VII, Verschiedenes 2, 50ster Geburtstag, Seite 44

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1. 50thBirtnday
it aushlannoverscher Anzeiger, Hannovt
15. MAl. 1912 7
Der Deinbruche, andere leichtere Verletzungen. Int Nach eintem Fannerun
M

1 Gegensatz zwischen Mann und Weib ist ihm nicht) Jahrhunderten wird dieses Buch der Dekam von
ie Strindberg, eine Tragödie, die Schauer und
unserer Zeit sein. Aus der gleichen Renaissence¬

Arthur Schnißler—
Mitleid fordert, sondern gewissermaßen ein Fech¬
Stimmung des Dichters ist
s. Drama „Der
Zum 50. ichters am 15. Mai.Iten, bei dem sich schlanke Klingen elegant freu¬
Schleier der Beatrice“ geboren.
Im
zen, bei dem aber bisweilen doch der
Arthur Schnitzler!
Stich
„Einsamen Weg“ (1903) wollte Schnitzler eine
Beim Klange dieses Na¬
trifft und dann gewöhnlich tief ins Herz. Daß
mens wird eine Welt lebendig. Nicht die Welt
große psychologische Tragödie im Stile Ibsens
Schnitzler so vollkommen über den Dingen steht,
geben: die fünf langen Akte sind indessen
des ewigen Kampfes um die Existenz mit ihren
die er dichtet, bewirkt es, daß er am meisten von
kompliziert geraten und hinterlassen nicht die Be
Klippen und Untiefen, sondern die Welt einer
allen jüngeren Deutschen das Attribut „klassisch“
friedigung, mit denen man sonst von einem sei¬
sehr feinen, sehr galanten und sehr, sehr kul¬
verdient; daß jede Seite und jede Szene von
ner Werke scheidet. Schnitzler ist in
turellen Gesellschaft. Nur in Wien konnte auf
Regel
ihm, auch
in
Kaviar fürs Publikum, und lärmende Theatererfolge
den
dem Boden des deutschen Sprachgebiets die
seinen schwächeren Werken,
Schnitzlersche Kunst gedeihen, wo seit des Minne¬
sind ihm kaum beschert gewesen. Daß aber die
Eindruck bestätigt, daß hier ein Großer zu uns
spricht.
sangs goldenen Tagen die Jahrhunderte ihre mil¬
wundervolle Komödie „Zwischenspiel“ (1905),
Berlin wie in Wien gleichmäßig abgelehnt!
Arthur Schnitzler, am 15. Mai in Wien ge¬
dernde Macht geübt, wo man unendlich sein emp¬
werden konnte, ist mehr ein Beweis dafür, wie
finden kann und doch, wenn der Schmerz fast
boren, ist der Sohn des geschätzten Laryngologen
die Brust zersprengt, das rel#enierte Lächeln des
schwer sich oftmals Dichter und Hörer finden.
Professor Johann Schnitzler und selbst von Hause
Zwei Ehelente, die sich einander nicht mehr ge¬
aus Arzt. Ein merkwürdiger Zufall hat es so
Vielerfahrenen zur Schau trägt. Diese jungen
Lebemänner, oberflächlich und herzlich, gemütlich
nügen, glauben auf Grund eines Pakts, der je¬
gefügt, daß heute die beiden stärksten Drama¬
dem seine volle Freiheit läßt, doch weiter ne¬
tiker Oesterreichs Aerzte sind, Dr. Arthur Schnitz¬
und vornehm, von Genuß zu Genuß eilend und
zu können. Aber die neue
beneinander leben
doch nie befriedigt; diese blasierten Aristokraten,
ler und Dr. Karl Schönherr. Die beiden sind
Form der „Ehe“ scheitert an der Macht des
sonst die rechten Antipoben; Schönherr hat das
diese nervenreichen Künstler; dieses ewig „süße
Bluts und der Gewohnheit. Die Tragikomödte
Mädel“ und diese ewig unverstandene und ab¬ große Pathos und die Freude am Sturm, die
der Ehe ist auch im „Weiten Land“ darge¬
sie bei Schnitz=1 dem Skeptiker Schnitzler fehlt. Und als die Dich¬
wechslungsgierige Frau, wie wir
stellt! Das eigenartige Werk wird noch in vieler
ter Oesterreichs zur hundertjährigen Erinnerung
immer wieder finden und lieben, sie sind
Erinnerung sein.
Machte es ja doch erst im
an 1809 auch ihr Scherflein beisteuerten, hat
rechte Wiener Typen, von einer Meisterhand her¬
vergangenen Oktober Franz Rolan möglich,
Schönherr seine Bauernnovellen aus Tirol ge¬
ausgegriffen aus dem frisch pulsierenden Leben
daß die hannoversche Schauburg
schrieben, blinkend und fest wie Stahl, während
mit
der Donaustadt. Wien hat stets seine Kinder an
einigen anderen Städten gleichzeitig die Urauffüh¬
Schnitzlers „Medardus“ als Fresko angelegt,
sich zu halten vermocht, Wiener Dichter sind zu¬
sich in eine Reihe von Miniaturen auflöste. Da¬
urng brachte und so Hannover wirklich einmal
meist auch die Dichter Wiens geworden. Es hat
für hätte der Tiroler niemals den Jüngling und
Stätte eines literarischen Ereignisses wurde. L
ihrer schon viele vor Schnitzler gegeben, und viele!
das „Weite Land“ sich freilich hier viele Freunde
die fünf Weibchen bilden können, die uns im
Und doch ist es ein g
wirken neben ihm.
gewonnen hat, ist die Frage. Die Schnitzlersche
entzücken. In diesem seinen frühen
„Anato
wisses Etwas, das seine Schöpfungen aus allen
Art „liegt“ uns hier nicht eben sehr. Aber was
stammt vom Jahre 1893
Jugendwerk
anderen Produkten des wienerischen Geistes her¬
Schnitzler in den zwanzig Jahren seines Schaf¬
aushebt.
steht Schnitzlex schon völlig fertig da, wie Haupt¬
Ein Walzer von Strauß, eine Rolle
fens der Kunst geschenkt hat, ist unendlich vie
von Gtrardi und ein Einakter Schnitzlers —
mann im
„Sonnenaufgang“ und Halbe in der
Blu¬
und unendlich kostbar, und da er heute erst¬
men desselben Beetes und doch wie verschieden
„Jugend“. Zwei Jahre nach „Anatol“ folgt die
der Höhe seines Lebens steht, so dürfen wir g
mit der prächtigen Figur der Chri¬
„Liebel
an Farbe und Duft! Was bei Schnitzler fehlt,
noch manches Meisterwerk erhoffen, das dann bohl die
ist das Rührselig=Sentimentale, das Beschränktesstine 1898 — um nur das Wichtigste herauszu¬
auch zu uns seinen Weg findet.
Spießbürgerliche,
das „Vermächtnis“ einfach und
das sonst zum Wienertum zu greifen
kraftvoll, in dem das alte Motiv der Treue
gehören scheint. Die Befreiung von ihm ver¬
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des Geliebten bis in den Tod im modernen Ge¬
dankt er seinem großen französischen Muster. Bei
wande erscheint. Der „Grüne Kakadu“ (1899)
Flaubert hat er gelernt, daß das Leben stark
ist und unerbittlich, daß es gleichmäßig geht wie
ein Gemälde aus der französischen Gesellschaft
die Uhr und dessen nicht achtet, der zu ihr her¬
beim Einbruch der großen Revolution, zeigt, wie
verwandt Schnitzler dem gallischen Geiste ist.
blickt: und Maupassant, daß die Liebe ein ewi¬
Dieses Tanzen auf dem Vulkan, dieses Lächeln
Spiel ist, das das Schicksal mit uns treibt,
bei dem es viele Nieten gibt und wenig Gewinn,
im Sterben haben seine Wiener und Wienerinnen
ein wenig Lächeln und viele Tränen, den unge= von den Damen und Herren des Rokoko geerbt.
Die in Deutschland verbotenen Dialoge Nei¬
heuren Genuß des Augenblicks und den langen
(1900) folgen mit unerhörter Kühnheit dem
Katzenjammer des Lendemain. Bei aller Leiden=Ig
schaft seiner Personen ist Schnitzler kühl; der magnetischen Spiel der Geschlechter; künftigen