ne ie de Schiptersche
Kunst gedeihen, wo feit des Minnesanges goldenen Tagen die
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wundervolle Komödie „Zwischenspiel“ (1905), in Berlin
F####derte ihre mildernde Macht geübt, wo man unendlich
wie in Wien gleichmäßig abgelehnt werden konnte, ist mehr ein
fein empfinden kann und doch, wenn der Schmerz fast die Brust
Beweis dafür, wie schwer sich oftmals Dichter und Hörer finden.
zersprengt, das resignierte Lächeln des Vielerfahrenen zur Schau
Zwei Cheleute, die sich einander nicht mehr genügen, glauben
trägt. Diese jungen Lebemänner, oberflächlich und herzlich,
auf Grund eines Pakts, der jedem seine volle Freiheit läßt,
gemütlich und vornehm, von Genuß zu Genuß eilend und doch
doch weiter nebeneinander leben zu können. Aber die neu
nie befriedigt; diese blasierten Aristokraten, diese nervenreichen
Form der „Ehe“ scheitert an der Macht des Blutes und der
Künstler; dieses ewig „süße Mädel“ und diese ewig unverstan¬
Gewohnheit. Die Tragikomödie der Ehe ist auch im „We
dene und abwechslungsgierige Frau, wie wir sie bei Schnitzler
Lanid“ vom vorigen Jahre dargestellt; zwei Menschen, die sich
immer wieder finden und lieben, sie sind rechte
lieben und die sich hintergehen müssen, bis die Kugel des be¬
Wiener Typen,
trogenen Gatten das viereckige Verhältnis sprengt.
Was uns Schnitzler in den zwanzig Jahren seines Schaffens
von einer Meisterhand herausgegriffen aus dem fvisch pul¬
geschenkt hat, ist unendlich viel und unendlich kostbar, und
sierenden Leben der Donaustadt. Wien hat stets seine Kinder
doch stoht er heute erst auf der Höhe seines Lebens. So dürfen
an sich zu halten vermocht. Wiener Dichter sind zumeist auch
wir von dem Wiener Poeten gewiß noch manches Meisterwerk
die Dichter Wiens geworden. Es hat ihrer schon viele vor
erh###in.
Schnitzler gegeben, und viele wirken neben ihm. Und doch ist
es ein gewisses Etwas, das seine Schöpfungen aus allen anderen
Produkten des Wienerischen Geistes heraushebt. Ein Walzer
von Strauß, eine Rolle von Girardis und ein Einakter Schnitz¬
lers — Blumen desselben Beetes und doch wie verschieden an
Farbe und Duft! Was bei Schnitzler fehlt, ist das Rührselig¬
Sentimentale, das Beschränkt=Spießbürgerliche, das sonst zum
Wienertum zu gehören scheint. Die Befreiung von ihm ver¬
dankt er seinem großen französischen Meister. Bei aller Leiden¬
schaft seiner Personen ist Schnitzler kühl; der Gegensatz zwischen
Mann und Weib ist ihm nicht, wie Strindberg, eine Tragödie,
die Schauer und Mitleid fordert, sondern gewissermaßen ein
Fechten, bei dem sich schlanke Klingen elegant kreuzen, bei dem
aber bisweilen doch der Stich trifft, und dann gewöhnlich tiof
ins Herz. Daß Schnitzler so vollkommen über den Dingen
steht, die er dichtet, bewirkt es, daß er am meisten von allen
jüngeren Deutschen das Attribut „klassisch“ verdient, und daß
jede Seite und jede Szene von ihm, auch in seinen schwächeren
Werken, den Eindruck bestätigt, daß hier ein Großer zu uns
spricht.
Sein Lebensgang.
Arthur Schnitzler, am 15. Mai 1862 in Wien goboren, ist der
Sohn des geschätzten Laryngologen Professor Johann Schnitz¬
ler und selbst von Hause aus Arzt. In der modernen Literatur!
spielt der Arzt eine bedeutsame Rolle, hat einmal Georg Bran¬
des bemerkt. Zunächst als Dargestellter; man denke an Doktor
Stockmann und seine Kollegen; aber nicht minder als Schaffen¬
der. Ein merkwürdiger Zufall hat es so gefügt, daß heute die
beiden stärksten Dramatiker Oesterreichs Aerzte sind: Dr. Arthur
Schnitzler und Dr. Karl Schönherr. Die beiden sind sonst die
rechten Antipoden; Schönherr hat das große Pathos und die
Freude am Sturm, die dem Skeptiker Schnitzler fehlt. Und
als die Dichter Oesterreichs zur hundertjährigen Erinnerung
an 1809 auch ihr Scherflein beisteuerten, hat Schönherr seine
Bauernnovellen aus Tirol geschrieben, blinkend und fest wie
Stahl, während Schnitzlers „Medardus“, als Fresko angelegt,
sich in einer Reihe von Miniaturen auflöste. Dafür hätte der
Tiroler niemals den Jüngling und die fünf Weibchen bilden
können, die uns im „Anatol“ entzücken. In diesem seinem
frühen Jugendwerk — es stammt vom Jahre 1893 — stoht
Schnitzler schon völlig fertig vor uns da, wie Hauptmann im
„Sonnenaufgang" und Halbe in der „Jugend“. Der liebe
Wiener Junge geht von Cora zu Gabriele, von Annie zu
Bianca und von Ilona in die Ehe. Die Titel der fünf Ein¬
akter des „Anatol“ sind in ihrer Art symbolisch. Jede „Frage
an das Schickfal“ entpuppt sich schließlich als „Episode“. Von
jedem noch so verheißungsvollen Weihnachtseinkauf“ führt der
Weg doch endlich zum „Abschiedssoupe:“ bis einmal der Viel¬
geliebte am „Hochzeitsmorgen“ aufwacht und nun die alte Rolle!
im neuen Gewande weiterspielt. Zwei Jahre nach „Anatol“
folgt die „Liebelei“ mit der prächtigen Figur der Christine,
1898 — um nur das Wichtigste herauszugreifen — das „Ver¬
mächtnis“ einfach und kraftvoll, in dem das alte Motiv der
Treue des Geliebten bis in den Tod im modernen Gewande
erscheint. Der „Grüne Kakadu“ (1899), ein Gemälde aus der
französischen Gesellschaft beim Einbruch der großen Revolution,
zeigt, wie verwandt Schnitzler dem gallischen Geiste ist. Dieses
Tanzen auf dem Vulkan, dieses
Lächeln im Sterben
haben seine Wiener und Wienerinnen von den Damen und
Herren des Rokoko geerbt. Die in Deutschland verbotenen
Dialoge „Reigen“ (1900) folgen mit unerhörter Kühnheit dem
magnetischen Spiel der Geschlechter; künftigen Jahrhunderten
wird dieses Buch der Dekameron unserer Zeit sein. Aus der
gleichen Renaissance=Stimmung des Dichters ist das Drama
„Der Schleier der Beatrice“ geboren. Im „Einsamen
Weg“ (1903) wollte Schnitzler eine große psychologische Tra¬
gödie im Stile Ibsens geben; die fünf langen Akte sind in¬
dessen zu kompliziert geraten und hinterlassen nicht die Be¬
friedigung, mit der man sonst von einem seiner Werke scheidet.
Schnitzler ist in der Regel Kaviar fürs Publikum, und lärmende
Theatererfolge sind ihm kaum beschert gewesen. Daß aber die
Ma
Kunst gedeihen, wo feit des Minnesanges goldenen Tagen die
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wundervolle Komödie „Zwischenspiel“ (1905), in Berlin
F####derte ihre mildernde Macht geübt, wo man unendlich
wie in Wien gleichmäßig abgelehnt werden konnte, ist mehr ein
fein empfinden kann und doch, wenn der Schmerz fast die Brust
Beweis dafür, wie schwer sich oftmals Dichter und Hörer finden.
zersprengt, das resignierte Lächeln des Vielerfahrenen zur Schau
Zwei Cheleute, die sich einander nicht mehr genügen, glauben
trägt. Diese jungen Lebemänner, oberflächlich und herzlich,
auf Grund eines Pakts, der jedem seine volle Freiheit läßt,
gemütlich und vornehm, von Genuß zu Genuß eilend und doch
doch weiter nebeneinander leben zu können. Aber die neu
nie befriedigt; diese blasierten Aristokraten, diese nervenreichen
Form der „Ehe“ scheitert an der Macht des Blutes und der
Künstler; dieses ewig „süße Mädel“ und diese ewig unverstan¬
Gewohnheit. Die Tragikomödie der Ehe ist auch im „We
dene und abwechslungsgierige Frau, wie wir sie bei Schnitzler
Lanid“ vom vorigen Jahre dargestellt; zwei Menschen, die sich
immer wieder finden und lieben, sie sind rechte
lieben und die sich hintergehen müssen, bis die Kugel des be¬
Wiener Typen,
trogenen Gatten das viereckige Verhältnis sprengt.
Was uns Schnitzler in den zwanzig Jahren seines Schaffens
von einer Meisterhand herausgegriffen aus dem fvisch pul¬
geschenkt hat, ist unendlich viel und unendlich kostbar, und
sierenden Leben der Donaustadt. Wien hat stets seine Kinder
doch stoht er heute erst auf der Höhe seines Lebens. So dürfen
an sich zu halten vermocht. Wiener Dichter sind zumeist auch
wir von dem Wiener Poeten gewiß noch manches Meisterwerk
die Dichter Wiens geworden. Es hat ihrer schon viele vor
erh###in.
Schnitzler gegeben, und viele wirken neben ihm. Und doch ist
es ein gewisses Etwas, das seine Schöpfungen aus allen anderen
Produkten des Wienerischen Geistes heraushebt. Ein Walzer
von Strauß, eine Rolle von Girardis und ein Einakter Schnitz¬
lers — Blumen desselben Beetes und doch wie verschieden an
Farbe und Duft! Was bei Schnitzler fehlt, ist das Rührselig¬
Sentimentale, das Beschränkt=Spießbürgerliche, das sonst zum
Wienertum zu gehören scheint. Die Befreiung von ihm ver¬
dankt er seinem großen französischen Meister. Bei aller Leiden¬
schaft seiner Personen ist Schnitzler kühl; der Gegensatz zwischen
Mann und Weib ist ihm nicht, wie Strindberg, eine Tragödie,
die Schauer und Mitleid fordert, sondern gewissermaßen ein
Fechten, bei dem sich schlanke Klingen elegant kreuzen, bei dem
aber bisweilen doch der Stich trifft, und dann gewöhnlich tiof
ins Herz. Daß Schnitzler so vollkommen über den Dingen
steht, die er dichtet, bewirkt es, daß er am meisten von allen
jüngeren Deutschen das Attribut „klassisch“ verdient, und daß
jede Seite und jede Szene von ihm, auch in seinen schwächeren
Werken, den Eindruck bestätigt, daß hier ein Großer zu uns
spricht.
Sein Lebensgang.
Arthur Schnitzler, am 15. Mai 1862 in Wien goboren, ist der
Sohn des geschätzten Laryngologen Professor Johann Schnitz¬
ler und selbst von Hause aus Arzt. In der modernen Literatur!
spielt der Arzt eine bedeutsame Rolle, hat einmal Georg Bran¬
des bemerkt. Zunächst als Dargestellter; man denke an Doktor
Stockmann und seine Kollegen; aber nicht minder als Schaffen¬
der. Ein merkwürdiger Zufall hat es so gefügt, daß heute die
beiden stärksten Dramatiker Oesterreichs Aerzte sind: Dr. Arthur
Schnitzler und Dr. Karl Schönherr. Die beiden sind sonst die
rechten Antipoden; Schönherr hat das große Pathos und die
Freude am Sturm, die dem Skeptiker Schnitzler fehlt. Und
als die Dichter Oesterreichs zur hundertjährigen Erinnerung
an 1809 auch ihr Scherflein beisteuerten, hat Schönherr seine
Bauernnovellen aus Tirol geschrieben, blinkend und fest wie
Stahl, während Schnitzlers „Medardus“, als Fresko angelegt,
sich in einer Reihe von Miniaturen auflöste. Dafür hätte der
Tiroler niemals den Jüngling und die fünf Weibchen bilden
können, die uns im „Anatol“ entzücken. In diesem seinem
frühen Jugendwerk — es stammt vom Jahre 1893 — stoht
Schnitzler schon völlig fertig vor uns da, wie Hauptmann im
„Sonnenaufgang" und Halbe in der „Jugend“. Der liebe
Wiener Junge geht von Cora zu Gabriele, von Annie zu
Bianca und von Ilona in die Ehe. Die Titel der fünf Ein¬
akter des „Anatol“ sind in ihrer Art symbolisch. Jede „Frage
an das Schickfal“ entpuppt sich schließlich als „Episode“. Von
jedem noch so verheißungsvollen Weihnachtseinkauf“ führt der
Weg doch endlich zum „Abschiedssoupe:“ bis einmal der Viel¬
geliebte am „Hochzeitsmorgen“ aufwacht und nun die alte Rolle!
im neuen Gewande weiterspielt. Zwei Jahre nach „Anatol“
folgt die „Liebelei“ mit der prächtigen Figur der Christine,
1898 — um nur das Wichtigste herauszugreifen — das „Ver¬
mächtnis“ einfach und kraftvoll, in dem das alte Motiv der
Treue des Geliebten bis in den Tod im modernen Gewande
erscheint. Der „Grüne Kakadu“ (1899), ein Gemälde aus der
französischen Gesellschaft beim Einbruch der großen Revolution,
zeigt, wie verwandt Schnitzler dem gallischen Geiste ist. Dieses
Tanzen auf dem Vulkan, dieses
Lächeln im Sterben
haben seine Wiener und Wienerinnen von den Damen und
Herren des Rokoko geerbt. Die in Deutschland verbotenen
Dialoge „Reigen“ (1900) folgen mit unerhörter Kühnheit dem
magnetischen Spiel der Geschlechter; künftigen Jahrhunderten
wird dieses Buch der Dekameron unserer Zeit sein. Aus der
gleichen Renaissance=Stimmung des Dichters ist das Drama
„Der Schleier der Beatrice“ geboren. Im „Einsamen
Weg“ (1903) wollte Schnitzler eine große psychologische Tra¬
gödie im Stile Ibsens geben; die fünf langen Akte sind in¬
dessen zu kompliziert geraten und hinterlassen nicht die Be¬
friedigung, mit der man sonst von einem seiner Werke scheidet.
Schnitzler ist in der Regel Kaviar fürs Publikum, und lärmende
Theatererfolge sind ihm kaum beschert gewesen. Daß aber die
Ma