VII, Verschiedenes 2, 50ster Geburtstag, Seite 30

box 39/1
1. 5othBirthdav
Jedes seiner Bücher sieht uns mit dunkeln
ziselierte Novellen und dann den Roman
Erst langsam lernen wir
Augen an.
„Der Weg ins Freie“.
sittsam, und dann lang¬
Was ist das Leben? Kraftenfaltung, Da¬
Alles was das Leben an Schmerzen in
amer. Die Zeit scheint
seinsfreude, Wille zur Erhaltung, Trieb zum
Bereitschaft hat, das einsame Alter, die Ein¬
je älter man wird.
Fortleben in späteren Geschlechtern. Ein
samkeit zu zweit, die Jugend, die vorüber¬
uf dem langen Weg die
ewiger Kreislauf; ein ewiges Werden und
geht auf leisen, heimlich lächelnden Sohlen,
und sieht ihr schmerzlich
Vergehen, ein ewiges Blühen und Ver¬
während drin ein alter kranker Vater seine
Der andere, bei dem
s.
blühen; ein ewiges Kommen und Gehen,
junge Tochter, die voller Sehnsucht
Der andere bei dem
os.
Erstehen und Sterben. Und in der kurzen
hinaushorcht in des Lebens Frühling, mit
Jugendfreude nicht das
Zeit unserer Erdenpilgerschaft, die wir un¬
seinen dürren Armen und hämischen Worten
ein
Daseins war, der
gewollt antreten und verzweifelt verlassen,
an seinen Krankenstuhl zwingt; die Frau, die
geführt, der Schätze ge¬
spiegelt sich die Welt. Wir bauen sie immer
sieht, wie ihres Mannes Herz ihr entgleitet;
igen, Erkenntnisse, einen
von neuem auf und immer von neuem wird
der Mann, der vor seiner Frau einen andern
uuf einer Höhe des Denkens
sie zerstört. Sie spiegelt sich in Millionen
knieen sieht und lautlos die Türe schließt;
flangt ist, sieht freudig ver¬
Gläsern, in Millionen Farben nd Nuancen
der Sterbende, der jeden Tag von neuem
sich. Ihm ist das Alter
nud doch wollten wir etwas Gemeinsames
mit dem Morgenlicht die Erkenntnis trinkt,
gelebt. Jugend kein Ver¬
schaffen und es entstanden: Begriffe, Worte,
daß jenseits des Sommers der Tod auf ihn
atmet im Schrein seines
Werte.
wartet mit weit geöffneten Armen, denen er
s. unvergängliches Leben.
Das Leben pulst, die Herzen klopfen, die
nicht entgehen kann, und der Jugend und
ein Alter, wo wir Erinne¬
Seele träumt und die Sinne wünschen, die
Liebe und das lachende Leben lassen muß,
tungen stumme Denkmale
Sonne lächelt und die Dämmerung lockt...
nach dieser kurzen Frist, all das hat er in
[Fakeln den zurückgelegten
und wir haben Gewichte und Maßstäbe und
wundersamer Eindringlichkeit gestaltet.
wiegen und messen ....
Aber unsere Seele ist ein weites Land.
Dichters sind die Werke,
Was ist das Leben? Eine Durchgangs¬
„Alles hat darin Raum: Treue und Untreue,
die Leuchtkörper, die seines
station sagen die Gläubigen, das All, das
Liebe und Haß. . ..“ und das einfache Lied,
en. Die einen ruhig glei¬
Einzige die andern; eine Lebensstufe, eine
das primitive, einstimmige lockte ihn nicht
hmen, die uns zeigen, wie
Lebensform die Denker.
mehr, die Symphonie der Töne, die Poly¬
ome ward.
Und trotzdem ist das Leben des Einzelnen
phonie der Gedanken und Gefühle, die auf¬
ressantesten Erscheinungen
die ganze Welt, mit all ihrem Leid, mit all
und niederwallen, die aus dunklen unbekann¬
atur ist Arthur Schnitzler,
ihrem Glück, mit allen Freuden, allen Ent¬
ten Tiefen emporstreben zum Licht, denen
fünfzigsten Geburtstag
täuschungen, allen Schmerzen, allem Weh,
horchte er nach. Der Sehnsucht, die Leid sein
aller Einsamkeit, aller Verzweiflung. „Und
kann, müdes, wehmütiges Leid und die zum
die Fülle und nicht die
wieder sind es Begriffe, die uns martern,
Leben emporblüht, zur Tat wächst. Die Ma¬
fllerdings und sein Leben
Worte, die uns aufrichten, Werte, die uns
jestät des Todes, vor deren gewaltigem Myste¬
die noch kurze Zeit seines
führen.“ Und doch ist nichts, das gewiß
rium Leid und Mißgunst, Haß und Rache
kürzere seiner Dichterlauf¬
wäre.“
verstummen, so klein ist alles geworden, das
wanzig Jahre zurückdatiert.
An allem rütteln wir, alles betasten wir,
uns groß schien, wünschens= und erstrebens¬
volen Anatolszenen mit
nichts ist uns mehr heilig. Der Vorstand, der
wert, dem unsere Gedanken gegolten und
ken Champagnerduft geist¬
aufgebaut: Riesenpaläste, Felsenschlösser,
unser Fühlen, so arm, so erbärmlich vor
Das köstliche Selbstgespräch
Türme, Kirchen, er reißt auch nieder. Dort
dem weiten Flügelrauschen einer fremden
stl, dessen primitiv empfin¬
nimmt er die Krone und zerpflückt sie und
dunklen Welt.
ch an den Klauseln von
hier das Postament und alles wankt und
Ueber die Formen des Lebens spricht er,
desbewußtsein und kon¬
alles stürzt ..
die kein Teil haben an unserem Empfinden!
sichtungen stößt, die ihn in
In unserer Brust wohnt der dunkle Zwie¬
und zu wesenlosen Masken erstarren. „Es
gu jagen scheinen, während
spalt. Das ist die moderne Erbsünde, der
gibt weder Freude noch Schmerzen, nein es
end sich ans Leben klam¬
hohe Flug der Gedanken und Wünsche und
gibt nur Grimassen der Lust und der Trauer,
Ruf begründet und dann
wir lachen und weinen und laden unsere! ererbte Vorurteile von Pflicht und Sitte
ast jedes Jahr ein neues
und Recht, die sich wie Bleigewichte an die
Drama oder wunderfein] Seele dazu ein.“
Flügel hängen und sie vor der Zeit
legen. Die wundersame Kultur von
tausenden, die den subtilen Begriff:
geschaffen und die Natur, die imme
neuem erblüht, von neuem ersteht, ki
und mächtig alles unter ihre Herrschaf
gend. Und überall dicht beieinander das
und Böse, keine Farbenkonstraste, sonde
Ineinanderspielen, Ineinandergleiten
Leben lockt und der Tod gebietet.
zwischen diesen beiden Mächten vol
geheuer magnetischer Kraft steht der
kende Mensch und darf nicht irren..
in dieser dunklen Welt spielt alles
Schnitzler schreibt. Zwischen dem
und dem Denken ist kein Wert=, n
Gradunterschied. „Sein, spiele
nen Sie den Unterschied so genau
valier?“
In jenem kleinen Stück Paracelsi
der gerade unkomplizierte Waffen
Cyprian nicht an Paracelsus Zauber
glauben. Und dieser hypnotisiert des A
schmiedes schöne junge Frau und sie
eine nie begangene Schuld, und wie si
erwacht, bleibt Cyprian voller Zweif
Paracelsus ihm sagt:
Es war ein Spiel! Was sollt es anders
Was ist nicht Spiel, was wir auf Erden
Und schien es noch so groß und tief zu
Mit wilden Söldnerscharen spielt der ##
Ein anderer spielt mit tollen Abergläu
Vielleicht mit Sonnen, Sternen irgend
Mit Menschenseelen spiele ich. Gin S
Wird nur von dem gefunden, der ihn
Es fließen ineinandet Traum und Wa
Wahrheit und Lüge. Sicherheit ist nir
Wir wissen nichts von andern, nichts v
Wir spielen immer, wer es weiß, ist k
Arthur Schnitzler ist einer der v
tiefsten, wundersamsten Dichter,
haben. Eine merkwürdige Welt hat
unseren Augen aufgebaut. Von der
weitem Land erobert er einen Bezi
dem andern mit seinem weiten F
blick, mit seiner feinen Künstlerhau
seiner Seele wundersamem Ahnen ..
Marie Holg