das Lustspiel
vorbeugende
Ernüchterung. Es war freilich anders
diese Saison gebracht?
„Der Vielgeprüfte“
von Mayer=Förster vorzusetzen.
gemeint. Die Tragödie „Herostrat“ von Ludwig Fulda
ierzehn Stücke vorgeführt Eine Verirrung des norddeutschen Geschmackes auf brachte dem Repertoire des Burgtheaters keine Be¬
khl.
Aber auf literarische wienerischen Boden. Drei Novitätenabende hat Director reicherung. Der Versuch Fulda's, das actuelle Thema
llen diesen Stücken wol Schlenther daran gewendet, dem vercliqueten „Jung=des anarchistischen Größenwahns auf den classischen
spruch erheben: „Fuhr=Wien“ auf die Beine zu helfen. Zwei dieser Abende Kothurn zu stellen, fiel recht unglücklich aus und die
no von Bergerac“. Die waren der Muse Arther Schnitzler's gewidmet, die in
Aufnahme des Stückes kam einer Ablehnung gleich. Der
nd's gehörte ins Burg= qualvoller Enge zwischen einem ärztlichen Ordinations=
gute Name des Autors, dankbare Rollen und einige
akteristische Erscheinung der zimmer und dem Absteigequartier eines Lebejünglings zu
wirksame Scenen des Stückes dürfen als mildernde
einer der ersten Boten lhgiren scheint. Carbolgeruch und Cocottenparfum dringen Umstände dieser Aufführung geltend gemacht werden.
Meuromantik. Das Schau= durch die Thurspalten links und rechts in das dürftige Schwerer zu rechtfertigen dürfte die letzte Novität dieser
rechtfertigt die Aufnahme Heim dieser armen Muse. Das Schauspiel „Das Ver= Saison sein, die Comodie „Peter Kron“ von E. Rosmer.
kheaters durch den Namen mächtniß“, welches uns den letalen Ausgang einer Weßhalb diese schwache Arbeit der begabten Verfasserin
ück selbst nahm sich schweren Gehirnerschütterung und einer Liebschaft mit nach langer Irrfahrt durch Theaterkanzleien just im
Rahmen dieser Bühne Paternitätsbeschwerden vorführt, hat den Wahrheits¬
Hofburgtheater landen mußte, ist nicht zu verstehen.
nicht zu jener Wirkung ge= beweis dafür, daß Herr Schnitzler ein Dichter ist, nicht
An Zahl vollauf genügend, an Gehalt recht un¬
sicher gewesen wäre. Das erbracht. Auch die drei Einacter „Paracelsus“, „Die
zulänglich, kann die Ausbeute der abgelauferen Saison
#ist ja längst nicht mehr der Gefährtin“ und „Der grüne Kakadu“, welche einen
an Novitäten als eine schwache Mittelernte bezeichnet
ters, aber etwas von dem zweiten Premierenabend in Anspruch nahmen, haben
werden. Der Bühnenleiter, auch der des Burgtheaters,
ist nicht verantwortlich zu machen für die dramatische
Production. Nur in der Auslese kann seine Kenntniß
oder seine Schuld liegen. Die Auswahl, die Director
Schlenther traf, wird sichtlich beeinflußt von dem Be¬
streben, einerseits recht literarisch zu bleiben, und
andererseits den Wiener Markt möglichst zu
berück¬
einzu¬
sichtigen. Dagegen ist an und für sich nichts
wenden. Aber der Wiener will auch im Heilszeichen
der Literatur
nicht gelangweilt werden.
Und
süber der literarischen Auffassung des
Herrn
Schlenther liegt nun einmal die Melancholie und Monotonie
eines windstillen Sommertages am gähnenden kurischen
Haff. Man kann sich des Mitgähnens nicht erwehren.
Und die Berücksichtigung, die Herr Director Schlenther
dem Wiener Markte angedeihen läßt, sieht einem Liebes¬
dienst für die allmächtige Clique verzweifelt ähnlich.
Denn diese Berücksichtigung erstreckt sich nur auf bereits
sausreichend entdeckte „Dichter“, die mehr durch Vetter¬
schaft als durch Talent „ziehen“. Dabei besteht kein
Risico. Irgend ein junges Talent, das außerhalb der #
Clique
steht, hat uns Herr Schleuther noch nicht vor¬
geführt.
Denn ein solches Talent müßte wirklich erst
entdeckt, statt aus dem Kaffeehause geholt werden und
dann wäre die Sache auch zu gewagt. Wozu den Zorn##
der Olympier wecken?
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